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...und dann passiert Unglaubliches!

John Snowley - 2055: Die Rache des Wanderers: Teil I: Konflikt


einz1975

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Man könnte meinen, die Zukunft Deutschlands würde im Jahr 2055 von Fortschritt und Wohlstand geprägt sein, doch John Snowley entwirft in seinem Roman ein gänzlich anderes Bild: eine düstere Dystopie, die von politischen Extremen, globalen Kriegen und gesellschaftlichem Zerfall bestimmt ist. Rechte Bewegungen gewinnen erneut an Stärke, Nahrungsmittel und Trinkwasser sind streng rationiert, China befindet sich im Krieg mit Australien, und Europa hat sich zu einer „Allianz des Westens“ zusammengeschlossen, die in diesen Konflikt eingreift. Was bleibt, ist eine Welt am Abgrund und wie so oft muss die junge Generation die Folgen tragen.

Erstaunlicherweise beginnt die Erzählung nicht in der Zukunft, sondern mit der biblischen Geschichte von Adam und Eva. Was zunächst befremdlich wirkt, entpuppt später eventuell als symbolischer Auftakt für die ewige Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse. Der Autor erzählt diese Passage bewusst locker, fast salopp, bevor er seine Leserinnen und Leser mitten in ein komplexes Geflecht aus Zeitsprüngen und wechselnden Perspektiven führt. Dabei begegnen wir einer Vielzahl unterschiedlicher Figuren: einem schüchternen jungen Mann, der kaum mit Menschen zurechtkommt, dafür aber eine tiefe Verbundenheit zu Tieren empfindet; seinem Bruder, der in eine Beziehungskrise gerät, weil seine Freundin ihm eine Affäre unterstellt; sowie dem Sohn einer Textilunternehmerin, deren Familie das Geschäft über das Wohl der Angestellten stellt. So verschieden ihre Hintergründe auch sind, am Ende verbindet sie ein gemeinsames Schicksal – sie alle werden zum Wehrdienst eingezogen.

Während sich die persönlichen Geschichten entfalten, entsteht zugleich ein Panorama der Weltlage. Ob Klimakrise, politische Radikalisierung, Fußball oder militärische Auseinandersetzungen, Snowley zeichnet das Bild einer Gesellschaft, die sich in Auflösung befindet. Besonders rätselhaft erscheint der Auftritt eines geheimnisvollen alten Mannes, begleitet von einem Auftragskiller. Ihre Rolle bleibt vorerst unklar, doch vieles deutet darauf hin, dass hier größere Mächte, vielleicht Gott und Teufel selbst, im Hintergrund ihre Finger im Spiel haben. Die Vielzahl an Figuren und die ständigen Sprünge in Zeit und Handlung verleihen dem Roman eine gewisse Unruhe und lassen ihn bisweilen fragmentarisch erscheinen. Politische Debatten und der Konflikt zwischen rechten und linken Kräften sind eher vereinfacht dargestellt, wirken aber zugleich beunruhigend nah an aktuellen Entwicklungen.

Besondere Intensität entfaltet die Erzählung, als die jungen Protagonisten ihre militärische Ausbildung beginnen. Hier entwirft Snowley ein deutliches Spannungsfeld zwischen Gut und Böse: sadistische Ausbilder auf der einen Seite, orientierungslose Jugendliche auf der anderen. Die gnadenlosen Methoden und die psychische wie körperliche Zermürbung erinnern stark an Stanley Kubricks Full Metal Jacket, ein Vergleich, den der Autor selbst aufgreift. Science-Fiction-Elemente treten in diesen Passagen in den Hintergrund, zugunsten einer bedrückend realistischen Darstellung. Neben den düsteren Szenen streut Snowley jedoch auch originelle Ideen ein, etwa wenn bekannte Fußballlegenden in seinem Zukunftsentwurf auftauchen. Insgesamt bleibt die Grundstimmung jedoch apokalyptisch: Die Welt steht nicht mehr fünf, sondern nur noch eine Minute vor Mitternacht.

Fazit:
2055 – Die Rache des Wanderers, Teil 1: Konflikt ist eine düstere Near-Future-Erzählung, die Deutschland als Schauplatz eines globalen Niedergangs entwirft. Hunger, Durst, Hass, Rassismus und Krieg prägen das Bild. Im Zentrum steht eine Gruppe junger Menschen, die durch eine brutale militärische Ausbildung gebrochen werden sollen. Der Einstieg mit der biblischen Parabel und die geheimnisvolle Figur des „Wanderers“ bleiben vorerst kryptisch, eröffnen aber interessante Deutungsmöglichkeiten. Snowleys Stärke liegt in bildhafter Sprache und eingängigen Metaphern, die seine trostlose Zukunftsvision greifbar machen. Gleichzeitig verliert sich der Roman durch die Vielzahl an Charakteren und Zeitsprüngen gelegentlich in Unruhe und Bruchstückhaftigkeit, hier wäre weniger tatsächlich mehr gewesen. Dennoch gelingt es ihm, eine bedrückende und glaubhafte Atmosphäre zu erzeugen. Ob sich die losen Fäden in den folgenden Bänden zu einem stimmigen Gesamtbild verweben, bleibt abzuwarten. Der Auftakt ist solide, mit deutlichem Entwicklungspotenzial. Wer sich auf eine düstere, politisch brisante und stellenweise erschreckend realistische Zukunftsvision einlassen möchte, wird hier fündig, auch wenn man sich diese Welt lieber nicht selbst wünschen würde.

Matthias Göbel

Autor: John Snowley
Taschenbuch: 282 Seiten
Verlag: Books on Demand / Selfpublisher
Veröffentlichung: 14.07.2025
ISBN: 9783819249631

 

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Bearbeitet von einz1975
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