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...mit Sicherheit ein gutes Gefühl!

Matthias Bieder – Bratwurst on Mars


einz1975

Empfohlene Beiträge

Berlin war wohl schon immer ein Ort, an dem nahezu alles möglich ist. Jonny, ein abgehalfterter Punk, schlägt sich in dieser zerfallenden Metropole durch den Tag. Er lebt auf der Straße, begleitet von seinem treuen Hund „Bratwurst“, und hat längst aufgehört, große Pläne zu schmieden. Nach Jahren voller Pandemien, wirtschaftlicher Einbrüche und gesellschaftlicher Erschütterungen steht es schlecht um Deutschland und für Menschen wie Jonny noch schlechter. Doch eines Morgens verändert sich sein Leben grundlegend: In seinem Wohncontainer sitzt plötzlich eine Ratte, die genüsslich an seinem Käsebrot knabbert. Das Seltsame daran: Sie kann sprechen und stellt sich als „385“ vor. Damit beginnt ein völlig unerwartetes Abenteuer für dieses ungleiche Trio.

Der Autor scheint Berlin bestens zu kennen oder zumindest in kürzester Zeit sehr viele Orte und Typen beobachtet zu haben, die man tatsächlich genauso wiederfindet. Die Beschreibungen des städtischen Lebens sind detailreich, authentisch und treffen den Ton der Hauptstadt erstaunlich gut. Da die Geschichte leicht in der Zukunft angesiedelt ist, streut der Autor zwischenzeitlich historische Hinweise ein, die erklären, warum die Dinge sind, wie sie sind. Vieles wirkt plausibel, aber nur selten wirklich überraschend. Die sprechende Ratte wirkt zunächst wie ein etwas überzogener Fantasy-Einschlag, doch wer bereit ist, sich darauf einzulassen, erkennt schnell, dass 385 als genmanipuliertes Versuchswesen eine tragende Rolle spielt: Sie sucht ihren Schöpfer und versucht, sich im chaotischen Berlin zurechtzufinden.

Jonny und Bratwurst begleiten sie schließlich nach Adlershof, wo sie einen verkaterten Professor treffen, der ihnen eine erstaunliche Geschichte offenbart. Parallel dazu erfährt man als Leser, dass ein Roboter auf dem Mars eine verstörende Entdeckung macht: Es gibt Ratten auf dem Roten Planeten. Ursprünglich sollten hochintelligente Ratten dorthin geschickt werden, um dem Menschen die Besiedlung des Mars vorzubereiten, doch das Experiment geriet außer Kontrolle. Jetzt wenden sich die Ratten gegen ihre Schöpfer, und die Lage eskaliert. Ab einem gewissen Punkt springt die Erzählung häufig zwischen verschiedenen Figuren und Schauplätzen hin und her. In kurzen Episoden erhält man Einblicke in das Gesamtgeschehen. Dieser Ansatz hätte funktionieren können, wäre die Anzahl der angerissenen Figuren nicht so groß. So erinnert das Ganze an einen klassischen Rattenhorror, der tief in unserem kulturellen Gedächtnis verankert ist und seit dem Mittelalter ein Bild für Angst, Chaos und Kontrollverlust.

Die Figuren handeln und reagieren, und die Spannung nimmt stetig zu. Doch trotz des Tempos scheint etwas zu fehlen. Vielleicht liegt es an der überzeichneten Grundidee, an den überspitzt gezeichneten Charakteren oder an der stellenweise überladenen Science-Fiction-Komponente. Besonders gegen Ende wirkt alles zu hastig erzählt. Wo zuvor Wert auf Detailreichtum und längere Dialoge gelegt wurde, folgen nun schnelle Zusammenfassungen und abrupte Wendungen. Andererseits passt diese Überzeichnung durchaus zur grotesken Grundstimmung der Erzählung.

Fazit:
Ein Hund auf dem Mars – wer hätte das je für möglich gehalten? Die Groteske als Stilmittel für eine Science-Fiction-Erzählung ist keineswegs ungewöhnlich, verlangt jedoch vom Leser die Bereitschaft, sich auf Übertreibungen und Absurditäten einzulassen. Jonny, sein Hund und die Ratte bilden anfangs ein faszinierendes Gespann. Doch sobald die Geschichte mehrere Erzählstränge öffnet und zahlreiche Figuren kurz auftreten, beginnt das Konstrukt zu wanken. Die atmosphärischen Details des Anfangs treten in den Hintergrund, während die allgegenwärtige Bedrohung die Handlung dominiert. Einige humorvolle oder skurrile Momente lockern zwar auf, wirken jedoch manchmal zu weit entfernt vom Kern der Geschichte. Damit bleibt „Bratwurst on Mars“ ein Werk für Liebhaber des Grotesken – weniger für reine Science-Fiction-Fans, die einer stringenteren Handlung folgen wollen.

Matthias Göbel

Autor: Matthias Bieder
Taschenbuch: 228 Seiten
Verlag: Signum Verlag
Veröffentlichung: 12.11.2025
ISBN: 9783565087907

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