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...die mit der Mühle

Cixin Liu – Der Blick von den Sternen


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Cixin Liu ist längst kein unbeschriebenes Blatt mehr in der Welt der Science-Fiction-Literatur. Spätestens mit seiner gefeierten Trisolaris-Trilogie, bestehend aus Die drei Sonnen, Der dunkle Wald und Jenseits der Zeit, hat sich der chinesische Autor einen festen Platz im internationalen Literaturkanon erarbeitet. Seine Werke wurden vielfach ausgezeichnet, millionenfach gelesen und zuletzt durch die Netflix-Verfilmung einem noch breiteren Publikum zugänglich gemacht. Doch was macht den Menschen hinter diesen monumentalen Romanen aus? Was inspiriert einen Schriftsteller, der ganze Zivilisationen entwirft und den Lauf des Universums in Worte fasst? In Der Blick von den Sternen gibt Cixin Liu erstmals einen sehr persönlichen Einblick in sein Denken, seine literarischen Anfänge und die Ursprünge seiner Faszination für das Genre. In einer Mischung aus autobiografischen Texten, Essays und Kurzgeschichten reflektiert er nicht nur über Science Fiction, sondern auch über seine eigene Rolle als Autor und Visionär.

Liu gewährt Einblicke in seine Kindheit, die er in einem einfachen Elternhaus in China verbrachte – fernab von technologischem Überfluss oder literarischer Förderung. Die Initialzündung für seine spätere Laufbahn war Jules Vernes Klassiker Reise zum Mittelpunkt der Erde. Bis heute hat dieses Werk für ihn nichts von seiner Magie verloren. Es symbolisiert für Liu das Potenzial der Literatur, unsere Vorstellungskraft zu beflügeln und neue Welten zu erschließen. Eröffnet wird der Band mit einem Essay, der als Auftakt in diese Reise durch Cixin Lius Gedankenwelt dient. Es folgt die Kurzgeschichte Walgesang, die bereits vor rund 25 Jahren erschien und weniger ein klassischer Science-Fiction-Text ist, vielmehr eine Parabel über Ethik und Verantwortung und zeigt bereits frühe Ansätze des moralischen Tiefgangs, für den Liu später so geschätzt werden sollte.

In mehreren Essays diskutiert Liu den Unterschied zwischen Science Fiction und Fantasy. Während Fantasy oft von rein imaginativen Welten lebt, sieht Liu in der Science Fiction eine intellektuelle Disziplin: Sie soll plausibel bleiben, wissenschaftlich fundiert und dabei trotzdem visionär. „Science-Fiction-Autoren sind keine Träumer, sondern Denker“, so könnte man seine Haltung zusammenfassen. Die technischen Möglichkeiten der Zukunft müssen dabei stets in einem glaubwürdigen Rahmen bleiben, denn nur so entfaltet eine fiktive Welt auch ihre Überzeugungskraft. Natürlich kommt auch die Trisolaris-Trilogie zur Sprache. Liu reflektiert über die Entstehung des Epos, über die Idee außerirdischen Lebens und über den Platz der Menschheit im kosmischen Gefüge. Immer wieder betont er seine Überzeugung, dass wir kaum die einzigen intelligenten Wesen im Universum sein können, eine Idee, die in seinen Romanen zur Grundspannung beiträgt.

Wie wird unsere Welt in 50 Jahren aussehen? Welche wissenschaftlichen Durchbrüche, welche Bedrohungen, aber auch welche Möglichkeiten werden unser Leben prägen? Liu nimmt sich dieser Fragen mit analytischer Neugier an. In einer weiteren kurzen Geschichte versucht ein jugoslawischer Wissenschaftler, durch präzise Berechnungen das Wetter seiner Heimat zu beeinflussen. In einer anderen wird ein „Einstein-Äquator“ errichtet, mit ungeahnten, teils absurden Konsequenzen. Doch so faszinierend manche dieser Ideen sind, so deutlich wird auch, dass viele dieser Geschichten aus einer früheren Schaffensperiode stammen. Nicht jede Erzählung ist ausgereift, Wendungen wirken gelegentlich holprig, Figuren bleiben blass und der große erzählerische Atem, den man aus seinen Romanen kennt, fehlt mitunter. Dennoch liegt gerade in dieser Unvollkommenheit ein Reiz: Man erlebt einen Autor auf dem Weg zu seiner Meisterschaft.

Fazit:
Einblicke in das Denken eines visionären Science-Fiction-Autors. Der Blick von den Sternen ist kein neues Hauptwerk, kein Science-Fiction-Meilenstein. Es ist eine Sammlung für jene, die tiefer blicken wollen, hinter die Kulissen, in den Kopf eines Autors, der das Genre auf seine Weise revolutioniert hat. Wer Cixin Lius Romane liebt, wird hier viele faszinierende Gedankengänge entdecken. Wer ihn bislang nur vom Hörensagen oder aus der Netflix-Serie kennt, bekommt einen kleinen Einstieg in sein Universum. Die Kurzgeschichten sind inhaltlich nicht so kraftvoll wie seine Romane, aber sie dokumentieren seine Entwicklung und zeigen, wie aus ersten Ideen große Werke entstehen konnten. Als Gesamtpaket bietet das Buch kluge Reflexionen, interessante Hintergrundinformationen und eine gute Gelegenheit, den Menschen Cixin Liu näher kennenzulernen. Für alle, die sich für Science Fiction als Denkexperiment interessieren und für Fans, die wissen wollen, wo alles begann.

Matthias Göbel

Autor: Cixin Liu
Übersetzung: Karin Betz, Johannes Fiederling, Marc Hermann
Hardcover: 336 Seiten
Verlag: Heyne Verlag
Veröffentlichung: 12.03.2025
ISBN: ‎9783453275089
 

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