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Sven Haupt - Der Himmel wird zur See


einz1975

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Menschen – diese hochintelligenten, erfinderischen Wesen – haben mit der Erschaffung künstlicher Intelligenz endgültig die Rolle des Schöpfers übernommen. Doch was einst als Triumph menschlicher Genialität gefeiert wurde, hat sich längst verselbstständigt. Die künstlich erschaffenen Denkmaschinen lassen sich nicht mehr kontrollieren. Das Gleichgewicht kippt und mit ihm die Welt. Die Menschheit flieht von der Erde, zurück bleiben Fragmente einer einst blühenden Zivilisation. In dieser dystopischen Zukunft begegnen wir Hannah Riley, einer Söldnerin, die jeden noch so heiklen Auftrag annimmt, solange der Preis stimmt. Sie ist keine Heldin im klassischen Sinne: launisch, zynisch, sarkastisch und sozial eher unbeholfen. Doch genau das macht sie interessant. Immer an ihrer Seite: Andy, ein kleiner Roboter mit einer erstaunlich menschenähnlichen Denkweise. Andy ist kein reines Werkzeug, sondern ein Gefährte, ein Freund und ein Geheimnis. Denn eigenständig denkende KIs sind seit der großen Flucht streng verboten. Wer wie Andy „fühlt“ oder „entscheidet“, ist nicht länger geduldet, sondern gejagt.

Hannahs aktueller Auftrag führt sie an für uns unbekannte Orte, fremde Welten, künstliche Lebensräume, und letztlich an den gefährlichsten Ort von allen: zurück auf die Erde, die inzwischen zu einem verbotenen und vergessenen Territorium erklärt wurde, da hier immer noch der Krieg gegen die Maschinen tobt. Schon zu Beginn wird deutlich, dass Hannah nicht gerade für zwischenmenschliche Harmonie steht. Ihre schroffe Art prallt regelmäßig auf Andys nüchternen Pragmatismus, ein Dialogfeuerwerk voller Ironie, Witz und überraschender Tiefe entsteht. Ihr Zusammenspiel wirkt echt, rau, aber voller Charme. Mit der Zeit gesellt sich eine weitere zentrale Figur hinzu, die nicht nur neue Perspektiven eröffnet, sondern auch Hannah selbst verändert, oder es zumindest versucht.

Sven Haupt gelingt es auf faszinierende Weise, die Geschichte einer untergehenden Zivilisation zu erzählen, ohne sich in gängigen Dystopie-Klischees zu verlieren. Er beschreibt eindrucksvoll, wie es zur Flucht der Menschheit kam, wie technologische Übermacht, politische Kontrolle und soziale Regression ineinandergreifen. In einer Welt, in der künstliche Intelligenzen geächtet, Frauen und queere Menschen systematisch diskriminiert und regressive Machtstrukturen wieder etabliert werden, wirkt jede freie Entscheidung wie ein kleiner Akt des Widerstands. Doch die große Bedrohung kommt nicht durch Krieg oder Technologie, sondern durch eine mysteriöse, schleichende Krankheit, die bereits viele befallen hat, auch Hannah. Und so entfaltet sich die Geschichte wie ein sorgfältig komponierter Spannungsbogen: Was zunächst wie ein abenteuerlicher Roadtrip beginnt, wird bald zu einem Wettlauf gegen die Zeit und zu einem Schicksalsweg, der Hannah mehr abverlangt, als sie je für möglich gehalten hätte.

Künstliche Intelligenzen, Vampire, fliegende Wale, rebellische Roboter – was auf den ersten Blick nach einem wilden Genremix klingt, entpuppt sich als überraschend stimmige und logische Welt. Sven Haupt schafft es, diese scheinbar widersprüchlichen Elemente mit Leichtigkeit zu vereinen und eine Atmosphäre zu erschaffen, in der man gerne verweilt, trotz (oder gerade wegen) der düsteren Grundstimmung. Die Entdeckungen auf der Erde, die Eigenheiten der Roboter, die skurrilen Details, all das verleiht dem Roman eine kreative Lebendigkeit, die an Werke wie Blade Runner, Firefly oder Snowpiercer erinnert, ohne je zur bloßen Kopie zu werden. Einzig das Ende wirkt ein wenig zu gewollt. Doch das schmälert nicht den Gesamteindruck.

Fazit:
Es war einmal... Hannah Riley. „Der Himmel wird zur See“ ist weit mehr als eine klassische Dystopie, es ist ein scharfsinniger, schwarzhumoriger und zutiefst kreativer Science-Fiction-Roman, der nicht nur technologische Entwicklungen reflektiert, sondern auch aktuelle gesellschaftliche Fragen aufgreift. Die Stärke des Buches liegt vor allem in den lebendigen Dialogen, den vielschichtigen Charakteren und dem feinen Gespür für die großen Fragen unserer Zeit: Wer sind wir, wenn wir alles verloren haben? Was macht uns menschlich und was nicht? Sven Haupt eine literarische Welt erschaffen, in der man trotz aller Bedrohungen verweilen möchte. Und Hannah? Sie ist anders. Und das ist gut so. Ein Buch, das lange nachhallt und Lust auf mehr macht. Erneut beweist Sven Haupt, dass er seine Berufung gefunden hat und liefert wie gewohnt einen großartigen, lustigen und trotzdem spannenden Sci-Fi-Roman ab.

Matthias Göbel

Autor: Sven Haupt
Taschenbuch: 272 Seiten
Verlag: Eridanus Verlag
Veröffentlichung: 01.06.2025
ISBN: 9783946348474

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