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...Glück im grenzenlosen Sein
  • Monitor - 6x07: Bestimmung

    ... jeder hat ein Ziel.
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    • TheOssi
    Ein Mann hat vor einigen Jahren bei einem tragischen Shuttleabsturz sein Gedächtnis verloren. Er war bereit ein neues Leben zu führen, unter einer neuen Identität. Doch dann kommen einige Erinnerungsfetzen wieder und ihm wird klar: der an Amnesie leidende war auf eine ganz bestimmte Person angesetzt...
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    Monitor 6x07 "Bestimmung"
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    Die Sonne stand bereits hoch im Zenit, als er barfüßig im Schutze der Schattenspendenden Baumkronen durch das Geäst spähte und sich den beschwerlichen Weg zum Ort seines ‚Erwachens’ bahnte, wie seine junge Ehefrau Christine diesen auf metaphorische Weise gern nannte.

    Es war nichts bei ihm gefunden worden, als die Exobiologen ihn auf einer altmodischen Pritsche aus dem dichten Dschungel ins nächst gelegenste Dorf getragen hatten. Keine Identitätskarte, nur wenige persönliche Gegenstände und eine mächtige Wissenslücke waren ihm geblieben! Mal abgesehen von seinen zahlreichen Schürfwunden hatte er eine Prellung am Kopf davongetragen, die für sein Blackout verantwortlich zu sein schien. Die Ärzte der Sternenflotte hatten ihm eine baldige Wiederherstellung seines Gedächtnisses prognostiziert – doch diese hatte sich auch nach sechs Monaten noch immer nicht eingestellt!

    Heute war er verheiratet, hatte eine schwangere Ehefrau in der wissenschaftlichen Fakultät der Sternenflottenakademie und würde in fünf Monaten Vater seines ersten Kindes werden...oder würde es bereits sein zweites sein? Niemand würde ihm dies beantworten können, niemand außer ihm selbst...und dieser idyllische Ort würde ihm dabei helfen.

    Nahezu jedes Wochenende kamen er und Fähnrich ‚honoris causa’ Christine Ravel, seine bessere Hälfte, zu diesem Teil der Erde, damit er sich wieder und wieder dorthin begeben konnte, wo sie ihn bewusstlos während einer Truppenübung der Sternenflottenakademie gefunden hatte.

    Sie hatte hart gearbeitet und wurde befördert nach einiger Zeit – er hatte stundenlang meditiert und im Gegenzug einen Teil seiner Erinnerungen zurückerlangt: Es war ein Gesicht, mehr der Ausschnitt eines Gesichtes – ein markantes Augenpaar. Dazu ein Name – kein Name einer Person, mehr ein Gegenstand! Ein Tastenfeld, eine Konsole vielleicht – vielleicht eine Art Monitor...

    „Harry?“, vernahm er die rufende Stimme seiner geliebten Christine irgendwo in seiner Nähe und öffnete breit lächelnd seine Augen. Es gab neue Erkenntnisse...!

    „Harry“, wiederholte der Fähnrich den provisorischen Ersatznamen ihres Mannes, „komm endlich zurück ins Lager, du bist jetzt seit drei Stunden hier draußen!“

    Außer sich vor Freude sprang er auf und schloss seine Gattin vor Eifer in die Arme. Wiederholt drehten sie sich lachend umeinander und spazierten Minuten später auf dem Wanderpfad zurück ins Touristencamp.

    „Sag mal, welcher Teufel hat dich denn bloß geritten?“, fragte Christine ihren Traummann, nachdem sie ihr ‚Wochenendapartment’, eine historisch nachempfundene Eingeborenenhütte, von innen verschlossen hatte.

    „Pack unsere Sachen zusammen“, antwortete Harry ihr schnell atmend und setzte sich vor ein portables Terminal, „wir lassen uns noch heute nach San Francisco beamen! Computer, Kommunikationsverbindung mit dem Touristenservice für interne An- und Abreisetransporte aufbauen!“

    „L-Cars versucht Verbindung aufzubauen, bitte warten...!“

    „Du willst bitte wohin?“ Die junge Exobiologin verschränkte ungläubig die Arme – so diffus hatte sie Harry seit dem Tag ihres ersten Zusammentreffens nicht mehr erlebt.

    „An die Westküste, ich muss unbedingt ins Sternenflottenhauptquartier – ich spüre es, Christine!“

    „Ich hab zwar keine Ahnung, warum du das willst, aber wenn es daran liegt, dass deine Erinnerungen zurückkehren...dann bin ich schon ganz scharf darauf, mit dir dematerialisiert zu werden!“

    Zärtlich umarmte Harry seine verständnisvolle Seelenverwandte. „Etwas anderes“, flüsterte er liebevoll in ihr Ohr, „hätte ich auch nicht erwartet, Liebling!“

    „Verbindung mit Touristenservice hergestellt, unsere Mitarbeiter werden sich gerne um Sie kümmern...“


    Computerlogbuch der Monitor
    Captain Lewinski
    Sternzeit ?????,?.

    Nachdem wir unsere letzte Mission im Briar Patch ohne nennenswerte Verluste bewältigt haben, hat sich diese Crew eine kleine Pause verdient – Die Monitor wird abgelegen der Utopia Planitia Flottenwerften generalüberholt und hat mit einer Notoperationscrew an Bord an ein getarntes Trockendock angedockt. Aufgrund des ausgedehnten Metaphasen-Tarnschirms der Reparaturstation, bleibt unser eigener bis auf weiteres deaktiviert. Unter anderem sollen Transportertechnik und Brückenkontrollen optimiert werden, um das Agieren der Mannschaft bei Gefahrensituationen schneller und einfacher zu gestalten. Bei dieser Gelegenheit werde ich versuchen zu veranlassen, dass unser Holodeck über ein weiteres Quartier ausgedehnt wird. Hoffentlich wird nach der Erweiterung mehr möglich sein, als sich einmal darin um sich selbst zu drehen! Was den Aufenthalt der Mannschaft betrifft – sämtliche Crewmitglieder erhielten den Befehl sich von der Station fern zu halten und den Sektor 001 nicht zu verlassen. Binnen einer Woche erwarten Commander Price und ich sie jedoch alle gesund und munter zurück.
    Unterdessen muss ich von einer traurigen Entwicklung berichten. Vor wenigen Minuten kam Chief Miles O´Brien in mein Büro und berichtete mir von seinem Entschluss das Schiff verlassen zu wollen. Zu schwer sei für seine Familie die Trennung und die letzte Begegnung mit den Romulanern hat ihm mehr als deutlich gemacht, wie gefährlich die Arbeit auf unserem Schiff ist. Ich schätze O´Brien nicht als Feigling ein und kann seine Beweggründe sogar verstehen. Der Chief hat über zwanzig Jahre lang alles für die Sternenflotte gegeben, also wäre es auch in seinem Recht, dass er auch einmal etwas zurückerhalten würde. Natürlich wäre es mein Recht gewesen seinen Wunsch abzulehnen, doch dies habe ich nicht getan. Seine Familie braucht ihn und daher habe ich seinen Antrag bewilligt. Wir gaben uns ein letztes Mal die Hand und er empfahl Fähnrich Miguel Sanchez zu seinem Nachfolger zu ernennen. Da mag der Ire wohl Recht haben, Sanchez ist ein guter Mann, der schon lange auf seine Beförderung wartet.
    Ich werde mich mit dieser Frage später befassen. Nun bleibt uns allen nur noch dem Chief bei seinem weiteren Lebensweg Glück zu wünschen…
    Logbucheintrag beenden!

    „Klopf, klopf! – Darf ich reinkommen?“ Es war Commander Price, der sich zwischen die zwei halb geöffneten Türhälften des Bereitschaftsraums gelehnt hatte, welche aufgrund der deaktivierten Elektronik an Bord funktionsuntüchtig waren.

    „Wenn ich ‚nein’ sage, tun Sie’s trotzdem, also bitte nehmen Sie doch Platz!“

    Matt zwängte sich in den von der Sonne erhellten Raum, während der Captain das Diktiergerät für sein Audiologbuch bei Seite legte. Aus dem Sichtfenster erkannte man die Planetenoberfläche des Mars, dessen schimmernde Einzigartigkeit wie ein gerahmtes Kunstwerk an einer kahlen Wand wirkte.

    „Wirkt irgendwie größer, wenn sie erst mal leer ist...“

    Skeptisch blickte Lewinski von der Schreibtischoberfläche auf und sah betrübt in das Gesicht seines ersten Offiziers. „Seltsam“, sagte er, „ich fühle mich, seit wir hier sind, eher beengt, als dass Sie es wahrnehmen, Commander.“

    „Sicher ist es die Dunkelheit in den Korridoren, die uns so fühlen lässt – sie beschränkt unsere Wahrnehmungen oft nur auf das, was wir sehen können.“

    „...und wenn man wie Sie die Dinge emphatisch erfassen kann, sieht man eben mehr als andere.“

    „Nicht unbedingt“, erwiderte der Halbbetazoid, „denn wenn sich niemand in jener Dunkelheit befindet, kann ich auch niemanden wahrnehmen!“

    „Wenn“, wiederholte der Kommandant die Worte des gescheiten Mannes. „Commander, Sie brauchten als Kind wohl nie Angst zu haben vor Monstern unter dem Bett! – Hätte es welche gegeben, hätten Sie sie gespürt.“

    „Ich habe als Kind vor ganz anderen Dingen Angst haben müssen, Skipper! Über ‚Monster unter dem Bett’ hätte ich mich vergleichsweise gefreut!“

    Indem er sich abrupt von seinem Schreibtisch erhob, brach Lewinski die düstere Atmosphäre und deutete auf den verdunkelten Ausgang, der geradewegs durch das verlassene Schiff führte.

    „Entschuldigen Sie, Matthew, dass ich Ihnen keine Erfrischung anbieten konnte! Dies war eine... interessante Unterhaltung, doch ich denke, es ist langsam an der Zeit den Kommandanten der Station zu begrüßen. Begleiten Sie mich zur Andockschleuse?“

    „...Und verpasse die ganze Spannung, wenn in einer Stunde sämtliche Brückenkontrollen neu programmiert werden?“, fragte der erste Offizier mit einem sarkastischen Unterton.

    Erleichtert fuhr der Captain seinen Arm aus und fasste Matt eindringlich an dessen Schulter.
    „Dann kommt Ihnen diese so genannte ‚Generalüberholung’ auch bloß wie ein schlechter Scherz vor?“

    „Selbst schlechte Scherze sind dazu bestimmt lustig zu sein! – Dies jedoch grenzt viel mehr an einen Komplott: Unsere Transporter arbeiten effizient, die Brückenkontrollen sind einwandfrei zu bedienen und selbst den beschädigten Schildemitter konnten wir vor unserer Ankunft reparieren.“

    Die beiden Offiziere durchstreiften gemächlich die spärlich beleuchteten Korridore der Monitor. Irgendetwas stank gewaltig und Price würde alles daran setzen, herauszufinden, was es war!

    „Betreten wir diese Station“, befahl ihm sein vorgesetzter Offizier energisch, „und bringen wir ein paar Leute zum Reden!“ Dann öffnete er die Schleuse manuell.


    Eine eher spartanisch eingerichtete Aussichtslaunch zierte den Andockbereich der Station. Sie war mit vier weiteren Korridoren verbunden, von denen einer zu einer verspiegelten Glastür führte. Von dieser aus wiederum gelangte man in die ‚sensibleren’ Räumlichkeiten des Reparaturdocks. Um darin vordringen zu können, benötigte man allerdings den betreffenden Passiercode, der nur bestimmten Mitgliedern des Geheimdienstes vorbehalten blieb. Sowohl der Captain als auch Matt besaßen jene Berechtigung.

    In ‚offiziellen’ Kreisen des Sfi war die getarnte Station als Raumdock für spezielle Starfleetschiffe bekannt, um Reparaturen und Überprüfungen an ihnen durchzuführen, von denen Außenstehende nichts zu erfahren brauchten. Inoffiziell jedoch (selbst in den eigenen Reihen) handelte es sich sozusagen um den ‚toten Briefkasten’ des Geheimdienstes der Sternenflotte.

    Wenn also ein Grund bestand, warum die Monitor zu den Flottenwerften beordert worden war, dann wohl nicht aufgrund einer Generalüberholung...

    „Was auch immer die uns sagen möchten, es muss sich dabei schon um etwas verdammt wichtiges handeln!“ Commander Price übertrat jene Türschwelle, die ins ungewisse Innere der Station führte.

    „Es war gewiss zu riskant, sich direkt mit uns in Verbindung zu setzen“, vermutete Lewinski und trat neben ihn, „Wir werden das Büro des Kommandanten aufsuchen – ich möchte Antworten haben, und ich möchte sie schnell!“

    Nachdem die Tür sich wieder geschlossen hatte, blieb es einige Sekunden lang totenstill.

    „Captain Jonathan Lewinski, Commander Matthew Price!”, dröhnte plötzlich eine scharfe Stimme aus dem blaulichtgefluteten Bereich vor den genannten Personen. „Wir haben Befehl, Sie beide zur Kommandoebene zu eskortieren. Bitte begeleiten Sie uns!“ Nach und nach zeichneten sich fünf schwarz uniformierte Silhouetten von ihrer fluoreszierenden Umgebung ab. Ein bewaffneter Sicherheitstrupp trat aus der blendenden Sphäre und bezog Stellung vor den Geheimdienstoffizieren.

    ‚Vermummtes Sicherheitspersonal’, dachte Matt sarkastisch, ‚auf einer Metaphasengetarnten Station des Geheimdienstes!’ Er empfing keinerlei Emotionen des ungewöhnlich jungen Kampftrupps - weder Stress, noch Aufregung zeigten sich in ihren Empfindungen. Nur intensives Pflichtbewusstsein konnte der Halbbetazoid in ihren Idealen vermuten. Zu welchen Maßnahmen hatte Starfleet Intelligence bloß gegriffen? Hier taten halbwüchsige Geheimdienstler ihren Soll, die vielleicht niemals eine Familie gründen würden, wenn die Flotte sie derartig auf Karrierefang trimmte.

    Nicht ein Wort wurde gewechselt, während die Gruppe treppenähnliche Vorrichtungen passierte, wobei der Führer der Einheit sämtliche male von Zielerfassungsscannern überprüft wurde. Kraftfelder deaktivierten sich – wurden jedoch unmittelbar hinter ihnen wieder aufgebaut. Auf Turbolifte hatten die Ingenieure aus Sicherheitsgründen verzichtet. Zu riskant schien dem Geheimdienst die Gefahr einer Manipulation der komplizierten Mechanik gewesen zu sein.


    „Liebe Besucher“, erklang eine sanfte Stimme aus den Komm-Lautsprechern der Starbase 173, „wir heißen Sie herzlich willkommen in den Utopia Planitia Flottenwerften der Sternenflotte! Über Ihre Datenports können Sie alle Informationen über die interessante Geschichte unserer Werften nach Belieben aufrufen und studieren. Wünschen Sie nähere Erläuterungen zu den einzelnen Bereichen unserer Station, werden unsere Mitarbeiter Ihnen gerne weiterhelfen! Um an der Holo-Tour teilzunehmen, drücken Sie bitte auf den Button ‚Emitter on’...“


    „Jetzt mach schon!“, drängte Arena ihren Ehemann und riss ihm den Datenport dabei fast aus der Hand. Ardev seinerseits hatte absolut keine Lust verspürt sie auf diesen überflüssigen Trip zu begeleiten! Wo lag der Sinn? – Er war Mitglied des Geheimdienstes, wenn er Einrichtungen der Föderation besuchen wollte, brauchte er das nicht in der Touristenklasse zu tun!

    „Schon gut, schon gut! – Kannst du mir mal verraten, was mit dir los ist? – Komm wieder runter!“

    „Entschuldige, Darling, aber wie oft kommt es schon vor, dass wir beide zur gleichen Zeit Landurlaub bekommen? – Ich habe nicht vor, diese Seltenheit mit Rumgammeln zu verschwenden!“

    „Verstehe...Darling, aber ich definiere Landurlaub nun mal mit ‚Land’ und ‚Urlaub’ - und nicht mit ‚Weltraum’ oder ‚Arbeit’ oder ‚Arbeit im Weltraum’!


    Schließlich nahm Arena den Datenport doch an sich und schlang triumphierend ihre Arme darum. „Du weißt genau, wie wichtig der Journalismus mir ist!“

    Dies wusste der Andorianer tatsächlich! Es hatte seine Ehefrau hart getroffen, als vor mehr als einem Jahr ihr geliebter Bruder Reno Tellom bei einer Geiselnahme getötet worden war. Wochenlang war die Terellianerin apathisch geblieben, bis sie sich eines dienstfreien Nachmittags ein Herz gefasst und den damaligen Katastrophenbericht eines gewissen Mr. Jake Siskos auf Anraten von Dr. ‚Gesangstherapie’ Frasier überflogen hatte. Es schien, als hatten dessen geschriebene Worte nicht nur Arenas alte Lebenslust wieder hergestellt, sondern auch ihre Faszination am Journalismus erweckt...

    „Wie bitte, seit wann denn das?“, tat Ardev, als wüsste er nicht, wovon Arena sprach.

    „Seit ich vor vier Tagen auf der McKinley-Station eine äußerst interessante Kolumne gelesen habe.“

    Genervt verdrehte Ardev die Augen: Vor vier Tagen hatten sein Frau und er eine heftige Auseinandersetzung wegen dieser Sache gehabt und er war nicht besonders scharf darauf, dass jenes Szenarium sich wiederholte!

    Das Rechtswesen war seit Anbeginn seiner Existenz eine umstrittene Sache gewesen und mit zunehmenden Rechtsgebieten wurde es ständig komplexer. Im ‚Emancipation of the 24th Century’ hatte das Thema der letzten Ausgabe ‘Rechtsstellung künstlicher Intelligenzen’ gelautet. Das vierteljährig erscheinende, virtuelle Magazin (in wenigen Tagen würde die aktuelle Version herausgegeben werden) hatte sich unter anderem mit funktionsfertigen Miniaturrobotern namens Exokompen und einem vom Gesetz der Sternenflotte gleichberechtigten Androiden befasst. Besonders aber war Arena die Kolumne eines Arztes ins Auge gefallen – kein gewöhnlicher Mediziner, sondern das Medizinisch Holographische Notfallprogramm Mark I von der sagenumwobenen Voyager.

    Das Schreibbegabte Hologramm hatte das junge Herz der Terellianerin so sehr erweicht, dass sie beschlossen hatte, sämtliche seiner Publikationen zu erwerben und sich über die Rechtsstellung photonischer Wesen eingehend zu informieren. Sie hatte bereits erfahren, dass eine beträchtliche Anzahl der holographischen Ebenbilder Lewis Zimmerman’s zu niederen Arbeiten in Erzanlagen eingesetzt wurden. Doch mit dieser abscheulichen Tatsache allein hatte sich die Wissenschaftschefin der Monitor nicht abgefunden. Binnen der nächsten Tage würde sie dem Rest der Welt demonstrieren, zu welchen Dienstleistungen jene komplexen Geschöpfe außerdem missbraucht wurden – ein Exklusivinterview genau hier würde nicht nur alle Missverständnisse ausnahmslos aufklären, sondern vielleicht sogar Arenas Sprung in den modernen Journalismus bedeuten...

    Voller Eifer aktivierte Arena den Emitter. Wie sie erwartet hatte, baute sich die holographische Gestalt neben ihr und ihrem Ehemann auf. Sie trug einen gräulich-gelben Overall mit dem Logo der Flottenwerften darauf, war teilweise kahlköpfig und glich exakt seinem Doppelgänger von der Voyager. Mit seinem generierten, italienischen Lächeln begrüßte das Hologramm wie selbstverständlich die fremden Besucher:

    „Willkommen auf Utopia Planitia – Wünschen Sie eine Führung?“


    Die Korridore auf der Station schienen kein Ende zu nehmen, immer wieder bog die Gruppe in Nebeneingänge ein und bahnte sich den Weg ins ungewisse Dunkel. Sie mussten bereits seit vier oder fünf Minuten unterwegs gewesen sein, denn die Müdigkeit in ihren Gliedmaßen war merklich spürbar. John konnte es sich nicht erklären, jedoch kam es ihm so vor, als gingen sie schon zum x-ten Male an ein und derselben Kreuzung entlang, was wohl daran lag, dass sämtliche Bereiche um sie herum nahezu identisch aussahen.

    Endlich erreichten sie etwas, was wir eine massive Schleuse aussah. Sowohl der Captain, als auch sein erster Offizier konnten sich denken, worum es sich dabei handelte: Das Büro des Kommandanten jener streng geheimen Station.

    „Sie brauchen nur den Auslöser zu betätigen – dann wird man Ihnen öffnen.“ Mit diesen Worten machte der Gruppenführer kehrt und veranlasste seinen Trupp, ihm im Laufmarsch zu folgen. Das ganze erinnerte Matt jedoch eher an eine miserabel einstudierte Tanzchoreografie, als an den planmäßigen Abgang einer Eskorte.

    „Ich weiß, wie man anklopft!“, zischte John indessen mit einem beißenden Unterton auf der Zunge und presste ungeduldig auf den leuchtenden Button.

    Als die offensichtlich gepanzerte Eingangstür daraufhin seitlich in den Tragewänden verschwand, betraten die beiden Offiziere sozusagen die ‚Postannahmestelle’ des ‚toten Briefkastens’ des Geheimdienstes. Eine farbige Frau Mitte vierzig saß armverschränkt auf ihrem Schreibtisch, dessen Arbeitsoberfläche mit Dutzenden von Datenpadds überseht war.

    „Gentlemen, erlauben Sie mir, dass ich mich Ihnen vorstelle – Commander Alishia La Forge, ich bin die Kommandantin dieser Station. Ich möchte nur ungern um den heißen Brei herumreden und ich nehme an, Captain Lewinski, dass auch Sie schnellstmöglich erfahren wollen, warum Sie hier sind!“

    „Damit liegen Sie verdammt richtig, Commander! Ich gehe nicht davon aus, dass eine Generalüberholung meines Schiffes der Grund ist.“

    Geistesabwesend griff die autoritäre Frau nach einem der Padds und richtete es in das Blickfeld ihrer Gäste. Auf dem flachen Display war die Fotografie eines hell gelockten Mannes abgebildet.

    „Damit liegen Sie verdammt richtig, Captain! – Sagt Ihnen der Name Harrison Ravel etwas?“

    Konzentriert blickte Lewinski auf das relativ charmant aussehende Gesicht der auffällig schlanken Gestalt.

    „Um ehrlich zu sein – nicht das Geringste!“

    „Umso besser, diese Person existiert nämlich nicht!“

    „Wie darf ich das bitte verstehen? Sie haben mir doch gerade sein Foto gezeigt...“

    „Der Mann auf dem Padd leidet bereits seit Monaten an einer akuten Form der Amnesie, ausgelöst durch ‚psychisch bedingte Schutzfunktionen’ seines eigenen Gehirns. Fragen Sie mich nicht, wie genau diese vonstatten gingen – ich bin keine Neurologin...“

    „Ein posttraumatisches Erlebnis?“, fragte Matt dennoch interessiert und unterbrach somit die Ausführungen der Kommandantin, welche daraufhin nur bestätigend nickte.

    „Die Reaktion auf einen Shuttleabsturz nahe dem Rio Negro in den Vereinigten Südstaaten.“

    Zwar war sich John immer noch nicht im Klaren darüber, aus welchem Grund sein erster Offizier und er der Tortur unterworfen worden waren, sich nun mittlerweile seit Tagen in den Mars Yards aufhalten zu müssen, doch ihm war bewusst, dass jener Mann etwas damit zu tun haben musste...

    „War der Pilot allein unterwegs?“

    „Nun, jedenfalls gehen wir davon aus. Es ist fraglich, ob ein möglicher Copilot das Shuttle vor oder nach dem Unfall verlassen haben könnte... denn das öffentliche Transfersystem in dieser Gegend ist mehr als rückständig.“

    „Nun, das ist alles sehr interessant, Commander, aber...“

    „...Was hat dieser Mensch nun mit Ihnen zu tun?! – Das sollten Sie ihn lieber selbst fragen, Captain! Er bewohnt zusammen mit seiner Ehefrau ein Quartier auf dieser Station.“

    Erschöpft verdrehte Price die Augen, jetzt würden sie wieder minutenlang durch die Korridore irren...Wie schwer konnte es wohl sein, einen Transporter zu benutzen?


    „Also wünschen Sie nun eine Führung oder nicht?“ Das zynische Hologramm begann seinen Gästen allmählich überdrüssig zu werden – Wenn diese Leute nicht hier waren, um sich von ihm über die geschichtliche Entstehung der wichtigsten Flottenwerften der Sternenflotte unterrichten zu lassen, wieso hatten sie ihn dann erst aktiviert?

    Ungeduldig spitzte Ardev seine Fühler und spähte nach dem Datenport, mit welchem er die photonische Gestalt zurück in den Kernspeicher verfrachten wollte.

    „Nein, vielen Dank“, sagte er und nahm diesen wieder an sich.

    „Ja, liebend gern!“, widersprach Arena ihrem Ehemann jedoch energisch und blickte dem Hologramm enthusiastisch in die generierten, dunklen Augen.

    „Könnten Sie beide sich wohl auch mal entscheiden? – Dieses Dock schließt für Besucher in nur drei Stunden! Wenn Sie weiterhin so lange brauchen, um sich einig zu werden, sollte diese Zeitbegrenzung knapp werden...!“

    Arena, der die Barschheit in den Worten des Mannes nicht weiter aufgefallen war, holte indessen eine Art ‚Diktiergerät’ aus ihrer Handtasche hervor. Sie würde dieses Interview bekommen und für etwas mehr Gerechtigkeit in jener technikorientierten Welt sorgen, in der man fähig war, gefühls- und denkfähige Hologrammmatrizen zu programmieren.

    „Doktor...ähm...verzeihen Sie, ich weiß gar nicht, wie ich Sie ansprechen soll...!“

    „Ich bin eine von sechsundzwanzig holographischen Stationsführungseinheiten dieses Raumdocks und von insgesamt einhundertzwölf der Utopia Planitia Flottenwerften.“

    „Ich kann Sie doch aber unmöglich ‚Stationsführungseinheit’ nennen – wie hört sich denn das an?!“

    „Sie können mich auch gerne in Ruhe lassen und einfach wieder nach Hause gehen! – Eine Ersparnis meiner und Ihrer Zeit...!“

    Während die Terellianerin sich weiterhin mit den makabren Sprüchen einer künstlichen Intelligenz abfinden musste, nahm deren Ehemann einen bequem gepolsterten Sitzplatz an der stationseigenen Bar ein. Ardev hatte Urlaub – und er würde ihn voll und ganz auskosten...

    „Sir“, wies er einen jungen Barkeeper an, „bringen Sie mir Synthehol, und zwar reichlich!“

    Der Bolianer lächelte verschmitzt bei dem Anblick des ermüdeten Andorianers. „Hologramm?“, fragte er den neuen Kunden, als wüsste er um die schlechten Umgangsformen der Führungseinheiten auf seiner Starbase.

    „Hologramm!“, kam die zermürbte Antwort des Offiziers, der sich nun fixierend umsah: In jeder zweiten Ecke stand eines der photonischen Wesen und verärgerte offenbar nahezu jeden Besucher mit seiner spöttischen Art.

    „...Ihr Name – Jubel demjenigen, der einen besitzt - ist also Arena Tellom und Sie haben vor mich zu interviewen?!“ Die Einheit wölbte eine ihrer Augenbrauen.

    „Ja, ganz Recht, und ich fände es großartig von Ihnen, sich für eine Audioaufzeichnung zur Verfügung zu stellen! Sehen Sie, ich schreibe nämlich für ein Rechtsmagazin...vielmehr habe ich vor für eines zu schreiben...und als mein Medium habe ich sozusagen Sie ausgewählt.“

    „Ach tatsächlich?“ Augenscheinlich hatte Arena die programmierte Eitelkeit in der holographischen Matrix angeregt. Die ‚wandelnde Informationsbroschüre’ jedenfalls entsann sich zu einem Lächeln und massierte sich mit der zu einer Faust geballten Hand sein Kinngrübchen. „Selbstverständlich haben Sie sich mit mir einen anspruchsvollen Interviewpartner ausgesucht! – Sollten Sie also zwischenzeitlich meinen Ausführungen nicht folgen können, machen Sie bitte keine Anstalten, sich bemerkbar zu machen!“

    Arena hatte den perfekten Interviewpartner gefunden! – Denn es sollte nicht weiter schwer werden, ein über die Maßen eitles Hologramm über sich selbst zu befragen...


    Wenn interstellare Shuttlereisen langweilig waren, dann verkörperte der Aufenthalt in diesem Quartier die Mutter der Langeweile! Harry hatte es langsam satt, mit seiner schwangeren Ehefrau auf eine ‚Besenkammer’ beschränkt zu sein. Seit Tagen saßen er und Christine in diesem Musterhaus der Anspruchslosigkeit fest, in der das abwechslungsreichste Objekt in dem Zwölf-Quadratmeter-Zimmer der Replikator war. Der orangefarbene Licht-Touch, den der Mars ununterbrochen in den Raum warf, verursachte bei ihnen auf die Dauer Kopfschmerzen.

    „Einen Tag... allerhöchstens zwei!“


    Gähnend legte Christine einige Prüfungsaufgaben bei Seite, welche sie zu bewältigen hatte, während sie sich von der wissenschaftlichen Fakultät der Akademie fern hielt. „Entschuldige, was meintest du?“, fragte sie ihren Gatten, den sie bis dato nicht weiter beachtet hatte.

    „Ich meinte nur, wenn deine Kollegen nicht bald hier auftauchen, fliegen wir zurück zur Erde!“

    „Das sind ganz bestimmt nicht meine ‚Kollegen’! Was weißt du schon, in wie viele verschiedene Kernbereiche Starfleet heutzutage unterteilt ist?!“

    Betrübt ließ Harry den Blick über das einzige Sichtfenster im Quartier schweifen. „Na ja“, sagte er depressiv gestimmt, „schätze, ich wusste es mal...!“

    Plötzlich geschah das, worauf das Paar seit Tagen gewartet hatte: Das lang ersehnte Türsignal manifestierte sich endlich in ihren Ohren. Ob man sie nun von hier abholen würde? Sicher brächte man sie in einen abgeschotteten Raum, in dem Harry jener Person begegnen würde, der das mysteriöse Augenpaar in seinen Visionen zuzuordnen war. Doch wie mochte der Kommandant der U.S.S. Monitor reagieren, wenn er hörte, dass er möglicherweise das gezielte Opfer eines Kopfgeldjägers werden sollte...


    Nachdem auch ihr zweiter Ruf unbeantwortet geblieben war, beschloss Commander La Forge die Tür manuell öffnen zu lassen. Hoffentlich hatte sie die beiden Bewohner des Quartiers nicht bei etwas ‚wichtigem’ gestört! „Miller“, wies sie den bewaffneten Crewman an, der sie und ihre Gäste durch die Korridore geleitet hatte, „verschaffen Sie uns Zuga...“

    Das Zischen der auseinander fahrenden Türhälften unterbrach die kommandierende Offizierin, in deren Blickfeld die aufgeregten Ravels traten. Wer schon konnte von sich behaupten, mit waschechten Mitgliedern des Geheimdienstes zusammenzuarbeiten?! Nervös brachte Harry nicht mehr als ein bebendes „Lewinski...“ hervor, was den Captain dazu veranlasste, ihm die Hand zu reichen.

    „Captain Jonathan Lewinski von der...“

    „Monitor... ich weiß...“

    Skeptisch tauschte John einen flüchtigen Blick mit Matt aus, der andeutungsweise seinen Kopf schüttelte. Scheinbar konnte er nicht sagen, ob der Mensch absichtlich etwas zu verbergen hatte oder ihm lediglich Erinnerungsfragmente fehlten.

    Sekundenlang sahen die Männer sich in die Augen, wobei ihre schemenhaften Gesichter sich in den Pupillen des jeweiligen Gegenüber widerspiegelten – ein unangenehmes Schweigen untermauerte die düstere Atmosphäre, die sich erst durch die Worte Price’ allmählich wieder aufzulockern begann...

    „Sie sind also der Typ, dessen Gedächtnis abhanden gekommen ist! Mr. ...?“

    „Ravel, Sir...Harrison Ravel. Aber dies ist nicht mein richtiger Name, Sir.”

    ‚Vielleicht ein ‚Sir’ zu viel’, dachte John, dem das reservierte Verhalten des Namenlosen etwas bizarr vorkam - es passte so wenig zu seinem äußeren Erscheinungsbild.

    „...und dies hier ist meine bezaubernde Ehefrau Christine!“

    Gezwungenen lächelnd deutete Lewinski auf seine ‚Begleitung’: „Mein erster Offizier, Commander Price; Commander La Forge kennen Sie sicher bereits!“

    „Meine Herren“, drängte letzt genannte in einem ernsteren Tonfall als zuvor, „ich denke, die Schmeicheleien wurden lange genug ausgetauscht – lassen Sie uns nun zum wesentlichen Teil unseres Zusammentreffens kommen!“

    Mit einer bestimmenden Handbewegung veranlasste sie die Anwesenden ihr weiter durch die Gänge zu folgen, eingenommen Matt, der dem Ganzen augenrollend nachkam.

    „Bitte hier entlang!“, wies Crewman Miller die Gruppe an und führte sie in einen halbrunden Konferenzraum, welcher mit seinen blinkenden Monitoren eher an die Überwachungszentrale einer Strafkolonie erinnerte, als an ein Besprechungszimmer. Nachdem sich die anderen an den vorhergesehenen Tisch gesetzt hatten, musste Miller den Raum verlassen und bewachte ihn zusammen mit einem Kollegen stattdessen vom Korridor aus – alles Weitere würde ihn nichts angehen. In seiner Position war man ja froh, wenn man neben dem aktuellen Dienstplan überhaupt etwas mitbekam!


    „Mr. Ravel“, forderte La Forge das nervöse Wrack vor ihr so sanft als möglich auf, „erzählen Sie dem Captain die Geschichte so, wie Sie sie mir erzählt haben! Keine Sorge, Harry – Ich versichere Ihnen: Was auch immer in diesem Raum an Worten fallen wird, wird ihn auch nicht verlassen!“

    Eine ganze Weile lang schwieg Harry, als hätte er Angst, seine Stimme würde sich, bei dem Versuch einen Satz zu formulieren, überschlagen. Tatsächlich traf jedoch zu, dass ihm nicht recht klar war, wie er die heikle Sache beginnen sollte...

    „Sie werden sterben, John...!“

    Ruckartig stieß Lewinski auf – er hatte durch den ersten Schock etwas eigenen Mundspeichel verschluckt, was einen unangenehmen Schluckauf mit sich führte. Prustend hielt er sich die geballte Faust vor den Mund und räusperte sich als Zeichen seines Verständnisses. Warum auch sollte die Vorhersage seines vorzeitigen Ablebens ihn aus der Fassung bringen...?!

    „...wenn“, sprach Harry chronisch zitternd weiter, „nicht endlich ein paar mehr meiner verdammten Erinnerungen zurückkehren!“

    Besorgt legte Christine die zuckende Hand ihres Gatten in die ihrige und umfasste sie behutsam, so als wäre sie zerbrechlich. „Ganz ruhig, Schatz...ganz ruhig!“

    „Ich möchte Sie wirklich nicht drängen, Mr. Ravel – aber das müssten Sie mir schon etwas näher erklären! – Wie zur Hölle kommen Sie bloß darauf, dass ich sterben werde?“

    „Captain“, fuhr der aufgewühlte Mann mit einem drückenden Schmerz in seinem Hals fort, „ich habe zwar keine Ahnung, woher ich es weiß, aber mir ist bewusst, dass Ihr Leben in Gefahr ist! – Vermutlich wurde sogar ein Kopfgeldjäger auf Sie angesetzt...oder so etwas ähnliches...“

    „Etwas Ähnliches?“ Lewinski schüttelte ungläubig seinen Kopf. „Sie meinen also zu wissen, dass ein Killer dafür bezahlt worden ist, mich umzubringen? – Und woher? – Ich meine, waren Sie etwa dabei?!“ Wieder stieß er schluckend auf.

    „Also ehrlich gesagt, Sir...ich weiß es nicht. Aber wie sonst hätte ich davon erfahren haben sollen? – Das Shuttle, in dem ich gefunden wurde, wies etliche Phaserverbrennungen an der Außenhülle auf. Möglicherweise war man mir gefolgt und hatte mich über der Erde abgeschossen.“

    „Welcher Shuttletyp? Welche Kleidung trugen Sie, als man sie fand? – Irgendetwas, was Aufschluss über Ihre Herkunft geben könnte!“ Price schätzte die Situation folgendermaßen ein: Ein gravierender Verdacht, dass Skipper die nächsten Stunden nicht überleben würde, bestand nicht! War dieser ‚Harry’, oder wie auch immer er sonst heißen mochte, schließlich vor mehr als einem halben Jahr (!) abgestürzt...

    Das Stichwort hatte die Kommandantin der Station ereilt. Diese aktivierte einen der Bildschirme und startete eine Art Diashow: Eine Reihe von Satellitenbildern bauten sich auf dem immensen Monitor auf. Sie zeigten die Absturzstelle des Shuttles in einer nahezu pixelfreien Auflösung.

    Musternd ging Lewinski die einzelnen Überwachungsfotos Bild für Bild durch. Doch mit dem siebten hatte es sich dann auch schon getan: „Was denn, mehr haben wir nicht?“

    Commander La Forge musste die offensichtliche Enttäuschung bestätigen: „Tut mir leid, Captain, das ist alles, was der Geheimdienst uns liefern konnte!“

    „Was ist mit den Anflugaufnahmen? – Was mit den Daten der Annäherungssonden?“

    Wieder schüttelte La Forge den Kopf: „Gar nichts! – Die Sonden haben nicht das Geringste aufgezeichnet! Es ist, als hätte sich dieses Shuttle niemals im Erdorbit befunden.“


    „...da stand ich nun – einsam - meiner selbst unbewusst, wohin das Schicksal mich verschlagen hatte! Ich – ein Hologramm, dazu verdammt, mit seinen Hunderten, ebenfalls grandiosen Duplikaten auf die massiven vier Wände einer Raumstation beschränkt zu sein! Doch ein Wesen wie ich wusste sich der Not zu trotzen: Das Hologramm – die Matrix umgeschrieben - um ihr medizinisches Wissen betrogen – bewältigt seine Aufgabe mit äußerster Effizienz...“

    Arena konnte es schlichtweg nicht mehr ertragen! – Seit Minuten philosophierte die holographische Gestalt nun schon über ein und dieselbe simple Frage hinweg:

    ‚Sind Sie sich bewusst, was Sie sind?’

    Leider wusste der Sprachpathos dies nur allzu gut und bewies, besonders was seine Abstammung anbelangte, detaillierte Kenntnisse über seine Herkunft...

    „...ein Mann, dazu bestimmt Unwissende in die Klarheit zu führen – eine neue Führungseinheit ist geboren! Familien mit Kindern wird historisches Know-how vermittelt. Ich – die Verkörperung der Geschichte der Sternenflotte und der Födera...“


    „Jetzt hören Sie schon auf!“

    So hatte sie sich ihren Landurlaub nun auch nicht vorgestellt: „Bitte, Sie...Sie Führungseinheit! Ich wollte doch nur ein Interview mit Ihnen führen und mir keinen umschweifenden Vortrag über ihre Lebensgeschichte anhören, die so tragisch nun auch wieder nicht ist! Die Bewohner von Avalon 3 müssen die Folgen eines schlimmen Krieges mit dem Romulanischen Sternenimperium bewältigen! Tagtäglich finden Attentate auf irgendwelche...Museen statt – und Sie beklagen sich über Ihre veränderte Matrix?“

    „Was soll das heißen, sie wäre nicht tragisch?! – Ich wäre froh, besäße ich eine Lebensgeschichte!“ Der Stolz des Hologramms konnte angekratzter nicht sein! Bekümmert zog es sich an eines der Aussichtsfenster zurück und starrte beleidigt in die unendlichen Weiten des Universums, wobei es sich deprimiert mit sich selbst unterhielt, wie Arena zunächst glaubte:


    „Ich frage mich nur, was das für ein Leben ist, eingesperrt in diesem klobigen, tragbaren Emitter! Wie sie allesamt in Reihe und Glied an ihren sechsundzwanzig Haken hängen und Hand in Hand von Föderationsbürger zu Föderationsbürger weitergereicht werden. Mal wirst du aktiviert, dann wieder deaktiviert und am Wochenende vielleicht sogar zweimal...!“

    Langsam wand sich die Einheit wieder dem Lieutenant zu und sah betrübt in deren glänzende Augen. „In den knapp drei Jahren, in denen ich hier in den Yards bisher arbeiten musste, und das sind immerhin 26280 Stunden, befand ich mich in lediglich 4380 davon im aktiven Zustand! Ich möchte, dass Sie mich deaktivieren und zurück an meinem ‚Haken’ hängen, offensichtlich wünschen Sie keine Führung...!“

    „Ja, das wäre vielleicht das Beste!“, gab Arena energisch, doch verunsichert zu und suchte den betreffenden Button an ihrem Gerät. Mit einem gespielt höflichen „Danke“ drückte sie schließlich darauf und ließ die Gestalt ihres ‚Mediums’ darin verschwinden.


    Seit Minuten schon saßen die fünf Personen im Konferenzraum, waren bisher jedoch nicht ein Quäntchen weiter gekommen. Die Rekonstruktion des Shuttleabsturzes hatte nichts Außergewöhnliches ergeben. Momentan war das Personal der Station damit beschäftigt, das Wrack in einem der Hangars auf die Herkunft seiner Phaserschleißen zu untersuchen. Natürlich hatte die Sternenflotte auf der Erde dies bereits vor mehr als einem halben Jahr getan. Doch für eine versprechendere Analyse waren die Mittel, die der Sfi hingegen zu bieten hatte, sehr viel ausgereifter: Auf quantenmolekularer Ebene würde man die verbrannten Außenschotte des Gefährts Atom für Atom abtasten. Die Ergebnisse der komplizierten Untersuchungsmethode allerdings würden frühestens in vierzehn bis fünfzehn Stunden vorliegen, so blieb Harry eine gewisse Galgenfrist, um sich weiterhin auf seine Rehabilitation zu konzentrieren. Der Stationscounselor hatte ihn dazu ermutigt in sich selbst zu gehen...wieder und wieder...und wieder. Es hatte rein gar nichts gebracht! – Sein monatelanges Meditieren in der abgeschiedenen Wildnis war weitaus effizienter gewesen, als das nervenaufreibende Herumhocken zwischen meterdicken Duraniumwänden im Vakuum.

    Krampfhaft versuchte Christine sich mit aller Mühe an ihrer Stuhllehne festzuhalten. Würde sie loslassen, so wusste sie, sie würde definitiv aus ihrem Sitz fallen vor Müdigkeit! Die letzten Wochen waren sehr Kräfte zehrend für sie und das Baby gewesen. Seit dem Zeitpunkt, als Harry mit ihr nach San Francisco gebeamt worden war, hatte sich so vieles verändert...! Und sie war sich nicht sicher, wie lange sie diese Farce noch würde durchhalten können. Jedoch war ihr Ehemann so dermaßen zielstrebig in dieses Hauptquartier marschiert, dass nicht einmal der Sicherheitsdienst ihn davon hatte abhalten können, ungehindert bis ins Zentralbüro zu gelangen. Von dort aus war es ihm eine Leichtigkeit gewesen, sich Gehör für seine Angelegenheit zu verschaffen. Keine vierundzwanzig Stunden hatte es daraufhin gedauert, bis der Starfleet Intelligence sich eingeschaltet und das Paar sich auf jener Metaphasengetarnten Station wieder gefunden hatte. Es war alles aus Liebe geschehen, dass Christine sich dazu hatte hinreißen lassen ihren Harry zu begleiten und zu diesem Zwecke diese ‚Versetzung auf unbestimmte Zeit’ beantragt hatte. Doch allmählich tat sich die Frage auf, was für ein Mensch ihr Lebenspartner wohl gewesen sein musste, dass der Geheimdienst es für nötig befand sich einmischen zu müssen! Er war ja manchmal so...unnahbar.

    „Mrs. Ravel“, erinnerte La Forge Christine daran, dass der Fähnrich ehrenhalber sich nicht allein im Raum aufhielt, „können Sie denn die Aussage ihres Mannes bestätigen?“

    „Die...Aussage?“

    „Haben sie eben etwa nicht zugehört, als er sagte, Sie hätten ihn als Erste entdeckt?“

    Ob sie ihn als erste entdeckt hatte... Sie hatte sich damals von der Gruppe entfernt, um etwas zu verrichten, was keinen weiteren Aufschub zugelassen hätte – die angehende Exobiologin war unbemerkt hinter die Büsche verschwunden, hatte sich schnellstmöglich erleichtert und sich plötzlich vor dem rauchenden Wrack eines demolierten Shuttles wieder gefunden.

    In ihrem Gedankenwandel wurde sich Christine schlagartig wieder bewusst, wo sie sich eigentlich aufhielt: „Oh, bitte verzeihen Sie, Commander! Ja - ich kann sie bestätigen.“

    „Wir müssen also davon ausgehen“, meinte Lewinski schroff, „dass absolut niemand etwas von dem Absturz des Shuttles, geschweige denn von seinem Piloten tatsächlich gesehen hat!“

    „Bei allem Respekt, Captain, aber ich habe ihn doch gesehen!“

    „Sie sahen lediglich eine bewusstlose Person auf der Shuttleluke liegen, Fähnrich – jedoch nicht, wie und ob sie das Shuttle wirklich gesteuert hatte.“

    „Es scheint“, zog Matt den logischen Schluss, „dass Sie, Mr. Ravel, momentan wohl der einzige sind, der mehr über den Hintergrund dieser netten Geschichte weiß, als alle anderen.“ Welch peinliche Ironie, die sich nach den Worten des Emphaten wie Schall in alle Richtungen ausbreitete! Selbst wenn Harry etwas wusste, wie sollte er dies jemals wissen...?!

    Während ihre Gäste sich in den folgenden Minuten nur sturschweigend gegenübersaßen, war Alishia La Forge etwas in den Sinn gekommen, was die aussichtslose Situation möglicherweise noch zum Guten wenden konnte: Schweigend betätigte sie die Schaltfläche einer nahen Konsole und rief einige vertrauliche Daten über einen gewissen Halbbetazoiden ab...


    „Das war’s dann, wir können gerne gehen!“ Arena hatte sich also entschlossen, das Raumdock wieder zu verlassen, was ihr nach der Begegnung mit diesem Hologramm nicht mehr sonderlich schwer fiel. Mit verschränkten Armen stand sie abreisebereit hinter dem Rücken ihres blaublütigen Ehemannes und wartete auf dessen Reaktion. Vergebens.

    „Wir können dann gehen, hörst du nicht?!“

    Doch Ardev war die Anwesenheit seiner Frau trotz beider funktionierender Fühler nicht aufgefallen. Wahrscheinlich deshalb nicht, weil der billige Fusel des bolianischen Barkeepers ihm zu Kopfe gestiegen war. Dabei hatte er immer gedacht, romulanisches Ale, und war es auch noch so mit Synthehol gestreckt, sei verboten...!

    Mit lallender Stimme und über den halben Tresen gebeugt, unterhielt der Andorianer sich angeregt mit sich selbst: „...und ich frage dich, ist das Urlaub? – Wenn ich nach...Bildung verlange, kann ich auch...gleich zurück in die...Schule gehen, oder was! Ich will Sky...Skyjumping machen, so hübsch mit dem...Shuttle in den Orbit und zack zack mit ’nem Raumanzug zurück auf die Marsoberfläche...“ In seinem ‚aufschlussreichen’ Gespräch hatte Ardev den einen oder anderen schnell entleerten Becher umgestoßen. Bei dem kläglichen Versuch wenigstens einen davon wieder aufzurichten, entdeckte er sein verkommenes Spiegelbild in einer der dekorativen Glasfaserwände der Bar – Direkt hinter diesem blitzte ein ihm wohl bekanntes Augenpaar auf...

    „Schatz, du hier? – Wie kommt’s?“

    „Na prima, das hat mir gerade noch gefehlt! – Das Hologramm schwelgt in Selbstmitleid und mein eigener Mann säuft sich unter den Tisch.“

    In diesem Moment bedauerte Ardev seine ‚leichte’ Trunkenheit bereits. Als er realisierte, wie sehr enttäuscht Arena zu sein schien, übernahm die Nüchternheit wieder die Oberhand über seinen Verstand. Immer noch leicht schwankend drehte er sich zu seiner Gattin um und fuhr ihr anteilnehmend über den Nacken, womit er der Terellianerin ein verhaltenes Lächeln abgewann.

    „Na sag schon, was ist passiert?“

    „Ist nicht so gelaufen, wie es vielleicht hätte sollen!“ Arena stand die gekünstelte Wut geradezu ins Gesicht geschrieben. „Kommst du?! – Wenn wir uns beeilen, bekommen wir vielleicht noch den 19 Uhr Transport zum Mars...“

    Doch Ardev kaufte ihr die resignierende Masche nicht so recht ab. Er spürte, wie sehr die angehende ‚Journalistin’ gerade versuchte, vor ihm in Ausflüchte zu verfallen. „Wie, ‚ist nicht so gelaufen’? – Ja hat der Doktor das Interview denn vorzeitig abgebrochen?“

    „Ich habe es abgebrochen! Mal abgesehen davon, dass er kein Arzt ist, sondern eine holographische...“

    “Stationsführungseinheit – ich weiß, mein Schatz. Und wo bitte ist das Problem?“

    „Er...es...“, stammelte Arena etwas unbeholfen, „das Hologramm war wohl einfach nicht der richtige Interviewpartner für mich.“ Zunehmend versteifte sie sich, warf sich zur Auflockerung ihre langen Haare über die rechte Schulter und errötete bei dem reglosen Anblick der Skepsis in Person: Den Moralapostel Ardev.

    „Das kannst du von mir aus deinem ‚Verleger’ erzählen, aber mich verschone freundlicherweise damit!“

    „Und das von einem Mann, der bis vorhin noch an der Flasche hing!“

    „Tja, dem Anschein nach hing ich stärker an der Flasche, als du an deinem Interview!“

    Er hatte ja keine Ahnung! Natürlich hatte Arena gewisse Erwartungen in die Befragung gesetzt. Wie bei jedem wirklich guten Journalisten waren ihre Vorbereitungen dazu mehr als vorbildlich gewesen – einleuchtend, dass sie sich mindestens genauso viel Engagement von ihrem ‚Medium’ erhofft hatte.

    „Ich sage dir, warum du wieder nach Hause willst: Du dachtest, das Schreiben über irgendwelche Randgruppen liefe ständig nach demselben Schema ab – Dramatischer Aufbau, dramatischer Hintergrund, dramatisches Ende! Gib es doch zu, das Hologramm war dir zu langweilig.“

    „Jetzt werde ich dir mal verraten“, konterte Arena erbittert und schlug mit der flachen Hand gegen die Spiegelscheibe, „warum mir gerade diese ‚Dramatik’ mächtig gegen den Strich geht!“

    Fassungslos registrierte Ardev die gesprungene Glasfaserwand der Bar und den Bruchteil einer Sekunde darauf den blutenden Handballen seiner Frau. Hiermit war die Situation wohl eindeutig außer Kontrolle geraten! Sorgsam umfasste der Andorianer Arenas Handgelenk und musterte argwöhnisch ihre Verletzung. Mit dem Reise-Medkit, welches sich in einem ihrer Rucksäcke befand, würde er die leichte Prellung im Nu wieder beseitigt haben. Während er schweigsam in die Tasche griff, um nach dem praktischen Ding zu suchen, begann Arena, nicht ohne dabei den heftigen Schmerz zu überspielen, energischer denn je fortzufahren:

    „Ich hatte mir erhofft, er wäre weniger weinerlich! Er ist so anders als der Doktor! – Ich habe all die Ideale vermisst, die dieser Mann in seiner Kolumne so faszinierend geschildert hatte! Und ich nahm wirklich an...ich nahm an...“ Ihre Gefühle schienen allmählich von Wut in aufrichtige Enttäuschung überzugehen und endeten schließlich in einer Erkenntnis:

    „...die Hologramme auf dieser Station würden sie auch besitzen!“, vervollständigte Ardev den Satz seiner geliebte Frau, die er in jenem Moment mit einem Hautregenerator behandelte, „Was sie nicht tun.“

    „Ich war mit der festen Überzeugung an die Sache rangegangen, sie würden von diesem Raumdock verschwinden wollen! – Dass sie sich nichts sehnlicher wünschen würden, als den Drang der Freiheit oder die Möglichkeit auf ein wenig Freizeitgestaltung. Stattdessen schwelgte dieses Hologramm in seinem Selbstmitleid!“

    Langsam begriff Ardev. Es war Arena weniger um die Sensation gegangen, auch nicht um das wahre Bedürfnis der Hologramme, als viel mehr um die Idealvorstellungen einer einzigen halbglatzköpfigen, Opernliebenden Person...

    „Und was wirst du jetzt tun? – Abhauen, weil die Denkweise dieses Individuums dir gerade nicht passt?“

    „Hatte ich eigentlich vor...!“, gab der Lieutenant verhalten zu, „Sähe ganz schön feige aus, was?“

    Bestätigend nickte Ardev und blickte zögernd zu ihr: „Wo ist er jetzt?“

    „Hängt am Haken...!“

    „Na dann weißt du ja, was du zu tun hast“, beendete er von sich aus das Gespräch und wendete sich der mutwillig demolierten Wand zu, deren Schaden ihr aufgebrachter Besitzer, mit einer Holo-Kamera ausgestattet, längst schon inspizierte...


    „Vergessen Sie’s! – Ich mache da auf gar keinen Fall mit!“ Matt weigerte sich bereits seit Minuten stur dagegen, als ‚Selenklempner’ missbraucht zu werden. Nachdem La Forge den verzweifelten Vorschlag gemacht hatte, Harrys Gedächtnis mit Hilfe Matthews Empathie zu neuer Frische zu verhelfen, versuchte sie nun beständig zwischen den beiden zu vermitteln. Ihrer leichtgläubigen Ansicht nach sollte es wohl ausreichen, sie in einem Raum gegenüberzusetzen; ein telepatischer Eingriff und schon konnte die Rehabilitation vonstatten gehen! Wenn es doch bloß so einfach wäre... Die Fähigkeit, vielmehr die Kunst, Gedanken zu lesen oder sie zu manipulieren, forderte ein Höchstmaß an Konzentration und Eigenentwicklung jener Gabe. Der Offizier des Sfi hatte dieses Privileg jahrzehntelang vernachlässigt! Es war wie eine Art komplexer Sprache, deren Linguistik man leicht verlernen konnte, wenn man sie eine längere Zeit lang nicht sprach. Erst litt die Aussprache, dann Teile der Grammatik und schließlich vergaß man sogar die Bedeutung einfachster Vokabeln! Dunkel erinnerte Matt sich an einen Wahrspruch seiner Großmutter, welche, immer wenn ihr Enkelsohn im Kindesalter auf ihren Schoß gekrabbelt war, die ganze Angelegenheit etwas anders dargestellt hatte: „Mein Junge“, hatte sie seinerzeit bedeutungsschwanger rezitiert, „Was dir einst hat in der Wiege gelegen, wurde dir für die Ewigkeit gegeben!“ Das mochte ja gut und gerne sein, doch nichtsdestotrotz war und blieb Matt doch nur ein Halbbetazoid, dessen empathische Fähigkeiten sich auf das Wahrnehmen emotionaler Schwingungen beschränkte. Einfachste Gefühle konnte er bestenfalls lesen; Wahrheit von Lüge, so weit es ihm möglich war, unterscheiden. Doch das, was die Kommandantin von ihm verlangte, war schlichtweg utopisch!

    „Können oder wollen Sie es nicht verstehen, Commander? – Mein erster Offizier hätte gar nicht die Ambitionen, solch eine ‚Gedankenverschmelzung’ bei Mr. Ravel durchzuführen! – Oder sehen Sie etwa irgendwelche spitzen Ohren an seinem Kopf?“ Auch wenn er nicht recht wusste, warum, doch John hatte plötzlich das Gefühl gehabt, er müsse seinen...nun seinen Freund unterstützen. Dieser wiederum, von der unerwarteten Hilfe Skippers angenehm überrascht, bemühte sich unterdessen, sich eindringlich in die Situation eines namenlosen männlichen Menschen zu versetzen...

    „Na ja“, wand der Empath sich schließlich nach reiflicher Überlegung an Harry, „einen Versuch wäre es immerhin wert oder was meinen Sie?“

    Schlagartig fiel der Angesprochene aus einem ziemlich surrealen Tagtraum und verlor dabei unwillkürlich den Halt des Kopfes aus seinen zuvor aufgestützten Armen. Welches dumme Zeug hatte er da bloß wieder fantasiert? Nein, niemals! – Es war einfach zu diffus, als dass es wahr sein konnte! Harry beschloss, vorerst niemandem etwas von diesem neuerlichen Hirngespinst zu erzählen...so langsam häuften sie sich an und mit jedem weiteren davon verloren sie an Glaubwürdigkeit! Endlich realisierte er, dass der erste Offizier ihm ein Angebot gemacht hatte und reagierte dementsprechend erfreut: „Oh man, ich wäre Ihnen dafür ewig verbunden, Commander Price!“

    „Nennen Sie mich Matt!“, erwiderte dieser die Dankbarkeit auf seine gewohnt lockere Art, „Und nun werden wir uns bemühen, auch Ihren Vornamen herauszufind...“ Auf einmal stockte Matthew und zog dabei etwas zu viel Sauerstoff in seine Lungen, was zu einem leichten Röcheln führte. Zwingend sah er seinem Gegenüber, von dem er gerade einen heftigen Emotionsschub empfangen hatte, direkt in dessen düstere Augen.

    „Alles in Ordnung, Matt? – Haben Sie irgendetwas?“ Harry war sichtlich besorgt um das Wohlergehen des Geheimdienstoffiziers. Seine Aufrichtigkeit war unumstritten.

    „Nein, nein - alles fein soweit!“, wies Matt die Besorgnis schnell von sich und versuchte das konfuse Gefühlsbündel zu entknoten: Liebe... Verlangen... Freundschaft... Verlangen... Ehrgeiz... Kummer... Unsicherheit.... Kummer... Trauer... Hass… Abneigung... Hass… Hass…Hass!

    “Gibt es Probleme, Commander?”, forschte La Forge abermals nach und ging Matt damit allmählich auf die Nerven! Wie konnte eine gestandene Frau ihres Formates nur derart kontrollsüchtig sein? Alles war fein! - hatte sie ihn akustisch nicht verstanden oder war sie vielleicht jene Art Mensch, der ständig das letzte Wort behalten musste? Wie sollte ihrer Meinung nach der weitere Verlauf dieser Mission aussehen? Was sollte eine weitere Analyse des Unfallshuttles schon hervorbringen? – Die Waffensignatur, mit der es vom Himmel geschossen worden war? Geschenkt! Jeder Idiot konnte sich eine zweitklassige Phaserphalanx vom klingonischen Schwarzmarkt besorgen, ob legal oder nicht. Und dies war nur eine der unzähligen Möglichkeiten! Da bangten sie doch tatsächlich um einen einzigen Kopfgeldjäger, der hinter John her war – als ob dies etwas vollkommen Neues für den hartgesottenen Captain gewesen wäre! Nur eine kleine Person... Welches Phantom waren sie im Begriff zu verfolgen? Wenn du nicht weißt, wie du zum Attentäter gelangen kannst, warte doch bis er zu dir kommt!


    Wenige Momente später saßen sich zwei freundlich dreinblickende Gestalten wie alte Freunde gegenüber. Ganz nah waren sich ihre Gesichter, so sehr, dass sie die Atemluft des anderen auf der eigenen Haut spüren konnten. Und zumindest bei einem der beiden Männer, war diese Freundlichkeit nicht gespielt... Matt war zutiefst erschüttert über das, was Harry ihm an Emotionen vermittelt hatte. Nie und nimmer war dieser Mensch ein unbescholtener Zivilbürger gewesen! Er hatte Feinde gehabt, Todfeinde, die er bis in die Ewigkeit verachtet hatte – vor seinem Unfall. Und wer eins und eins zusammenzählte, fand schnell heraus, wer vergebens versucht hatte, Harry dafür umzubringen: Die Sensoren hatten nicht das Geringste auf ihren Schirmen aufgefangen, ergo waren hierbei alles andere als Laien zu Werke gewesen! Ein unschöner Verdacht tat sich dem Betazoiden auf, der seine dunklen Vorahnungen jedoch vorerst bei Seite schob. Schließlich würde er zur mentalen Vorbereitung innerste Ruhe benötigen, um seine begrenzten Fähigkeiten möglichst effektiv einsetzen zu können. Und selbst dann blieb es fraglich, ob er mehr aus Harry herausholen konnte, als der Mann es von sich aus im Stande war. Wieso hatte man keinen anderen Betazoiden auf diese Station beordert? Es gab Hunderte von ihnen in der Sternenflotte, die seinen Job tausendmal besser würden erledigen können. Also wieso er, fragte er sich, wieso ausgerechnet er? War es am Ende der Zufall, der ihn bis hierher verschlagen hatte? Oder gar das Schicksal, welches man eben akzeptieren musste, weil es nun mal vorherbestimmt war? Bestimmung – Matt glaubte schlichtweg nicht daran! Jedes Individuum war selbst verantwortlich für das, was es aus seinem Leben machte, so schlecht die Voraussetzungen dafür auch immer waren. Niemand zwang einen, Dabo-Mädchen zu werden, Drogendealer oder Kopfgeldjäger... Wer auch immer Harry verfolgt hatte, er wollte verhindern, dass John Lewinski von ihm gewarnt werden konnte. Und wer hatte die nötigen Mittel und den Einfluss, um das ganze wie einen Unfall aussehen zu lassen?!

    Der Hass war verschwunden, wohin war der Hass plötzlich wieder verschwunden? Matthew spürte nicht mehr die geringsten Negativgefühle von seinem Tischnachbarn, so als ob dieser sie nach Belieben abstellen konnte. In einem war der Offizier sich jedenfalls sicher: Harry verheimlichte ihnen etwas, fragte sich nur, ob ihm selbst das klar war! Unterbewusste Schizophrenie, wo war eigentlich Elisabeth, wenn man sie brauchte?

    „Ich denke, ich bin bereit, Matt!“, forderte der mysteriöse Zivilist, sofern er einer war, den Commander auf, sich um ihn zu kümmern. Wie stellte er sich das vor? – Vielleicht wie einen Zahnarzttermin?

    „Na schön, Harry, entspannen Sie sich und versuchen Sie sich in eine andere Zeit zurückzuversetzen! – Rekonstruieren Sie das Bild Ihrer frühesten Erinnerung und...“ Matt kam sich vor wie ein verdammter Therapeut! „...lassen Sie Ihren Gefühlen dabei ruhig freien Lauf!“

    ‚Man gut’, dachte Harry etwas ärgerlich, ‚dass all die Sternenflottenpsychologen das nicht längst mit mir versucht haben!’ Doch was blieb ihm anderes übrig, er war ja froh, dass Matt überhaupt bereit war, ihm zu helfen. Und so erinnerte er sich mit jedweder Überwindung...




    Sein blutüberströmtes Gesicht schmerzte nicht geringer, als die drei seiner Rippen, die aufgrund des heftigen Aufpralls einfach gebrochen waren. Verängstigt öffnete er die blutverschmierten Augen und kämpfte mit einer ungewöhnlich starken Übelkeit. Das Shuttle – ein funktionsuntüchtiges Wrack, dessen Stabilisatoren seinen Tod verhindert hatten! Sämtliche Systeme waren offline, sodass er sich nicht einmal sicher sein konnte, wo genau auf der Erde er überhaupt abgestürzt war. Und er musste wohl abgestürzt sein, wie hätte sich sonst die gesprungene Fensterscheibe des Cockpits erklären lassen sollen?

    Wieso war er bloß hier, viel wichtiger noch: Wer war er? Seiner zerfetzten Kleidung nach zu urteilen, gehörte er keiner speziellen Fraktion oder Organisation an. Nur das charakteristische Design der Steuerkontrollen wies darauf hin, dass sein Shuttle (Wenn es denn seines war!) zu irgendeinem Typ der Föderation gehörte. Doch etwas hier war ebenfalls nicht in Ordnung: Neben dem Geruch nach verbranntem Fleisch roch es mittlerweile ziemlich ätzend... Er bekam Angstzustände, plötzlich hatte sich tiefschwarzer Rauch gebildet, der sich nun schier unaufhaltsam durch das Ventilationssystem ausbreitete. Panisch watete er durch die giftigen Nebelschwaden auf der Suche zum sicheren Ausgang. Blind tastete er sich an der überhitzten Außenhülle entlang und berührte schließlich unter großer Atemnot die rettende Shuttleluke. Doch wo befand sich der verdammte Öffnungsmechanismus?! Zehn Sekunden – viel länger würde er die Luft nicht mehr anhalten können, bis der Sauerstoffmangel für das Absterben der ersten Gehirnzellen sorgen würde...Endlich! – Keuchend betätigte er die manuelle Kontrolle und stolperte unbeholfen in den Regen. Sehr weit kam er allerdings nicht, bis er erneut in eine tiefe Bewusstlosigkeit sank, in der er für mehrere Stunden verharrte...



    „...Nun denn, als meine bezaubernde Frau mich schließlich fand, waren sowohl die Rauchschwaden verschwunden, als auch sämtliche meiner Erinnerungen!“

    Das interessierte Matt zwar nicht sonderlich, aber es war gut zu wissen, dass Harry ihn nicht belog! Während der ganzen Geschichte, hatte der Halbbetazoid nur den Hauch von emotionalen Schwingungen bei ihm verspürt, was sehr für die Verschlossenheit des reservierten Mannes sprach. Matthew musste ihm die Gefühle wohl oder übel austreiben:

    „Das war schon ganz aufschlussreich, Harry, aber versuchen Sie doch bitte etwas weiter zurückzugehen! Ich...verlange dies nur äußerst ungern von Ihnen...aber bevor Sie beginnen, denken Sie zur Abwechslung an ein starkes Hassgefühl – Ich bin mir fast sicher, es wird Ihnen helfen...“

    Skeptisch schüttelte jener Mensch den Kopf, was weniger an der makabren Aufforderung des Commanders lag, als viel mehr daran, wie dieser ihn gerade genannt hatte: „Mein Name ist nicht Harry!“, widersprach er entschieden und bekam dabei leuchtende Augen. „Nein...ich heiße Erdal!“

    „Sie beginnen sich also zu erinnern?“, fragte der Halbbetazoid seinen ‚Patienten’ ungläubig – er war gut, aber so gut?! Wahrscheinlich war es purer Zufall, dass Erdal gerade jetzt damit begann, sich wieder an die Grundlagen zu entsinnen. Oder unterschätzte Matt seine eigenen Fähigkeiten zu sehr? – Immerhin umfasste die Telepathie breite Fächerbereiche, von denen die einen oder anderen noch nahezu unergründet waren. Vielleicht aber handelte es sich auch um eine Psycho-Sache: War die bloße Anwesenheit eines Empathen ausschlaggebend für die Wiederherstellung Erdals Erinnerungen gewesen?

    „Oh wow, es funktioniert tatsächlich!“ Der ehemals Namenlose war hellauf begeistert. Nie hätte er erwartet, dass die Sternenflotte ihm noch jemals würde helfen können, nicht, nachdem sechs ihrer Psychologen es bereits mehrfach versucht hatten! „Matt, wir müssen weitermachen, ich spüre es – ich bin so nah dran...“


    „Willkommen auf Utopia Planitia – Wünschen Sie eine Führ...? – Was denn, Sie schon wieder?!“

    Mit verschränkten Armen und ihrem Diktiergerät bewaffnet stand Arena dem Hologramm von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Der Datenport hing nach wie vor um ihren zarten Hals, den Emitter hatte sie aktiviert und alles Weitere lag nun bei ihrem Medium.

    „Ja...Ich!“, antwortete sie diesem mit aller Offenheit. Und es tat ihr aufrichtig leid, wie sie ihn zuvor behandelt hatte, denn offensichtlich hatte die angehende Journalistin seine Gefühle verletzt! „Was meinen Sie“, schlug Arena dem Mann augenzwinkernd vor, „machen wir einen Neuanfang?“

    Wie stellte dieses Mädchen sich das vor? – Eine Führungseinheit war doch kein ‚Computerspiel’, welches man nach Belieben abspeichern und unterbrechen konnte! Und nun sollte er ihr noch den Gefallen tun und wie ein Vorzeigeköter artig ‚apportieren’? Er dachte ja nicht im Traum daran, sich dem Mediendrang derart leichtfertig hinzugeben! In Wahrheit jedoch hatte er mehr als nur gehofft, sie käme zu ihm zurück – und damit sollte er Recht behalten...sein zynisches Wesen verlangte regelrecht nach noch mehr Meinungsverschiedenheiten! Gerade wollte das Hologramm eine weitere spöttische Antwort erwidern, als ihm schlagartig bewusst wurde, welche Chance es damit vertun würde! Hier bekam es die vielleicht einmalige Gelegenheit, als bestes Beispiel für rassistische Diskriminierungen im wichtigsten Rechtmagazin des Sektors publiziert zu werden. Was hatte er sich bloß gedacht, aus welchem Grund die Sternenflottenoffizierin sich die Bürde aufgenommen hatte, ihn zu interviewen? – aus Spaß und Langeweile? Hier war jemand, der sich für seine Sache und der seiner Artgenossen einsetzen wollte - und nicht das Ausnutzen der Eitelkeit des Befragten, sondern einzig und allein das war die beste Vorraussetzung für ein wirklich perfektes Interview...!

    „Dies täte ich lieber als alles andere, Mrs. Tellom!“ Aufrichtig, dankbar, bestimmt.

    Vor Freude strahlend aktivierte Arena das Aufnahmegerät und setzte sich näher zu dem Hologramm, woraufhin sie es ihm in respektvoller Entfernung ‚unter die Nase’ hielt:

    „Sind Sie sich bewusst, was Sie sind...?“


    Von der anfänglichen Euphorie Erdals war ein eher lustlos wirkendes Dahinphantasieren geblieben! Krankhaft hatte der Mensch versucht, sich an weitere Informationen vor dem Shuttleabsturz zu erinnern. Doch mehr als ein Versuch war daraus auch nicht geworden. Selbst die stärksten Hassgefühle hatten nicht das Geringste bewirkt, abgesehen von ersten Depressionsgefühlen, die Erdal mit voranschreitendem Versagen so langsam entwickelte...

    „Verdammt noch mal, wieso funktioniert dieses blöde Ding nicht?“

    „Erdal?“

    „Mein Gehirn, es arbeitet nicht so mit, wie es sollte!“

    Matt hatte sich wohl gerade verhört! – Wie konnte dieser Kerl das Komplizierteste Organ seines Körpers nur so unbeeindruckt als Ding bezeichnen? Natürlich hatte es vollkommen zufrieden stellend funktioniert – andernfalls hätte Erdal längst mit irgendeinem dieser Traumata rechnen müssen, wie man seit Jahrhunderten immer wieder von ihnen hörte. Gedächtnisschwund war eine reine Schutzfunktion, so gesehen konnte sich das Wiederherstellen seiner Erinnerungen auch ebenso negativ auf Erdals Psyche auswirken!

    „Ich denke, wir haben für den heutigen Tag einen wesentlichen Fortschritt erzielt, Erdal – Sie sollten stolz auf sich sein!“

    „Möglicherweise“, entgegnete Erdal dem Counselor auf Zeit, „würde ein weiterer Versuch dennoch nicht schaden – nur noch einer, dann machen wir Schluss.“

    Stöhnend faltete der Commander seine beiden Hände, deren Finger vor Müdigkeit schon ineinander fielen. „Also gut, überredet“, gab er dem unschuldig dreinblickenden Mann schließlich nach, „schließen Sie Ihre Augen und konzentrieren Sie sich ganz auf den Shuttleunfall! Was könnte zuvor geschehen sein, wer könnte Sie verfolgt haben?“

    Ein letztes Mal würde Erdal die Prozedur über sich ergehen lassen, sein Ergeiz war zwar groß, aber er hatte auch seine Grenzen! Wenn es jetzt nicht klappte, so würde es dies nie tun – so verdunkelten seine geschlossenen Augenlider den ohnehin finster wirkenden Raum um ihn und führten Erdal in eine unwirkliche Trance...


    In weniger als fünf Minuten würde er ein weiteres Mal zuschlagen und mit jeder voranschreitenden Sekunde kam er seiner diesmaligen Zielperson von Parsec zu Parsec näher! ‚Er bräuchte sich keine Sorgen zu machen’, hatte sein Auftraggeber ihm versichert, ‚die Annährungssensoren des Planeten seien vorsorglich präpariert worden’. John Lewinski würde sterben, so oder so! Die genauen Koordinaten des vereinbarten Objektes waren eingegeben, der Orbitaltorpedo scharf gemacht – Kurs: Richtung Erde; Amerika, nördlicher Kontinent; Hauptstadt der kanadischen Provinz Ontario. Ob in Toronto an diesem Tag wohl strahlender Sonnenschein herrschte? Wie praktisch, dann konnte der Captain seinem Verderben ja direkt ins Auge sehen, wenn er neben dem Rollstuhl seines vom Antallianischen Krebs zerfressenen Vaters auf der Terrasse frühstückte...! Luke und John – Spender und Erzeugnis durch den Tod wieder vereint. Routinemäßig trat Erdal mit seinem Shuttle in den Orbit ein und begann mit der ersten Phase des Sinkflugs. Der Timecode zeigte ‚T –30 Sekunden’ an, perfekt und professionell – so wie alles in seinem Dasein als Kopfgeldjäger! Und ein Ehrenkodex in dieser Profession lautete: Es gibt keine Ehre, vertraue niemandem und schon gar nicht deinen Kunden! Wer konnte Erdal versichern, dass diese Sensoren tatsächlich manipuliert worden waren? In einem risikoreichen Job ging man nun mal keine Risiken ein! So hatte er seinem eigenen Shuttle, welches er später irgendwo in der Walachei zurücklassen würde, vorausschauend und in voller Absicht Kampfspuren beigefügt, damit es so aussah, als ob jemand es angegriffen hätte und es daraufhin abgestürzt sei – Erdal würde das verräterische Gefährt nach dieser Mission ohnehin nicht mehr gebrauchen können, das tat er nie...er hatte andere Mittel und Wege, um sich unbemerkt aus der Affäre zu ziehen. ‚T –10 Sekunden’. Es war Zeit, den Auslöser zu betätigen und zu verschwinden, doch in der wirklich allerletzten Sekunde öffnete sich plötzlich ein Komm-Kanal: „Krzzz...llo...Mr. Turner, hier spricht Ihr Auftraggeber Mr....krzzzzzz...unsere Pläne haben sich ge....krzzz...rt, ich fürchte, Sie werden John nicht mehr....krzzzzzz...tut mir ausgesprochen für Sie leid! Hals- und Beinbr....krzzzzzzzzzzzzzz...“ Damit brach die rauschende Verbindung ab. Was war geschehen? – Hatte der Typ am anderen Ende seine ‚Bestellung’ soeben annulliert? War Lewinski nicht mehr auf der Erde? Und was viel wichtiger war: Was zur Hölle hatte ‚Hals- und Beinbruch’ bloß zu bedeuten...? Die Antwort darauf ließ nicht sehr lange auf sich warten: Auf einmal erbebte das ganze Shuttle. Erdal wurde angegriffen, der unerwartete Beschuss hatte die Hauptstabilisatoren in Mitleidenschaft gezogen. Er stürzte ab...


    Die Vision war vorbei. Starr blickte Erdal vor sich hin, es war ihm wieder eingefallen – alles war ihm wieder eingefallen! Und er wünschte sich nun nichts sehnlicher, als dass es lieber nicht so gewesen wäre...

    „Was haben Sie gesehen? – Kommen Ihre Erinnerungen zurück?“

    Was sollte er dem Geheimdienstler bloß darauf antworten? – Wenn er ihm die Wahrheit verriet, konnte er sich ebenso gut die Arme auf den Rücken legen und in Handschellen abführen lassen! Ein einziger Gedanke schoss ihm durch den Kopf: Christine und das Baby!

    „Tut mir leid, Commander Price, doch leider blieben meine Bemühungen erfolglos...Was soll’s schon, morgen ist wohl auch noch ein Tag!“

    „Meine Worte, Erdal! Tun Sie sich nur keinen Zwang an, wir...“

    Eilig unterbrach der Mensch seinen ‚Mentor’ und stand verdächtig schnell von seinem Platz auf: „Wir...machen ein anderes Mal weiter, ich wünsche Ihnen eine ruhige Nacht...Matt!“ Ohne sich umzublicken verließ er das von Sicherheitsleuten bewachte Zimmer und wurde von eben diesen in sein Quartier eskortiert.

    Dass etwas an dem Verhalten dieses Mannes nicht stimmte, dazu brauchte man nicht mal Vollblut-Betazoid sein, um das zu erkennen! Er hatte Matthew Commander Price genannt, etwas Fauleres konnte es gar nicht geben...allerdings war es bereits ziemlich spät und der Tag war mehr als anstrengend, sowohl für ihn, als auch für Erdal, gewesen. Er hielt etwas zurück, und diesmal war es vorsätzlich...


    Sämtliche Systeme im Hauptmaschinenraum der Monitor waren auf ‚Stand by’ geschaltet, das Niveau der Normalbeleuchtung auf ein Minimum reduziert worden. So verlassen wirkte das wackere Schiff wie ein Ort, den man allein lieber nicht aufsuchen wollte! Beengende Metallschotts, beklemmende Ventilationsgeräusche, nicht lokalisierbare Stimmen irgendwelcher Ingenieure dieser so genannten ‚Reparaturstation’... klang wie eine perfekte Atmosphäre für eine Schiffsführung!

    „Wenn ich vorstellen darf: Das Reich meines Chefingenieurs.“ Lewinski verkniff es sich, dessen Namen zu nennen. Zu sehr erinnerte dieser ihn an seinen Vorgänger Jozarnay, welcher die Monitor aus für den Captain unempfindlichen Gründen erst wenige Wochen zuvor verlassen hatte.

    „Beeindruckend!“, gab Alishia La Forge, ohne dabei mit der Wimper zu zucken, zu. „Wenn ich da an den Saustall meines Chefingenieurs denke!“

    „Ein Maschinenraum ist immer so gut wie der, der ihn befehligen darf!“ Gab es denn einen peinlicheren Spruch?!

    „Sagen Sie das mal meinem Cousin von der Enterprise - Er ist der Beste!“

    Um das nachzuweisen, hätte John die Kommandantin wohl fragen müssen, ob auch dieser in seinem Leben schon einmal Drogen konsumieret hatte – Es erschien ihm jedoch eher unwahrscheinlich zu sein...

    „Also auf dem Flaggschiff, was! Man, ihr La Forges scheint ja eine recht Karrierelastende Familie zu sein!“

    Leicht verlegen schmunzelte die charismatische Frau, denn mit dieser Annahme hatte John Lewinski absolut Recht. „Mein Onkel Edward und meine Tante Silva waren ziemlich berühmte Leute in der Afrikanischen Föderation. Captain Silva La Forge befehligte die Hera.“

    „Ihre Eltern müssen stolz auf Sie sein!“

    „Genauso wie Ihre auf Sie!“

    Welch bittersüße Ironie sich auch aus diesem Gespräch doch ergab... Sowohl die Eltern des Captains, als auch die der Kommandantin weilten nicht mehr unter den Lebenden! Schweigsam gedachte John seinem vor kurzem verstorbenen Vater, dessen Entschluss, sich von keinem Arzt der Welt mehr helfen zu lassen, er bis heute nicht nachvollziehen konnte! Es stellte das Ende eines weiteren Kapitels in seinem vom Tod gezeichneten Leben dar, eine Bagatelle im Vergleich zu dem, was bereits hinter ihm lag.

    Beide Geheimdienstoffiziere lächelten resignierend, wobei sich ihre Blicke wie an zwei umgekehrt gepolten Enden trafen – sie zogen sich gegenseitig an. Es schien, dass der Preis ein Sfi-Mitglied zu sein, wie sehr auch immer man dazu stand, weniger von einem selbst, als ständig von allen anderen bezahlt werden musste...


    „Sind wir wirklich sicher, dass wir das tun wollen? Wenn wir entdeckt werden sollten, wird meine Matrix gelöscht und Sie bekommen meinen Job!“

    Das Interview war von Arena erfolgreich zu einem Ende geführt worden, wenn sie sich beeilte, würde sie ihr Debüt im ‚Emancipation of the 24th Century’ noch vor Redaktionsschluss der laufenden Ausgabe verwirklichen können! „Keine Sorge“, tat sie die Besorgnis des verunsicherten Hologramms mit aller Selbstsicherheit ab, „ich bin schon mit ganz anderen Dingern durchgekommen.“

    „Mrs. Tellom“, wand sich die Nicht-mehr-länger-nur-Führungseinheit an den Lieutenant und reichte ihr seinen Emitter, „...vielen Dank!“

    Ehrsinnig nickte diese und deaktivierte den neu gewonnenen Freund, woraufhin sie sich gleich mehrmals umsah – immer noch wandelten die sprechenden Lichtgestalten durch die Station – es änderte nichts: Wie besprochen öffnete sie den Verschluss ihres Rucksacks und ließ den Emitter unauffällig darin verschwinden. Nun galt es, dasselbige mit sich und ihrem Ehemann zu veranstalten! Jener hatte dem Bolianer den von seiner Frau verursachten Schaden der Bar mit ungehörig vielen Credits abbezahlen müssen... und da sagte noch einer, Geldmittel seien überholt! Wo war die Emanzipation?



    „Ardev, Zeit zu gehen!“ Arena griff nach dem Arm des Andorianers und schaffte es sogar, ihn einige Meter mit sich in Richtung ‚Ausgang’ zu führen.

    „Jetzt warte doch mal ab, das Ding schließt frühestens in einer Stunde! Habt ihr denn das Interview gut überstanden?“


    „Ja doch“, drängte die Terellianerin „alles lief ganz phantastisch – jetzt komm aber!“ Im Schneckentempo setzte das Paar sich in Bewegung. Nervös spähte Arena zum Sicherheitsdienst hinüber, ließ den Blick über einen der rettenden Korridore schweifen und spitzte angesichts der davor stehenden Lichtschranke ihre zarten Lippen.



    Zu ihrem Unglück hatte Ardev ihr neurotisches Verhalten nicht nur bemerkt, sondern offenkundig auch durchschaut: „Gott stehe uns bei – sie hat das Hologramm gekidnappt!“

    „Lauf, Ardi!“

    Innerhalb von zwei Sekunden passierten sie die Lichtschranke – unmittelbar danach wurde der Alarm ausgelöst – weitere drei Sekunden vergingen, bis auch die Sicherheitsbeamten reagierten.

    „Geheimdienst“, schrie das Ehepaar ausweiszeigend durch die hallenden Korridore, „lassen Sie uns durch!“ Und der Plan ging auf: Sämtliche Besucher sprangen regelrecht zur Seite und sorgten, dadurch dass einige von ihnen daraufhin zu Boden fielen, gleichzeitig dafür, dass der Wachdienst keine Chance hatte, um die Flüchtenden einzuholen.

    Keuchend erreichten Ardev und Arena den Andockbereich der Station, betraten den fast völlig überfüllten Massentransporter zum Mars und schmissen sich totlachend auf die Sitzbänke. Es war genau das, dachte der Andorianer freudestrahlend, was seine Frau nach dem Tode ihres Bruders jetzt brauchte!

    Beim Aktivieren der Triebwerke jedoch legte sich seine positive Stimmung wieder: „Und wie geht es jetzt weiter?“


    Das harmonische Geräusch einer Schalldusche hatte schon immer eine anregende Wirkung auf Christine gehabt, besonders, wenn sie sich nun vorstellte, wie ihr Ehemann vollkommen entblößt darunter stand und sein Körper Molekül für Molekül gereinigt wurde...als das Summen verstummte, legte die gelernte Exobiologin einen Roman bei Seite, den sie aus langer Weile angefangen hatte zu lesen. Irgend so ein Kriminalschmöker aus dem 21. Jahrhundert: Die Hauptfigur würde am Ende der Geschichte vermutlich sterben, aber wen interessierte schon der Plot...!

    Mit einem weißen Badetuch um seine schlanken Hüften geschwungen verließ Erdal die ‚Nasszelle’ und legte sich nachdenklich neben seine Frau ins kompakte Doppelbett. Sekundenlang verhaarten sie so Seite an Seite, bis Christine vorsichtig nach der linken Hand ihres Mannes tastete. „Also Erdal, häh?“, meinte sie kess und fühlte die rauen Finger, deren spröde Haut ihr bisher nie so recht aufgefallen war. „Wusste doch, dass du tief in deinem Inneren türkisches Temperament besitzt!“ Doch angesichts seiner fast blonden Locken zog dieser Spruch nicht sonderlich...

    Erdal war mehr als verzweifelt über die derzeitige Situation. Den Tränen nahe biss er sich auf die Lippen, damit Christine ja nicht mitbekam, in welch tiefer Depression der Mensch sich befand. Er liebte sie, was sollte er bloß tun?

    „Ist was mit dir, du wirkst so niedergeschlagen!?“

    „Was sollte schon sein?“, wich er der Frage seiner Frau mit bebender Stimme aus und schmiegte dann seinen nackten Oberkörper an den ihrigen. „Ich liebe dich!“

    „Dito!“, erwiderte Christine, deaktivierte die Zimmerbeleuchtung und schlief in den sanften Armen ihres Harrys ein...wenn sie wieder aufwachte, würde nichts mehr sein wie zuvor!

    Eine halbe Stunde darauf verließ auch Erdal den Zustand des Wachseins.


    Entgegen aller Müdigkeitserscheinungen hatte Matt sich - nach dem zwielichtigen Counseling mit Erdal - mutterseelenallein im Konferenzraum verbarrikadiert. Das seltsame Verhalten des Menschen war dem ersten Offizier der U.S.S. Monitor nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Wieso hatte er gar fluchtartig das Quartier verlassen, wenn er doch damit rechnen musste, dass Matthew etwas witterte? Allein schon, dass er ihn Commander Price genannt hatte, verlangte regelrecht danach der Sache weiter nachzugehen...

    „Computer, Auflistung aller vorhandenen Geheimdienstakten über männliche Person: Erdal, Föderationsbürger; geschätztes Alter zwischen...nun, sechsundzwanzig und dreißig würde ich mal sagen!“

    „Suchparameter komplett, bitte warten! – Dieser Vorgang kann einige Minuten Zeit in Anspruch nehmen...“

    Plötzlich fiel ein greller Lichtstrahl in das schattige Besprechungszimmer. Eine dunkle Silhouette zeichnete sich in dem gleißenden Türrahmen ab und wanderte gespenstisch auf den Halbbetazoiden zu. Wie Matt erst jetzt bemerkte, handelte es sich dabei um keine geringere als Commander La Forge. Nachdem er sie erkannt hatte, deaktivierte er vorsichtshalber den Bildschirm.

    „Also hier stecken Sie!“

    „Mir war nicht bewusst, dass jemand mich vermisst. Kann ich Ihnen helfen, Commander?“

    Tröstend verzog La Forge ihr ansonsten faltenfreies Gesicht und nahm neben dem gleichrangigen Empathen Platz. „John und ich fragten uns bereits, wo Sie beide bleiben. Gab es denn Fortschritte bei Ihrem gemeinsamen Gespräch?“

    Matt wusste nicht, wofür er die attraktive Frau mehr hassen sollte: Dafür, dass ihr Plan, ihn und Erdal so einfach in einen Raum zu sperren und miteinander machen zu lassen, bestens funktioniert hatte oder dass Lewinski ihr mittlerweile erlaubte, ihn bei seinem Vornamen zu nennen! Er selbst hatte Monate gebraucht, bis Skipper ihn als Person überhaupt anerkannt hatte...

    „Dass...“ Price stockte, sie hatten so lange auf die Wiederherstellung Erdals Erinnerungen gewartet, ein weiterer Tag würde da auch nicht die Welt bedeuten! „...kann man nicht gerade behaupten, aber wir arbeiten dran!“ Wenn er ihr erzählt hätte, dass Harry sich an seinen richtigen Namen erinnert hatte, hätte er ihr wohl auch von dessen bizarrem Verhalten berichten müssen...dabei war es doch nur so eine dunkle Ahnung von ihm...!

    „Gut zu wissen - sagen Sie bescheid, wenn Harry und Sie etwas erzielen!“

    Oh, das täte er sicher... jedoch würde der Captain ein wenig eher davon erfahren. Es war eine Sache zwischen ihm und Erdal – La Forge ging diese Geschichte nichts an! „Alishia“, sprach Price die Kommandantin daraufhin an, „wo befindet sich John jetzt?“

    „In seinem Quartier auf der Monitor, auf die auch Sie langsam zurückkehren sollten, Matt!“

    „Aber halten Sie das auch für eine gute Idee, angesichts der dortigen Gefahr für den Captain? – Schließlich verfügt unser Kahn ‚nur’ über eine veraltete romulanische Tarnvorrichtung, oh, ich vergaß: Ihr Metaphasenschirm wurde ja auf das Schiff ausgedehnt...“

    „Ihr Sarkasmus in Ehren, Matt – Sie mögen unsere Sicherheitsvorkehrungen vielleicht für übertrieben halten, aber von Zeit zu Zeit haben wir hier mit noch viel gravierenderen Fällen zu tun! Jedenfalls wurde Starfleet Intelligence bisher noch nie von unserer Arbeit enttäuscht.“

    Wusste er doch, dass diese Frau ein Problem mit ihrem Selbstwertgefühl hatte! Leute wie sie starben regelrecht für ihren Job. Man konnte es mit dem Ehrgeiz auch übertreiben!

    „Machen Sie nicht mehr so lange, Commander Price! Gute Nacht.“

    „Gute Nacht“, gab Matt die Worte der Offizierin wieder und wartete sehnsüchtig darauf, dass sie endlich den Raum verließ. Nachdem die Tür sich verschlossen hatte, reaktivierte er den Suchbildschirm. Es war eine einzige Katastrophe: Die Liste des gesuchten Namens umfasste über eintausend Einträge allein auf der Erde! Doch da überkam dem Halbbetazoid ein Geistesblitz – welche Person knüpfte seit kurzem gewisse Kontakte zum Journalismus und würde so viel schneller und besser an die benötigten Informationen gelangen? – Na hoffentlich war die Frau während ihres Urlaubs auch erreichbar...

    „Computer, Chiffrekontakt Tellom, Lieutenant Arena. Fotographie von Harrison Ravel und diese Liste als Zusatzdateien anhängen...“


    Zur selben, späten Stunde überflog Arena bereits die geschriebene Version ihres Interviews in einer Vier-Sterne-Hotelsuite...und das schon zum dritten Mal! Immer wieder schienen ihr Kleinigkeiten aufzufallen, vereinzelte Worte, die sie sich parallel dazu auf Tape anhörte und durch Synonyme ersetzte. Mit Kopfhörern verhinderte sie, dass das laufende Tonband Ardev aufweckte. Irgendwann zwischen vierundzwanzig und sechsundzwanzig Uhr war dieser schließlich ins Bettchen marschiert, was die Terellianerin allerdings nicht davon abgehalten hatte eifrig weiterzuarbeiten...

    „...hmmm ‚unbefriedigende Arbeit’... ‚unbefriedigend’... wie wäre es stattdessen mit ‚aussichtsloser Alltagstrott’...“

    Wie besessen gab sie die veränderten Zitate in den Monitor ein, auf dessen Benutzeroberfläche urplötzlich das schimmernden Emblem des Sternenflotten Geheimdienstes erschien. „Sie haben Post“, dröhnte die computerisierte Stimme aus den Lautsprechern.

    „Tja, das war’s dann wohl mit deinem Schönheitsschlaf, mein Lieber!“ Neugierig öffnete Arena die multimediale Mitteilung, nicht ohne zu vergessen, zuvor deren Absender zu checken: „Sieht ganz so aus, als wäre ich nicht die einzige mit Schlafstörungen...na wollen doch mal sehen, was Matt von mir möchte, was! – Computer, Nachricht leise abspielen!“

    „Ich mach’s kurz, Arena – tut mir leid, Sie und Ardev gerade in Ihrer kostbaren Urlaubszeit stören zu müssen, und das auch noch mitten in der Nacht...aber es eilt, und ich hoffe inständig, dass Sie beide noch wach sind. Im Attachment werden Sie eine Liste von Namen finden und noch ein Foto, zu dem einer davon mit Sicherheit gehört. Bitte finden Sie um jeden Preis heraus, welcher es ist...möglicherweise lassen Sie ein paar Ihrer neuen Kontakte spielen?! Der Captain und ich zählen auf Sie, Grüße an Ihren Mann.“

    Mit dieser ‚Fülle’ an Informationen hatte es sich dann auch schon – kopfschüttelnd rief der Lieutenant das von Matt erwähnte Bild ab, zusammen mit dem anderen Textdokument. „Hübsches Gesicht!“, wie sie fand, „Nur zu schade, dass gerade diese Typen immer zu den bösen Jungs gehören müssen...!“


    Schweißgebadet erwachte Erdal aus einem abnormem Alptraum, der näher betrachtet wohl nichts weiter als die Realität wiedergegeben hatte: Einige Gesichter seiner Opfer waren ihm schemenhaft erschienen, zumindest glaubte er, dass es welche waren – denn manche von ihnen hatten mehr Ähnlichkeit mit einem Fleischklumpen gehabt, als mit humanoiden Körperteilen! Mehr noch, sein Nachname war ihm wieder eingefallen...doch dieser war genauso gefaked wie dessen Vorname! Erdal Turner; Erdal Steinberg; Erdal...aber es machten keinen Unterschied. Das einzige, was zählte, war die Verfassung seiner Frau – Wenn Christine oder dem Kind etwas zustieße, er würde es sich niemals verzeihen können. Er musste verschwinden, sie zurücklassen! Sein Auftraggeber hatte versucht ihn umzubringen und Erdal (er blieb nun selbst bei diesem Namen) kannte sich in der Branche gut aus, wenn es um Druckmittel ging: Fast immer wurde die Familie zum Ziel, auch bei seiner Arbeit war dies nicht anders gewesen...

    „Christine!“, flüsterte er seiner Frau zu, um sich zu vergewissern, dass sie tief und fest schlief. Leise stand er dann auf, zog sich im Schimmer des Mars seinen Lieblings-Overall an und stellte sich gähnend vor den Replikator: „Kaffee - viel Milch, viel Zucker!“ Nachdem das bittersüße Getränk auf der Plattform erschienen war, stellte Erdal es vorsichtig auf dem runden Glastisch ab und setzte sich auf einen der beiden Stühle. Es gab objektiv betrachtet eigentlich nur zwei Möglichkeiten für ihn: Entweder er verschwand unbemerkt aus diesem System, und wenn ja, dann für immer und in Angst, dass sein letzter Kunde ihn schließlich töten würde – oder er brachte seinen Job zu Ende, verschwand aus diesem System, und wenn ja, dann ebenfalls für immer und in Angst, dass die gesamte Föderation hinter ihm her sein würde...es blieb also alles beim alten!

    Als Erdal die dampfende Kaffeetasse anhob und müde daran nippte, überkam ihn plötzlich eine Art emotionaler Schwingung (!): Der Betazoide, was machte er da...? Verstört verschwappte er das Kaffee-Milchgemisch auf den blitzblanken Tisch, als er zitternd die Porzellantasse festhielt. Was auch immer Erdal gerade empfangen hatte, er musste Matt um jeden Preis aufhalten...und er musste sich beeilen, denn schon bald würde auch die Analyse seines Shuttles beendet sein, welche ohne Zweifel ergeben würde, dass die einen oder anderen Unfallspuren absichtlich herbeigeführt worden waren!

    Verheißungsvoll spähte Erdal zu dem Replikator hinüber, seine Mimik blieb dabei unverändert träge: „Computer...“


    Seit mittlerweile dreieinhalb Stunden wartete Matt nun schon auf eine Nachricht von Arena. Angespannt blickte er auf die digitale Anzeige – Zwei Uhr Stationszeit stand auf dem leuchtenden Display – Plus minus einer Viertelstunde... Er brauchte die verkürzte Liste unbedingt, ob er die Wissenschaftschefin vielleicht anrufen sollte? - Die Frage erübrigte sich, als das Terminal vor ihm ein wiederholtes Piepen von sich gab. Wahrscheinlich war Erdal auch ‚sauber’ und Matt bildete sich dessen heuchlerische Falschheit nur ein. Das würde es wohl sein, trotzdem aber musste der Halbbetazoid sich vergewissern: Ungeduldig lud er die fraglichen Dateien herunter und las sie sich behutsam durch. Die Länge der Liste war aufgrund Harrys nicht türkischer Abstammung extrem reduziert worden. Drei Personen hatte die ‚Journalistin’ ihm zur Auswahl übrig gelassen, von denen ihm die ersten beiden eher uninteressant erschienen: Erdal Nimoy, Familienvater von sieben Kindern aus drei verschiedenen Ehen und Erdal Konstanz, Pfarrer von Beruf in einem Kanton in der Schweiz. Der dritte Mann wirkte da wesentlich viel versprechender:

    „Erdal Turner, betazoidische Vorfahren sechsten oder siebten Grades...und da schließt sich der Kreis! Auch bekannt unter...oh man, das nenne ich mal ein ordentliches Sortiment an Decknamen!“

    Fassungslos scrollte Matt weiter durch diese letzte Geheimdienstakte, hiermit war es sicher: Erdal, oder wie auch immer er sonst heißen mochte, hatte Dreck am stecken und davon nicht wenig!

    „...eventuelle Verbindungen zum Orionsyndikat konnten nicht nachgewiesen werden...noch nicht, meine Lieben...!“

    Auf einmal hörte der Geheimdienstoffizier Schritte auf dem Korridor, gefolgt von einer dumpfen, verbalen Auforderung: „Verzeihen Sie Mr. Ravel, Sie können dort leider nicht rein ohne eine entsprechende Genehmigung!“ ‚Leider muss ich das aber’, meinte Matt gedanklich von Erdal vernommen zu haben, woraufhin ihm das zischende Geräusch eines Typ III-Phasers zu Ohren kam – gefolgt von dem schmerzerfüllten Schrei des Sicherheitsoffiziers auf dem Gang. Wie Matt schon erwartet hatte, öffneten sich die Türschotts, was der Halbbetazoid nur akustisch wahrnehmen konnte, da er mit seinem Rücken zum Eingang saß. Langsam hob er beide Hände über den Kopf und verdrehte die Augen.

    „Ich sehe, wir verstehen uns, Mr. Price! – Wenn ich jetzt um Ihren Kommunikator bitten dürfte...!“

    Ohne zu zögern zwickte Matt den Metallpin von seiner Uniform ab und richtete ihn wie selbstverständlich in die Luft.

    „Und wenn Sie jetzt noch so freundlich wären und Ihren Transporterchief bitten würden, Sie auf die Monitor zu beamen...!“

    „Wenn er nicht schon schläft, gern!“, antwortete der erste Offizier schnippisch und drückte auf das Starfleetemblem: „Commander Price an Monitor, entschuldigen Sie die nächtliche Störung, aber erfassen Sie doch bitte mein Signal und bringen Sie mich zu sich!“

    Zufrieden entnahm Erdal ihm den Kommunikator und lächelte traurig. „Vielen Dank!“, sagte er, konzentrierte sich für einen Moment intensiv auf den Halbbetazoiden und löste die Waffe aus, mit der er seinen ‚Mentor’ kurzerhand betäubte. Der Kopfgeldjäger brauchte sich deswegen keine großen Sorgen zu machen, denn mit einer speziellen Justierung des replizierten Phasers hatte er die Waffensignatur von den internen Stationssensoren perfekt abgeschirmt. Zwei Sekunden später wurde sein Signal erfasst und er begann sich zu dematerialisieren...


    Heftig wälzte Christine sich in dem fast leeren Doppelbett umher, als sie mit aufgerissenen Augen daraus hervorschnellte und sich in der absoluten Dunkelheit keuchend umblickte: „Harry?!“


    Erdal verließ derweilen mit entschlossener Haltung den Transporterraum. Der modifizierte, leicht überhitzte Phaser befand sich wieder in seinem Halfter...automatisch schloss sich die graue Schiebetür, zurück blieb ein bewusstloser Transporterchief...

    Zielsicher streifte er durch die finsteren, verlassenen Korridore, auf denen sich keine einzige Seele aufhielt. Es schien ihm, als seien sämtliche Crewmitglieder ausgeflogen, was die Sache noch viel einfacher machte! Als der Siebtel- beziehungsweise Achtelbetazoid den nächsten Knotenpunkt erreichte, rief er an einer Wandverkleidung den Konstruktionsplan des Starfleetschiffes auf und lokalisierte Lewinskis privates Quartier. Gehessig lächelnd bog er in die angezeigte Richtung ab und remodulierte seine Waffe – der Emitter war somit auf die höchst mögliche Destruktivstufe eingestellt, die jedes erdenkliche Ziel vaporisieren würde...

    Vor dem Quartier stehend brachte der Profikiller eine kreisrunde Vorrichtung an der Eingangstür an, verschaffte sich mit deren Hilfe Zugang in den verdunkelten Raum und richtete den Lauf seines Phaser auf das darin befindliche Bett aus.

    „Computer, Licht!“

    Zu seinem Entsetzen war jenes jedoch vollkommen leer...

    „Suchen Sie etwa mich?“, hallte John Lewinskis Stimme hinter Erdal quer durch das nun beleuchtete Zimmer. Dieser zielte ebenfalls mit einem Kompressionsgewehr auf den nächtlichen Eindringling. „Nette Sensorabschirmung, die Sie da für ihre Waffe verwendet haben, als Sie auf meinen Transporterchief schossen! – Und ich möchte gar nicht wissen, woher Sie sie haben!“ Stolz dachte der Captain an seinen ehemaligen Chefingenieur, der in all den Jahren vor seinem Verschwinden so einiges an dem Schiff getan hatte: „Aber ich muss Sie enttäuschen, Mr. Ravel, denn unsere Sensoren sind alles andere als der übliche Standart!“

    „Sieht so aus, Captain, als hätten Sie gewonnen...“

    „Das ist richtig, und damit sind Sie am Zug – geben Sie mir die Waffe!“

    Zögernd ließ Erdal von seinem vermeintlichen Ziel ab und hob den Phaser etwas höher, immer weiter, bis der Lauf schließlich seinen eigenen Schädel berührte. „Grüßen Sie Christine von mir und sagen Sie ihr, dass ich sie und das Baby über alles liebe...“

    „Nein, nicht...“, schrie John geschockt und machte einen unüberlegten Schritt auf den Mann zu, der ihn noch bis vor einer Sekunde umbringen wollte. „...denken Sie an Ihre Familie!“

    „Von einer Strafkolonie der Föderation aus, nein, vielen Dank!“

    „In einer Rehabilitationsanstalt wird man Sie allerhöchstens ein paar Monate festhalten können und wenn ich mich für Sie einsetze, sind Sie schneller wieder ein freier Mann, als Sie denken!“

    „Ein paar Monate“, wiederholte Erdal Johns Zusicherung niedergeschlagen, „so lange werde ich mit Sicherheit nicht mehr leben!“

    „Wie bitte, wovon reden Sie da bloß?“

    „Jedenfalls nicht, wenn ich Sie jetzt nicht töten kann – und das kann ich nun mal nicht!“

    „Das verstehe ich nicht, wer hat vor Sie zu töten, vielleicht Ihr ehemaliger Auftraggeber...?“

    Mit dieser eigentlich als Scherz gemeinten Annahme lag der Kommandant der Monitor richtiger, als er dachte.

    „Auf Wiedersehen, Captain Lewinski...!“

    „Sagen Sie mir, wer Ihr Auftraggeber war – wir werden ihn für Sie außer Gefecht setzen!“

    Im nächsten Moment hörten die Beiden schillernde Transportergeräusche – Sowohl Christine, als auch Commander La Forge waren zusammen mit einer Eliteeinheit der Station direkt auf das Schiff gebeamt worden. Nachdem Erdals besorgte Frau das Sicherheitspersonal über dessen Verschwinden verständigt hatte, war sofort der Rote Alarm ausgelöst und unmittelbar danach Matts bewusstloser Körper aufgefunden worden. Letzterer hatte nach seinem Zusichkommen die Kommandantin über die fragliche Biografie ihres Gastes aufgeklärt.

    „Harry, tu es nicht, bitte!“, bat Christine ihren Ehemann, den sie von ihrer Position aus überhaupt nicht sehen konnte.

    „Es tut mir Leid, Darling – ich liebe dich ja so sehr!“

    „Sie müssen das nicht tun“, versuchte Alishia den offensichtlich verwirrten Mann von seinem Vorhaben abzubringen, „Die Föderation wird Ihnen Schutzhaft anbieten, wenn es sein muss!“

    „Die Föderation war mein Untergang, Commander La Forge – aber Sie in Ihrer feinen Sternenflotte bekommen davon natürlich nichts mit!“ Erdal bezweifelte irgendwie, dass diese Frau sich seine Worte wirklich zu Herzen nehmen würde, aber angesichts der derzeitigen Situation, war das auch nicht weiter verwunderlich. „Und hier ist noch ein Tipp für Sie, John: Wieso fragen Sie nicht Ihren ersten Offizier? – Er wird Ihnen schon sagen, was Sie wissen wollen.“

    Im nächsten Augenblick sah Lewinski in das wimmernde Gesicht Fähnrich Ravels. Wie in Zeitlupe hörte man das Loslösen des Phaserstrahls aus Erdals Waffe, woraufhin die Schwangere heulend zusammenbrach.


    Computerlogbuch der Monitor
    Captain Lewinski
    Nachtrag.

    Ich freue mich behaupten zu können, dass die Mannschaft meines Schiffs vollzählig und bei bester Gesundheit ist. Mehr noch, Dank Lieutenant Tellom haben wir für kurze Zeit einen holographischen Gast an Bord, den wir auf Starbase 67 absetzen werden. Klingt so, als hätte meine Wissenschaftschefin ein neues Hobby gefunden, durch welches sie in nicht absehbarer Zeit sehr berühmt werden dürfte. Gerade halte ich die aktuelle Ausgabe der ‚Emancipation of the 24th Century’ in meinen Händen und es ist ein verdammt gutes Gefühl zu wissen, dass hier in den letzten Tagen Recht geschaffen wurde...auf die eine oder andere Weise! Die Generalüberholung der Monitor verlief des Weiteren planmäßig, ansonsten gab es keine besonderen Vorkommnisse. Logbuch Ende.


    Ungefragt betrat Matt den Bereitschaftsraum, knallte Lewinski mehrere Padds auf den Schreibtisch und erwartete stillschweigend dessen Reaktion, die er prompt zu spüren bekam.

    „Können Sie mir mal verraten, was dieser Auftritt hier soll?!“

    Wütend teilte der Halbbetazoid dem Kanadier mit, was Erdal ihm mittels Empathie verständlich gemacht hatte, bevor jener auf den Commander geschossen hatte: „Es war Jellico, er ist unser Auftraggeber!“

    Angesichts dieser Worte blickte John betreten an Price vorbei. Sie hatten sich also das letzte Jahr nicht in dem Chefverschwörer von Sektion 31 getäuscht. Er war nicht zum Guten bekehrt worden, sondern strebte mehr denn je nach Macht. Und schreckte dabei nicht einmal vor Mord an Captain Lewinski zurück. John war sich sicher: eine neue Runde in dem Zweikampf hatte begonnen…

    Ende



    BESTIMMUNG
    based upon "STAR TREK" created by GENE RODDENBERRY
    produced for TREKNews NETWORK
    created by NADIR ATTAR
    executive producer NADIR ATTAR
    co-executice producer CHRISTIAN GAUS & SEBASTIAN OSTSIEKER
    producer SEBASTIAN HUNDT
    lektor OLIVER DÖRING
    staff writers THOMAS RAKEBRAND & JÖRG GRAMPP and OLIVER-DANIEL KRONBERGER
    written by THOMAS RAKEBRAND
    TM & Copyright © 2005 by TREKNews Network. All Rights Reserved.
    "STAR TREK" is a registered trademark and related marks are trademarks of PARAMOUNT PICTURES
    This is a FanFiction-Story for fans. We do not get money for our work!

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    Quelle: treknews.de
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    • Hallo Gast - Aufgrund des vielen Spams müssen leider ein paar Fragen beantwortet werden.

      Bitte der Reihe nach durchführen, sonst kann das Captcha nicht erfolgreich abgeschlossen werden...
      Schritt 1: Wenn Picard ein Captain ist, sollte hier ein Haken rein...
      Schritt 2: und wenn es in der Nacht nicht hell ist, sollte hier der Haken raus!
      Schritt 3:

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