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...mit der Extraportion Milch

S. A. Barnes – Cold Eternity


einz1975

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Eine Raumstation kann ein gefährlicher Ort sein, voller politischer Intrigen, dunkler Geheimnisse und tödlicher Gefahren. Halley Zwick weiß das nur zu gut, denn sie hat etwas herausgefunden, dass sie besser nie hätte wissen sollen. Um ihr Leben zu retten, bleibt ihr nur unterzutauchen. Zuflucht findet sie schließlich auf dem Raumschiff „Elysium Fields“ – einem Schiff, das auf den ersten Blick wie eine riesige Festung wirkt, sich jedoch schnell als albtraumhafte Kulisse entpuppt. Denn an Bord liegen in endlosen Reihen Kältekammern, in denen die leblosen Körper einst mächtiger und berühmter Persönlichkeiten ruhen. Sie alle hoffen darauf, eines Tages geheilt, erweckt und vielleicht unsterblich zu werden. Ein Schiff voller „Schläfer“, Scheintoter, die jederzeit zurückkehren könnten. Schon beim Betreten spürt Halley die bedrückende Atmosphäre dieses Ortes, ein beklemmendes Schweigen, das schwerer wiegt als die unendliche Leere des Alls. Doch was sie erwartet, ist weitaus schlimmer als bloße Stille.

Barnes, die bereits in ihren letzten Romanen ihr Gespür für subtilen Horror unter Beweis gestellt hat, lässt die Geschichte leise und fast unscheinbar beginnen. Katerina, die sich an Bord als Halley ausgibt, stellt bald fest, dass ihr neuer Job alles andere als unkompliziert ist. Der einzige weitere Angestellte auf dem gigantischen Schiff begegnet ihr mit offener Feindseligkeit, und so verbringt sie die meisten Stunden allein - allein mit den Toten. Dazu kommt ihr permanenter Schlafmangel, die psychischen Narben ihrer überstürzten Flucht und die ständige Angst, entdeckt zu werden. Kein Wunder, dass sich ihre Wahrnehmung verzerrt und sie bald die ersten unheimlichen Erscheinungen bemerkt.

Auf den Überwachungskameras erkennt sie eine Gestalt, die sich bewegt, obwohl sie in keiner der Kammern liegen sollte. Und dann sind da noch die Geräusche: Knacken, Kratzen, Quietschen, unheilvolle Laute, die durch die dunklen Korridore hallen und ihr Blut in den Adern gefrieren lassen. Man meint beim Lesen fast selbst die eisige Stille und das anschwellende Grauen spüren zu können. Die Autorin nimmt sich allerdings sehr viel Zeit, bevor die Handlung wirklich an Fahrt gewinnt - für manche vielleicht zu viel. Barnes widmet sich ausführlich der Hintergrundgeschichte des Schiffes und seiner Besitzerfamilie, deren Nachkommen als virtuelle Abbilder weiterexistieren. Selbst ihre Körper ruhen eingefroren an Bord, während ihre digitalen Projektionen mit Halley sprechen, täuschend echt, irritierend lebendig. Schnell wird klar: Hinter ihren Worten verbirgt sich mehr, als es zunächst scheint. Doch die Enthüllung, die darauf folgt, wirkt etwas klischeehaft und vorhersehbar, fast so, als hätte Barnes zu viele bekannte Motive miteinander verwoben.

Dafür gelingt es ihr, die Spannung im letzten Drittel des Romans drastisch zu steigern. Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse, das Tempo zieht rasant an, und die zuvor mühsam aufgebauten Fäden laufen in einem chaotischen, aber fesselnden Finale zusammen. Trotz einiger Längen bleibt man als Leser gefesselt, weil die Atmosphäre und das beklemmende Setting so eindringlich wirken. Was jedoch etwas zu kurz kommt, sind die zwischenmenschlichen Momente: Dialoge sind rar, was zwar zur Einsamkeit der Protagonistin passt, aber gleichzeitig den emotionalen Zugang erschwert. Auch die politische Verschwörung, die den Ausgangspunkt der Handlung bildet, wirkt stellenweise etwas konstruiert. Dafür punktet Barnes immer dann, wenn sie das Grauen ins Zentrum rückt, die unheimlichen Geräusche, die flackernden Kamerabilder, die verstörende Vorstellung, mit Hunderten von Toten allein im All gefangen zu sein.

Fazit:
Cold Eternity ist ein Roman, der den Schrecken der Isolation meisterhaft einfängt. Das Bild des „Sarges im Weltraum“ könnte kaum treffender sein. Allein schon die Vorstellung, Dienst auf der Elysium Fields schieben zu müssen, genügt, um Gänsehaut auszulösen. Kommen dann noch rätselhafte Geräusche, gespenstische Erscheinungen und das Misstrauen gegenüber der einzigen lebenden Bezugsperson hinzu, entsteht ein beklemmendes, fast klaustrophobisches Horrorszenario. Auch wenn die Autorin sich in der Vergangenheit der Figuren manchmal verliert und einige Auflösungen allzu vorhersehbar erscheinen, bietet sie eine dichte, atmosphärische Geschichte, die insbesondere im letzten Drittel für Hochspannung sorgt. Fans von S. A. Barnes kommen hier ebenso auf ihre Kosten wie Liebhaber von Sci-Fi-Horror mit psychologischem Tiefgang.

Matthias Göbel

Autorin: S.A. Barnes
Übersetzung: Michael Pfingstl
Paperback: 384 Seiten
Verlag: Heyne Verlag
Veröffentlichung: 11.06.2025
ISBN: 9783453323636

 

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