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...so krass wie die Angst!

Robin Sloan – Die letzte Geschichte der Welt


einz1975

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Besonders junge Menschen haben die Gabe, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Ihre unstillbare Neugier führt sie zu Erkenntnissen, die anderen verborgen bleiben. So auch Ariel de la Sauvage, ein Junge aus einem friedlichen Dorf, das unter dem Schutz, oder besser: der Herrschaft, eines Zauberers steht. Dessen Burg überragt die Landschaft, seine Ritter wachen über das Volk, und hin und wieder erheitern Turniere und Ritterspiele den Alltag. Ariel jedoch zieht es hinaus in die Natur. Dort macht er eines Tages eine Entdeckung, die sein Leben und die Zukunft der gesamten Welt für immer verändern wird: Er findet ein seltsames, metallisch glänzendes, kugelförmiges Objekt. Als er es öffnet, stößt er auf die uralte, mumifizierte Leiche einer Frau. Was er nicht weiß: Mit diesem Fund setzt er unbewusst eine geheimnisvolle Hefe-KI frei, die sich in seinem Körper einnistet. Damit beginnt seine lange und gefährliche Reise.

Vor über zehntausend Jahren existierte bereits eine hochentwickelte menschliche Zivilisation, die sich selbst die Anth nannten. Sie vereinten Technik, Forschung und Wissensdurst in einer beispiellosen Gemeinschaft. Ihr Streben richtete sich nach den Sternen: Sie wollten das All erforschen und erschufen dafür genmanipulierte Menschen, die sie „Drachen“ nannten. Doch die Expeditionen führten zu einer folgenschweren Erkenntnis: Die Menschheit hätte niemals die Erde verlassen dürfen. Aus dieser Erkenntnis erwuchs ein Konflikt, der in einem verheerenden Krieg endete. Die Erde wurde in Dunkelheit gehüllt, und seitdem lebt die Menschheit in einer Welt, in der Mythen, Magie und Überreste vergessener Technologien nebeneinander existieren.

In dieser düsteren Zukunft wächst Ariel auf. Der Zauberer seines Dorfes tritt zwar zu Beginn als Gegenspieler auf, doch bald führt Ariels Weg weit hinaus in eine unbekannte Welt. Anfangs noch getrieben von einem einfachen Ziel seinem Bruder zu helfen, Ritter zu werden, wofür er ein Schwert benötigt, stolpert Ariel bald in ein Abenteuer, das weit größer ist, als er ahnt. Sein Versuch, ein Schwert aus dem Stein zu ziehen, scheitert wie bei so vielen und so macht er sich auf die Suche nach einer Alternative. Sloan verbindet hier zahlreiche Motive: Excalibur, sprechende Tiere, KI, Drachen, Raumschiffe und die Artus-Saga, also eine Mischung aus Märchen und Science Fiction. Auf den ersten Blick klingt dies faszinierend: die Tafelrunde in die ferne Zukunft zu verlegen und den mythischen Heldenpfad mit futuristischen Ideen zu verweben. Doch die Umsetzung wirkt überladen. Zu viele Elemente greifen gleichzeitig ineinander, sodass sich die Erzählung oft verzettelt. Märchenhafte Motive kippen ins Kindlich-Naive, während die Science-Fiction-Aspekte unentschlossen und fragmentarisch bleiben.

Die Geschichte entfaltet sich aus mehreren Perspektiven: Zum einen begleiten wir Ariel, der von Stadt zu Stadt flieht, stets verfolgt von den Rittern des Zauberers. Zum anderen hören wir die Stimme der KI in Ariels Innerem, die uns Einblicke in die Vergangenheit der Anth gewährt, ihre Errungenschaften, ihre Hybris und ihr Untergang. Gerade diese historischen Rückblicke zählen zu den spannendsten Momenten des Romans. Sie beantworten Fragen nach der Verdunkelung der Erde, nach den sprechenden Tieren und nach dem Schicksal der Drachen, die auf dem Mond ihre Zuflucht fanden. Doch trotz dieser faszinierenden Ansätze bleibt vieles unfertig. Zwar ist nachvollziehbar, dass nach Jahrtausenden neue Kulturen und Lebensformen entstehen, doch die Handlung wirkt häufig sprunghaft. Die Welt scheint aus Angst vor einem erneuten Krieg mit den Drachen in Erstarrung zu verharren und es ist Ariel, der sie wieder in Bewegung setzen soll. Ob es ihm gelingt, den Sternenhimmel zurückzubringen und die Menschheit erneut auf einen Weg der Erkenntnis zu führen, bleibt die zentrale Frage.

Fazit:
Die letzte Geschichte der Welt ist eine Art unendliche Reise: Ariel durchstreift eine bunte, bizarre und gefährliche Welt, während ihm der Zauberer dicht auf den Fersen bleibt. Auf dieser Odyssee lernen wir zahlreiche Städte, Kreaturen und Kulturen kennen. Sloan wagt den Versuch, die Artus-Sage in eine futuristische Märchenwelt zu übertragen, ein kühner, aber auch riskanter Ansatz. Leider gerät die Erzählung durch die Vielzahl der Ideen oft holprig, wirr und kindlich. Die Mischung aus Märchen und Science Fiction verliert sich in überbordenden Bildern, die eher an einen psychedelischen Traum erinnern als an eine stringent erzählte Geschichte. Wer Lust hat, sich treiben zu lassen und in surreale, märchenhafte Szenarien einzutauchen, wird durchaus faszinierende Bilder finden. Wer jedoch eine klare, durchdachte Science-Fiction-Erzählung erwartet, dürfte eher enttäuscht sein. Sloan hatte eine originelle Idee, doch beim Versuch, alles miteinander zu verweben, hat er für meinen Geschmack das Maß leider verloren.

Matthias Göbel

Autor: Robin Sloan
Übersetzung: Felix Mayer
Hardcover: 464 Seiten
Veröffentlichung: 16.04.2025
Verlag: Heyne Verlag
ISBN: ‎9783453275201

 

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