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...mit dem fantastischen Stempel der guten Laune
  • Voyager9 - 9x15: Flüchtlinge

    Teil 1
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    • TheOssi
    Die Voyager stößt auf einen Planeten, auf dem sich überlebenden Borg angesiedelt haben und damit beginnen Städte und eine eigene Kultur aufzubauen. Doch die Borg, die nun friedliche Absichten haben, werden von anderen Völkern gejagt, da sie als die Erzfeinde schlechthin angesehen werden. Janeway empfindet plötzlich Mitleid mit den Borg und will ihnen helfen, doch da sie einen Krieg mit einigen, an den Angriffen auf die Borg beteiligten Völkern verursachen könnte, ruft die Sternenflotte sie zurück...

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    Für besseres Verständnis lesen Sie bitte auch diese Episoden:

    9x01 - "Showdown: Dunkle Alliierte"


    9x06 - "Geplante Vernichtung"


    9x07 - "Geplante Vernichtung II"



    Helle Energieblitze zuckten durchs All. Kleine Raumschiffe rasten um eine schwarze Kugel herum, die mit hoher Geschwindigkeit einen Planeten ansteuerte.
    Und sie zerstörten. Erstmalig hatten einfache Phaser die Fähigkeit, den unbesiegbaren Feind zu verletzen. Widerstand war unzweckloser denn je.
    Weitere Strahlen entluden ihre destruktive Energie auf den dunklen, stellenweise grün leuchtenden Metalloberflächen.
    Zum ersten Mal seit der Entstehung der widerlichen Maschinenwesen vor über neunhundert Jahren, gelang es ihren Feinden, ihre Wut und ihre Rachelust an ihnen auszulassen. Dieses Mal würden die primitiven und einfachen Humanoiden, geleitet von ihren barbarischen Emotionen, siegen. Sie würden siegen über die Ignoranz, die Intoleranz und die Erbarmungslosigkeit der einstigen Eroberer.
    Die gesamte Galaxie hatte aufgeatmet, als sich die Nachricht von der glorreichen Zerstörung der Borg verbreitet hatte. Völker, die am Rande des Aussterbens standen, hatten neuen Mut gefasst. Familien oder ähnliche Verbindungen fühlten, dass ihre assimilierten Familienangehörigen gerächt worden waren. Die ganze Galaxis feierte eine Außerirdische namens Janeway. Sie war der Heiland, die Retterin, die Rächerin. Und alle wussten, dass sie auch die letzten Borg, die noch lebten, vernichten würde.
    Die Borgsphäre sah so oder so schon sehr mitgenommen aus. Doch das Bombardement der vielen kleinen Schiffe würde die Kugel zerstören. Das war ziemlich sicher.

    „Schießen Sie zurück!“
    Wilde Lichter durchzuckten die metallenen Gänge der Borgsphäre. Ein Mann schrie Befehle durch die Gegend. Doch manche hatten Probleme, sie wahrzunehmen. Einer der ehemaligen Maschinenwesen hatte ein Ohr verloren, an dem anderen waren noch Armaturen befestigt.
    Nicht nur in den verstümmelten Körpern der Ex-Borg spiegelte sich das Chaos wieder, das das Kollektiv nach der Vernichtung durch Captain Kathryn Janeway, weiblich, Mensch, humanoid, Standort: Voyager, Resistenzfaktor: hoch... nein! Irrelevant... vom Chaos ergriffen hatte.
    Viele Borgschiffe konnten der Armada der Sternenflotte einst entkommen, doch viele schafften den Weg zum Fluchtplaneten, zum Exil der Verdammten, nicht. Zu groß war die Verwirrung, die die Vernichtung des Unikomplex’, die Auslöschung der vielen und beruhigenden, leitenden Stimmen verursacht hatte.
    Und nun, umgeben von so vielen Völkern, die in den Borg immer noch einen Erzfeind sahen, waren die Überlebenschancen sehr gering.
    Dabei hatten die restlichen Borg doch nur einen Wunsch: Sie wollten das werden, was sie einst waren: Humanoide. Sie wollten ein eigenes Volk werden. Doch man ließ sie nicht. Die Barriere des Hasses war zu hoch. Das alte Feindbild eines Feindes, der gar nicht mehr existierte, wollte nicht aus den Köpfen der Angreifer verschwinden.

    ***


    „Du könntest dich auch mal wieder mehr um mich und Thomas kümmern...“
    Chakotay nickte geistesabwesend, gab ihr einen Kuss auf die Backe und verabschiedete sich. Seine Nachtschicht begann in zwei Minuten und einundzwanzig Sekunden, wie seine Frau ihm gerade mitgeteilt hatte und ihn trotzdem noch mit unzähligen Dingen konfrontierte, so spät in der Nacht. Auch wenn es an Bord von Raumschiffen nur einen förmlichen Unterschied von Tag und Nacht gab, so gab es ihn. Nachts wurde das Licht zum Beispiel gedämpft. Aber an Bord von Raumschiffen der Sternenflotte musste man sich daran gewöhnen, auch mal nachts für den Dienst eingeteilt zu werden.
    „Würde ich ja gerne, aber: Zeit ist Geld...“, erwiderte Chakotay. Er liebte seinen Sohn, aber leider war er als Erster Offizier ein wenig beschäftigter als andere.
    Annika hob die Augenbraue, an der früher einmal das Okularimplantat gesessen hatte. „Geld?“ fragte sie sich laut und sprach damit ihre Gedanken aus, nachdem ihr Mann das gemeinsame Quartier verlassen hatte.
    Sie dachte eigentlich, dass Geld im vierundzwanzigsten Jahrhundert keine Bedeutung mehr hatte. Doch nicht nur mit diesem Sprichwort hatte sie Probleme. „Uns sind die Hände gebunden!“ war eines der besten Beispiele. Annika verstand zwar, was man damit auszudrücken bezweckte, aber letztendlich machte der Spruch keinen Sinn: Man sieht sich mit einer Situation, in der man nichts unternehmen kann, konfrontiert, sagt den Spruch, aber die Hände sind völlig frei.
    Noch unverständlicher war für sie die Redewendung „Wenn man vom Teufel spricht!“. Die Menschheit hatte vor Jahrhunderten den Glauben an Himmel und Hölle, Engel und Teufel, weitestgehend abgelegt und doch nahm man immer wieder Bezug auf ihn, wie zum Beispiel bei „Zum Teufel noch mal!“. Und vor allem: Warum deklarierte man eine Person, über die man gerade gesprochen hatte und die plötzlich erschien, als Teufel? Es war doch unlogisch, dass wenn zum Beispiel eine Person A mit einer Person B über eine Person C sprach, und dann diese Person C zu sehen war im direkten Anschluss an das Gespräch, sie sich plötzlich in einen Teufel verwandelte. Warum zum Teufel noch mal? Oh, nein. Ihre Assimilierung an die Gewohnheiten der Menschen wurde mit jedem Tag stärker.
    Noch unverständlicher schien ihr die Formulierung „jemanden auf den Arm nehmen“. Sie hatte bereits einige Lehrbücher und sogar den sich an Bord befindlichen Sprachwissenschaftler konsultiert gehabt, aber keine Erklärung für diesen seltsamen Spruch gefunden.
    Allerdings hatte all das auch seine Vorteile: Dass sie die Sprüche mit ihren unlogischen Inhalten nicht verstand, zeugte von ihrer höheren Intelligenz. Sie war Menschen immer noch überlegen, obwohl sie selber einer war.

    COMPUTERLOGBUCH DER VOYAGER
    CAPTAIN JANEWAY
    STERNZEIT 56416,1
    Die Untersuchungen bezüglich der Vernichtung des Borg-Kollektives werden morgen abgeschlossen. Vier Tage haben Sternenflotteninspekteure die Computerkerne meines Schiffes auseinander genommen, um jedes Bit an Aufzeichnungen über die Ereignisse bei Sternzeit 56200,2 analysieren zu können.


    Ein paar Monate war es erst her, doch trotzdem plagten die Kommandantin noch immer Albträume: ein brüllender Borg, löwenartig und brutal. Er agierte nicht wie ein Computer und war voller Rache und übertriebenem Zorn. Auch die Borg-Königin hatte Gefühle gezeigt, doch sie war unberechenbar gewesen. Das letzte Borgoberhaupt jedoch war anders gewesen. Es wusste, dass die Menschheit hartnäckig war, dass sie nicht so leicht zu besiegen war, wie das Kollektiv es immer gedacht hatte. Das Borgoberhaupt wusste, dass man den Feinden des Kollektivs – was soviel bedeutete wie alles, was nicht maschinell oder wenigstens halb künstlich war – nur mit bloßer Gewalt und Erbarmungslosigkeit begegnen konnte.
    Captain Jean-Luc Picard, nach wie vor ein Vorbild für sie, hatte die sturen und unbesiegbaren Borg kennen gelernt. Und sie? Welche Art von Borg hatte sie kennen gelernt? Durch Annika hatte sie ein anderes Kollektiv kennen gelernt. Annika, damals noch Seven, hatte ihr dazu verholfen, den Borg mit mehr Selbstbewusstsein zu begegnen. Sie, Kathryn Janeway, war in diesem Punkt Vorbild für den legendären Picard. Die Kommandantin der Voyager hatte die Borg nicht als Bedrohung, sondern immerzu als lästigen Widersacher angesehen, der eine Gefahr war und doch besiegt werden konnte. Im Delta-Quadranten hatte sie die Schwächen des Kollektives erkannt: „Unimatrix Zero“, ihr Fehler, Spezies 8472 anzugreifen und so viel mehr.
    Im Alpha-Quadranten hingegen hatte man die Existenz der Borg immer nur in Gestalt eines Schiffes erfahren. Die Sternenflottenbefehlshaber hatten sich immer vorgestellt, dass es einen riesigen Bienenschwarm gab.
    Janeway hingegen hatte begriffen: Es handelte sich nur um einen Schwarm von stachellosen Fliegen. Groß, keine Frage; aber besiegbar. Ihr Kollektivismus war ihre Schwäche.
    Genau das hatte sie kaltblütig ausgenutzt. Doch als das neue Borgoberhaupt sie und die Voyager gefangen genommen hatte, da wusste sie, als der Atem dieses Wesens ihr durch das Gesicht fuhr, dass sie mit dieser neuen Art von Borg, die Rachelust empfanden, nicht mehr so einfach umgehen könnte.
    War das vielleicht der Grund gewesen, aus dem sie die Borg vernichtet hatte? War das die Ursache, dafür gewesen, dass sie ihre starken ethischen Prinzipien über den Haufen geworfen und sich in eine Massenmörderin verwandelt hatte? Hatte sie das Recht gehabt, die Borg wie Maschinen zu deaktivieren? Hatte sie das Recht gehabt, den Funken Individualismus in den Borg zu ignorieren? Hatte sie das Recht gehabt, die Frage, ob die Borg Lebewesen oder Maschinen gewesen waren, zu verdrängen?
    „Computer, Logbucheintrag fortsetzen!“ befahl Janeway. Es hatte keinen Sinn, zum x-ten Male über diese Fragen nachzudenken. Sie tat es immer, bei jeder Entscheidung. Sei es, welche Farbe ihr Kaffee haben sollte, ob er heiß oder kalt sein sollte, ob er mit einem oder zwei Teelöffeln Zucker repliziert werden sollte. Sie musste nicht mehr von irgendjemandem bestraft werden. Ihre eigene Reue war Strafe genug. Oder Strafe zuviel?
    Und schon wieder tat sie es. Sie redete sich ein, dass es ja Chakotays Schuld gewesen war, dass er die Revolte gegen die Borg gestartet hatte, dass sein Finger den Abzug der Vernichtung umschlossen gehalten hatte. Er hatte die vielen mächtigen Feinde der Borg, ihre eigenen Fehler, zusammengeschlossen gehabt und sie gegen die Borg eingesetzt. Nur um ein Schiff zu retten. Ein Schiff von den Millionen oder Milliarden anderen, die die Borg assimiliert hatten.
    „Befehl kann ... ni... cht... aus... ge... führt... szhhhhhhhhhh...“ Das war alles, was vom Computer noch kam.
    „Muss ich mein Logbuch jetzt handschriftlich führen?“ fragte sich Janeway sarkastisch. „Janeway an Barclay!”
    “Hier Barclay!“ schrie der Chefingenieur. Er schien außer Atem zu sein, während im Hintergrund etwas laut krachte.
    „Äh... Störe ich sie, Commander?“
    „Nein, nein... Nichts für u-ungut... Verdammt! Ah!“ Barclay schien gerade sehr aufgeregt zu sein.
    „Haben Sie sich weh getan?“ fragte Janeway ernsthaft besorgt.
    „Nein, es geht schon...“
    „Ich wollte nur fragen“, fuhr Janeway fort, „warum der Computer derartig langsam ist. Als ich vorhin versucht habe, einen Text zu öffnen, hat der Computer etwa fünf Minuten gebraucht und eben...“
    „Ja, ja... Am besten kommen sie hier mal herunter in den Hauptcomputerkern“, und leise fügte de Chefingenieur hinzu „Wenn ich diese Idioten in die Finger kriege, werde ich jedem einzelnen mit einem Plasmabrenner ihre unnützen Finger abschneiden!“ Damit endete die Verbindung.
    Neugierig verließ Janeway ihr Büro.

    Reginald Barclay ging hektisch durch die engen Korridore des Hauptcomputerkerns, einer zylinderförmigen, über mehrere Decks sich erstreckende Einrichtung, in der alle Daten gespeichert sind, die die Föderation und im Laufe der zwei Jahrhunderte, die sie bereits existierte, gesammelt hatte. Und natürlich alle privaten Dateien.
    „Ich fasse es nicht! Alles auseinander genommen! Wir müssen den gesamten Speicherkern defragmentieren. Wenn nicht sogar komplett löschen und alle Daten neu aufspielen! Ich kriege noch die Krise!“
    „Aber die Inspekteure haben doch nur ein paar Bereiche entfernt und wieder eingesetzt...“ Janeway konnte verstehen, dass ihr Chefingenieur ein wenig verärgert war, aber einen derartigen Einsatz hatte sie nicht erwartet. „Sie tun ja gerade so, als würde das Schiff kurz vor einem Warpkernbruch stehen!“
    Barclay gestikulierte wild mit seinen Händen. „Es mag sein, dass ich ein wenig übertreibe, aber nichtsdestotrotz... Diese ,paar’ Bereiche waren zufällig gerade die Bereiche, die mit den Sensorsystemen verbunden sind. Da die Sensorsysteme wieder mit allen Terminalbetriebsystemen verbunden sind, ist ein absolutes Chaos entstanden. Sie müssen nur einen Buchstaben, der als Datei gespeichert ist, aufrufen und müssen möglicherweise zehn Minuten warten. Wenigstens die Brücken- und Maschinenraumterminals konnte ich so konfigurieren, dass sie schneller arbeiten. Wenn Sie mich fragen, Captain, dann haben die mehr als nur die Logbuchaufzeichnungen durchsucht. Beispielsweise fehlt ein ganzer Datensatz im Bereich der persönlichen Logbücher. Was auch immer die gesucht haben: Es war mehr als das, was sie uns erzählt haben.“ Er schien sich zu konzentrieren, ehe er das nächste Wort aussprach. Wenn er gereizt war, neigte er des Öfteren immer noch dazu, sich zu versprechen.
    „Merkwürdig. - Wie lange brauchen Sie?“
    „Zu lange, sicherlich drei Tage, bis hier überhaupt noch was läuft. So lange würde ich empfehlen, dass man über PADDs Zugriff auf den Hauptcomputer nimmt. Sonst wird der Betrieb an Bord in wenigen Stunden zusammenbrechen!“
    „Wie Sie meinen. Ich werde das veranlassen.“
    „Gut. Captain, ich hätte noch eine Bitte...“, hakte Barclay noch einmal nach.
    „Ja?“ Janeway stoppte und drehte sich in dem engen Gang noch einmal um.
    „Ich hätte gerne ein wenig Urlaub.“
    Janeway sah ihn grinsend an. „Urlaub! Haha... Nun ja, wenn es sein muss...“
    „Es muss nicht sein, aber... ich... ich plane mit Lieutenant Kim ein Holodeckprogramm zu schreiben oder besser gesagt fortzusetzen...“
    „So. Von was handelt es?“ Janeway zeigte ernstes Interesse.
    „Es ist ein Programm, das Lieutenant Paris geschrieben hatte.“ ,Muss er Paris erwähnen?’ fragte sich Janeway. Sie musste ihn unbedingt mal wieder kontaktieren. Das vergaß sie sehr oft. Oh nein! Hatte Miral nicht in fünf Monaten Geburtstag?
    Reg fuhr fort: „Das Programm heißt ,Titanic’ und handelt von diesem Schiff!“
    „Ist es nicht gesunken?“
    „Ja, genau, das ist es ja. Also, das Programm soll den Benutzer eine Reise in der Titanic bis zum Untergang gewähren.“
    „Auf einem alten Kreuzfahrtschiff?“
    „Ja!“
    „Das untergeht?“
    „Ja“, bestätigte Barclay.
    „Ist das nicht ein wenig... unmoralisch. Den Untergang eines Schiffes nachzuspielen, bei dem so viele Menschen umkamen?“
    „Nun ja, es ist nun mal Lieutenant Paris’ Idee gewesen...“ redete sich der Chefingenieur heraus. Zu mindestens versuchte er es. „Außerdem sind es ja keine Menschen, sondern Hologramme...“
    „Ist das ein Grund zuzusehen?“ Janeway hatte in der Tat Bedenken. Ihrer Meinung nach sollte man so etwas nicht nachspielen. Ein Ereignis, bei dem so viele Menschen ihr Leben lassen mussten, wegen des völlig unbegründeten, übersteigerten Vertrauens in die damalige Technik. „Sind Hologramme, die wie Menschen aussehen, nicht trotzdem Menschen?“
    „Captain, es war ja nur eine Bitte... es muss ja nicht sein.“ Barclay war das Ganze ziemlich unangenehm.
    „Na ja, ich will ja nicht so sein. Sie können von mir aus mit den vier Tagen Landurlaub, die die Crew wahrscheinlich in ein bis zwei Wochen erhält, anstellen, was sie wollen!“
    „Oh, Danke, Captain...“ Barclay war unverständlicherweise verlegen.
    “Wieso danken Sie mir? Die Woche ist schließlich für alle gedacht, nicht nur für Sie und Lieutenant Kim! Ach, und noch etwas: Ich möchte nicht, dass Sie wieder in Holosucht verfallen... Oh, jetzt habe ich was verraten...“ Die Kommandantin würde am liebsten im Boden versinken oder durch ein plötzliches Leck ins All gesogen werden. Barclay sollte nicht erfahren, dass sie vor seinem Antritt seine Personalakte fast auswendig gelernt und Commander Troi von der Enterprise kontaktiert hatte.
    „Wo-woher wissen Sie davon?“
    „Sie glauben doch nicht, ich habe mich nicht über Sie informiert, bevor Sie an Bord kamen... Ihre Personalakte war so vorbildlich, dass ich mehr Informationen haben wollte...“ Das „Vorbildlich“ war gelogen, das wusste Janeway. „Counsellor Troi war sehr gesprächig...“
    „Was? Sie hat es Ihnen verraten? Aber was ist denn mit der Schweigepflicht?“
    Janeway schmunzelte geheimnisvoll. „Captain zu sein hat seine Vorzüge...“
    ,Captain’ dachte Barclay. ,Dann brauche ich nur noch zwei Beförderungen...’ Er wollte zu gerne etwas über Tema´na wissen.

    Janeway betrat die Krankenstation, nachdem sie eine halbe Minute vor den Türen warten musste. Auf diesem Deck war das Computerproblem besonders schlimm.
    „Doktor?“ rief Janeway.
    Plötzlich hörte sie Gesang. „Heal the world makin’ a better place for you and for me and the entire human race, there are people dying. And if we care enough for the living, let’s make a better play for you and for me… And the dreams we were conceived in will…”
    Janeway stand bereits vor dem Doktor und bat ihn zum vierten Mal, endlich mit dem Singen aufzuhören. „Doktor!“
    Endlich reagierte er. „Haaaaloooo, Caäääääptaääääin. Iiiiiiiich haaaaaaaaaa...“
    Zweifellos hatten sich die Computerprobleme auch auf den Doktor ausgewirkt und so nahm Janeway kurzerhand den Mobilen Emitter des Doktors von dessen Schreibtisch und befestigte ihn an dessen linken Oberarm.
    „...be nur versucht meine Stimmprozessoren wieder zu stimmen. Durch diesen Defekt im Computersystem wurde mein Kurs im Balladengesang unterbrochen. Kennen Sie das Lied, das ich gerade sang?“
    Endlich sprach der Doktor wieder normal. Oder auch leider. „Es scheint mir kein Bach oder Beethoven zu sein.“
    „Oh“, der Doktor schien über eine derartige Unwissenheit sich zu amüsieren, „nein, gewiss nicht. Es handelt sich um Michael Jackson. Er war einer der größten und vielleicht exzentrischsten Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts. Seine Kompositionen sind außergewöhnlich. Wissen Sie nicht? Er war es doch, der 2011...“
    „Nein, ich weiß es nicht, Doktor! Außerdem denke ich, dass sie lieber arbeiten als singen sollten. Stellen Sie sich mal vor, alle an Bord würden das machen!“
    Der Doktor hob den Kopf. „Das wäre - wie Seven einst gesagt hätte – sehr ineffizient.“
    „Ja, ganz genau. – Doktor, ich wollte mit Ihnen über etwas sprechen, und zwar ob Sie zufälligerweise irgendetwas Merkwürdiges beobachtet haben, als diese Sternenflotteninspekteure hier waren. Ich meine, Sie sind doch mit dem gesamten Computersystem vernetzt und ... haben Sie irgendwas bemerkt, dass Ihnen merkwürdig vorkam?“
    Das Hologramm runzelte die Stirn. „Nein... nein, eigentlich nicht. Warum fragen Sie?“
    „Nun ja, diese Inspekteure haben mehr durchsucht, als sie behauptet haben. Äh... Es ist auch egal. Na dann, stimmen Sie mal ihre Stimme schön!“
    Daraufhin verließ die Kommandantin das Reich des Doktors, der sich fragte, was Janeways letzte Frage zu bedeuten hatte.

    „Einen wunderschönen guten Morgen!“ begrüßte Chakotay seine Vorgesetzte.
    Tema´na verzog das Gesicht, als Chakotay Janeway begrüßte. Sie konnte den Ersten Offizier sowieso nicht leiden, alleine schon wegen der Schleimspur, die er wie eine romulanische Gitongaschnecke hinter sich herzog. Okay, Gitongaschnecken waren nur einen halben Meter groß, aber sonst hatte der Commander eine unwahrscheinliche Ähnlichkeit mit diesen Biestern.
    „Guten Morgen, Chakotay. – Und? Gibt es was Besonderes?“ erkundigte sich der Captain.
    Chakotay schien es eilig zu haben. „Nein, nichts. Wir sind lediglich an einem uninteressanten Sternencluster vorbeigeflogen, den bereits Captain James T. Kirk kartografiert und erkundet hat und haben einem andorianischen Frachter geholfen, der ein Deuteriumleck hatte. Uns war das aufgefallen, als wir plötzlich in eine Deuteriumwolke geflogen sind. Sonst ist nichts passiert. Kann ich jetzt gehen?“
    „Immer mit der Ruhe. Wo brennt’s denn?“
    „In meinem Quartier. Annika will, dass ich mich um unseren Sohn kümmere.“
    „Ein verständlicher Wunsch“, kommentierte Janeway. „Erinnern Sie sie bitte an ihren Dienst auf der Brücke. Und grüßen Sie Thomas!“ rief die Kommandantin ihrem Ersten Offizier noch hinterher.
    „Ich versuche es, vielleicht versteht er es ja!“
    Janeway grinste. Thomas... Thomas... Eugine Paris. Sie musste ihm ja noch schreiben. Fast hätte sie sich auf den Weg in ihr Büro gemacht, da hatte Harry aber schon etwas zu berichten: „Captain, wir empfangen ... einen... Ich denke, es ist ein Notruf. – Ach, jetzt mach schon... Wann hat Barclay dieses Computerproblem endlich behoben? – Ah, da sind mehr Daten... Aber...“
    Harry machte ein verdutztes Gesicht.
    „Was ist?“
    Harrys Gesichtsausdruck änderte sich nicht. „Es ist ein Notruf der... der Borg...“
    Nach diesen Worten setzte bei Janeway eine Reflexreaktion ein. Binnen weniger Sekunden gab sie so viele Befehle, wie noch nie zuvor auf einmal. „Roter Alarm! Alle Mann auf die Kampfstationen! Ursprung des Signals orten und dann Kurs eingeben! Harry, spielen Sie es ab! Commander Chakotay auf die Brücke! Crewman Hansen auf die Brücke! Alle Anti-Borg-Waffensysteme laden! Sofortigen Bericht an die Sternenflotte!“
    Janeway war völlig außer Atem. Aber nicht nur wegen den vielen Befehlen, die die Kommandantin in einem Atemzug ausgesprochen hatte, sondern aus Furcht. Die Borg! Die BORG! Konnte das sein? Hatten doch Borg überlebt? Und warum sendeten sie einen Notruf? Hatte sich das Kollektiv wieder ordnen können? Bestand eine Invasion des Föderationsraumes bevor? War es wieder eine Falle für die verhasste Voyager?
    „Der Notruf scheint aus einem System in dem Sternencluster zu stammen!“
    „Gut: Tema´na setzten Sie einen Kurs!“ befahl Janeway der Romulanerin.
    Da erschien Chakotay im Turbolift und rannte sofort zu seinem Platz. „Was ist los? Ich war noch nicht einmal in meinem Quartier, da ging der Alarm los...“
    „Sie werden es nicht glauben, Chakotay, und ich tu es auch nicht. Wir haben uns schon wieder geirrt: Die Borg... sie leben!“
    „Was?!“ fragte Chakotay entgeistert.
    „Wir haben einen Notruf aus dem ,uninteressanten’ Sternencluster bekommen“, erklärte Janeway.
    „Von den Borg oder von irgendjemandem, der von den Borg angegriffen wird?“
    „Von den Borg“, antwortete der Captain, „und ich weiß leider nicht, ob ich das für Gut oder Schlecht halten soll.“
    „Das letzte Mal war es auch so eine Art Notruf...“
    „Sagen Sie ihrer Frau bitte gleich, dass sie keine Dateien öffnen soll, die wir empfangen!“
    Chakotay und Janeway waren beide besorgt und mit ihnen die gesamte Crew auf der Brücke. „Sind Sie sicher, dass wir dort hin fliegen sollen?“
    „Es ist ein Notruf“, begründete Janeway, „und wir sind als Sternenflottenschiff gezwungen, auf Notrufe zu antworten. Und ihnen zu folgen...“
    „Ja, aber das kann man auch schamlos ausnutzen!“ entgegnete Janeways Erster Offizier.
    Ehe sie etwas erwidern konnte, meldete Harry, dass er den Notruf nun in Englisch aufgefangen habe. „Ich spiele den Notruf nun in unserer Sprache ab!“
    Das gaben die Lautsprecher wider: „Wir befinden uns in Gefahr... Wir werden angegriffen... Bitte helfen sie uns...“
    „Sie benutzen das ,Wir’. Ich denke, es ist tatsächlich das Kollektiv.“
    Harry wollte ebenfalls einen Kommentar abgeben: „Oder es sind Borg, die ohne das Kollektiv leben. Schließlich hat die Sternenflotte auch so etwas vermutet...“
    Janeway schien das zu überzeugen. „Ja, das stimmt, Harry! Vielleicht haben einige Borg den Zusammenbruch des Kollektives doch überlebt. Ja, vielleicht!“
    Chakotay schüttelte den Kopf. „Das kann ich mir nicht vorstellen! Borg sterben nach der Trennung vom Hive-Bewusstsein!“
    Annika kam herein. „Und ich?“
    Chakotay drehte sich um und sein Gesicht nahm die Farbe des derzeitigen Alarmstatus’ an, während Annika zu ihrer Station über Chakotay und Janeway ging.
    „Haben Sie sich schon informiert?“ fragte Janeway.
    „Ja, das habe ich. – Chakotay“, sie beugte sich zu ihrem Mann herunter, „Thomas ist beim Doktor!“
    „In Ordnung...“
    Der Captain unterbrach die Privatgespräche. „Sie haben Recht, Annika, aber sie haben Hilfe bekommen. Die Borg, die überlebten, sicherlich nicht.“
    „Das ist korrekt.“
    Nun herrschte Stille. Nur eines konnte Janeway neben dem Brummen der Maschinen und dem nervösen Getuschel einiger Offiziere hören: ihren Puls. Er raste mit Warp Zehn, den Eindruck hatte sie zu mindestens. „Tema´na, wie lange noch?“
    „Etwa fünf Minuten noch, Ma´am!“ berichtete Tema´na.
    Das würden die schlimmsten fünf Minute ihres Lebens werden, dachte der Captain. Wie oft schon hatte sie diese Worte in Gedanken gesprochen und wie oft kam es immer wieder noch schlimmer, als sie es sich in dem Moment, in dem sie das dachte, erträumen konnte. Wo sollte das noch enden?
    „Captain, wir werden gerufen!“ unterbrach Harry Janeways Gedanken.
    „Von wem?“
    „Von einem Frachtschiff, das nun neben uns fliegt.“
    „Wie schnell sind wir denn?“
    „Momentan Warp 7“, beantwortete Tema´na die Frage ihrer Vorgesetzten.
    „Eine ungewöhnlich hohe Geschwindigkeit für einen Frachter“, kommentierte Tuvok. „Und sie scheinen auch sehr stark bewaffnet zu sein.“
    „Das mag sein. – Auf den Schirm“, befahl Janeway.
    Ein älterer Mensch, offenbar asiatischer Herkunft, erschien auf dem Bildschirm. „Seien Sie gegrüßt. Wer sind Sie?“
    „Mein Name ist Captain Kathryn Janeway vom Föderationsraum...“
    Der Fremde unterbrach sie. „Janeway. Die Erlöserin?“
    „Die Erlöserin“ blickte ihren Ersten Offizier verwundert an, dann wieder zum Hauptschirm.
    „Wie bitte?“
    „Janeway, die Erlöserin! Sie haben die Borg vernichtet und nun kommen Sie, um auch die letzten von ihnen zu eliminieren...“
    „Mal sehen... Wer sind Sie?“ wollte Janeway wissen.
    „Mein Name ist Pavel Sulu. Meine Eltern waren Kolonisten, die Captain Kirk mit der Enterprise einst hier her brachte. Ich bin der Anführer der Anti-Borg-Vereinigung. Das ist ein Zusammenschluss von mehreren Kolonien und Völkern in diesem Sternencluster. Werden Sie sich uns anschließen?“
    „Ich glaube vorerst nicht. - Wir haben einen Notruf eines Borgschiffes empfangen und...“
    Janeway wurde von Pavel Sulu unterbrochen: „Zeigen Sie kein Erbarmen, Captain Janeway! Diese Borg sind böse! Sie geben vor, friedlich zu sein. Aber doch feuern Sie auf uns!“
    „Sie geben vor friedlich zu sein?“ mischte sich Annika ein, „Und doch feuern Sie auf sie?“
    Sulu brüstete sich auf. „Sie sind Borg. Sie sind die Nemesis, das Ungeheuer. Wir müssen sie vernichten. Genau wie Sie es taten, Captain Janeway. Wir müssen Sie befreien. Befreien von ihren Maschinenteilen und ihrem Sklavendasein, ehe sie sich wieder neu formieren können und die Galaxie assimilieren.“
    „Das wird so schnell nicht geschehen. Mister Sulu, ich wüsste gerne, wie Ihr Schiff so schnell sein kann. Ein normaler Frachter dieser alten Bauart sollte nicht so schnell fliegen können.“
    „Ha! Wir haben den Antrieb den Borg geraubt. Wir haben ein Schiff von Ihnen kampfunfähig schießen können und es ausgeraubt und alle Borg eliminiert! Sind Sie stolz auf uns, Janeway?“
    Harry mischte sich im richtigen Augenblick, ehe Janeway eine Antwort geben konnte. „Captain, dieses Notsignal stammt nicht von einem Schiff, es stammt von einem Planeten! – Und es ist offenbar direkt an uns gerichtet gewesen!“
    „Direkt an Sie, an die Erlöserin?“
    Janeway begutachtete Sulu nur mit einem genervten Blick und drehte sich dann zu Harry um. „Sind Sie sicher?“
    „Ja!“
    „Warum hat das so lange gedauert? – Ach so“, Janeway wartete die Antwort gar nicht ab, „sagen Sie nichts: weil unser Computer so langsam ist...“ Sie wandte sich wieder Sulu zu, der jeden Augenblick vor Janeway auf die Knie fallen zu wollen schien und eine Art Anbetungsposition einnahm. „Hören Sie, Mister Sulu. Ich bin nicht die Erlöserin und auch keine Heldin oder Kriegerin. Ich bin in friedlicher Mission unterwegs und habe nicht vor, hier und jetzt eine Schlacht gegen die Borg zu beginnen, die so oder so aussichtslos wäre. Ich werde es mit Diplomatie und Nachforschungen versuchen.“
    „Aber die Borg empfinden Rache. Das sagt man zu mindestens so. Und dann werden sie die Ersten sein, die Ihr Schiff, Captain Janeway, angreifen. Wie sagt man auf der Erde? ,Angriff ist die beste Verteidigung!’... Handeln Sie besser so!“
    „Und was ist, wenn es gar nichts zu verteidigen gibt? Was ist, wenn diese Borg wirklich friedlich und verwirrt sind?“
    „Borg sind Borg, Captain. Und die neuen Borg sind hinterlistiger denn je. Hüten Sie sich vor der Nemesis, Captain Janeway. Denn Sie sind die Nemesis der Nemesis.“ Mit diesen Worten wurde der Bildschirm dunkel.
    „Was meinen Sie?“ flüsterte Janeway Chakotay zu.
    „Ich weiß es nicht. Es wäre nicht das erste Mal, dass Borg, losgelöst vom Kollektiv, verwirrt sind...“
    „Ja, aber ich will lieber kein Risiko eingehen. Ich denke, wir sollten lieber vorsichtig sein und davon ausgehen, dass dies eine Falle ist. Denn wenn Insekten sich eingeengt fühlen, stechen sie erst recht...“, entgegnete Janeway.
    Chakotay nickte zustimmend.
    „Harry“, rief Janeway ihrem Kommunikationsoffizier entgegen, „rufen Sie den Frachter und fragen Sie diesen Mister Sulu, ob er uns bei der ,Verteidigung’ helfen möchte.“
    „Es ist bestimmt eine Ehre für ihn!“ kommentierte Chakotay voller Sarkasmus. Ihm war es schleierhaft, wieso Janeway offensichtlich als Heldin verehrt wurde. Hatte sich die Nachricht von der Zerstörung der Borg so weit verbreitet?

    Wenige Augenblicke später verließ die Voyager zusammen mit dem Frachter den Warp und näherte sich im Schein einer gelben Sonne einem Planeten mit einer orange leuchtenden Atmosphäre. Hier und da konnte man aus der Ferne grünlich schimmernde Bereiche und große schwarze Gebilde erkennen. Und die schwarzen Gebilde kamen immer näher und entpuppten sich... als Borgkuben.

    „Wie viele sind es?“ fragte Janeway, die sich von ihrem Kommandosessel erhoben hatte.
    „Vier Borgkuben. Alle stark beschädigt und auf Abfangkurs“, meldete Harry.
    Auf dem Schirm konnte man den Frachter sehen, der mit hoher Geschwindigkeit auf die würfelförmigen Schiffe zuflog. Und zur Überraschung aller auf der Brücke beschädigte der kleine Frachter jedes der Schiffe. Trümmer flogen ins All, grünfarbene Explosionen übersäten die Borgschiffe.
    „Annika?“
    „Das ist unmöglich. Aber die Tatsache, dass wir es sehen, macht es möglich.“
    „Wie poetisch“, amüsierte sich Janeway trotz der brisanten Lage, „Aber wie kann es sein, dass ein kleiner Frachter es schafft, vier Borgkuben zu beschädigen?“
    Annika studierte aufmerksam und schnell die Anzeigen, die viel zu langsam auf ihrer Konsole aufleuchteten. „Offenbar können sich die Borg nicht an die Waffensysteme des Schiffes anpassen.“
    „Captain, ich empfange eine Nachricht von dem Frachter...“, unterbrach Harry.
    „Haha! Captain Janeway, mit ihrem Segen vernichten wir die Borg! Auf in den Kampf!“ ertönte es aus den Lautsprechern.
    „Ich kann das bald nicht mehr hören. Als ob ich ein Gott wäre“, regte sich die Kommandantin der Voyager auf.
    „Ich habe den Eindruck diese Kolonisten sind ein wenig zurückgeblieben.“
    „Ja, das glaube ich auch“, stimmte Janeway voller Euphorie zu, „Harry, rufen Sie die Borg!“
    „Ma´am...“ der Koreaner zögerte.
    „Tun Sie es!“
    „Aye, Sir. Kanal ist offen!“
    Janeway, die sich zuvor hingesetzt hatte, stand majestätisch wieder auf und näherte sich Tema´na und dem Hauptbildschirm.
    „Hier ist Captain Kathryn Janeway vom Föderationsraumschiff Voyager.“
    Was sollte sie als nächstes sagen? Vielleicht „Was machen Sie hier?“, oder „Wo kommen Sie her?“, oder „Wie konnten Sie die Vernichtung des Kollektives überleben?“ oder einfach nur „Wer sind Sie?“.
    Ihre Frage lautete: „Was suchen Sie hier?“ Ihr hätte auch etwas Besseres einfallen können.
    Ein verrauschtes Geräusch kam als Antwort. Dann war plötzlich eine Stimme zu hören. Doch sie war nicht, wie man es von Borg erwarten könnte, so stark monoton und Furcht einflößend, sondern klang sehr normal. „Voyager! Sie haben unser Signal empfangen?“
    „Ja!“ Mehr brachte der Captain nicht heraus.
    „Gut, folgen Sie uns zu dem Planeten vor Ihnen!“ befahl die Stimme.
    „Wieso sollte ich Ihnen trauen?“
    „Sie werden es... nicht bereuen...“
    Janeway gab Harry ein Zeichen die Verbindung kurz zu unterbrechen, so dass keine Signale zum Borgschiff kommen würden. „Annika, was sollen wir tun?“
    Annika starrte gebannt auf den Hauptschirm, obwohl dort nur die Borgschiffe zu sehen waren. Plötzlich betätigte sie einige Kontrollflächen auf ihrer Konsole. Sie schien völlig losgelöst von der Umgebung, war nicht mehr sie selbst.
    „Was machen sie da?“ fragte Janeway.
    „Ich entzerre die Stimme. Borg haben Stimmprozessoren, die die Frequenz der eigenen Stimme verändern. Dadurch wirken Borgstimmen immer so unheimlich, wie Sie sagen würden. – Es hat geklappt.“
    Erneut erklang der Borg, der nun aber noch normaler klang, fast menschlich. „Gut, folgen Sie uns zu dem Planeten vor Ihnen!“
    Annika spielte die Nachricht noch einmal ab: „Gut, folgen Sie uns zu dem Planeten vor Ihnen!“
    Dann hielt sie inne und sah erst ihren Mann und dann Janeway an, die ihren Blick verwirrt erwiderten. „Captain, das ist die Stimme... meines Vaters...“ . . .

    „Die Stimme Ihres Vaters? Magnus Hansen?“ Das verbesserte weder die Lage noch erleichterte Janeway das Fällen eines Urteils. Wer war hier wirklich die Nemesis? Waren es die Borg oder die Kolonisten und die anderen Völker, die in der Gegend sich niedergelassen hatten?
    Annika nickte langsam. „Ja...“
    „Wenn dein Vater uns ruft und bittet, zu dem Planeten zu fliegen... Ich meine, dann können wir ihm doch trauen, oder?“ Chakotay war ratlos. Konnten sie den Borg trauen? Waren es überhaupt Borg?
    Janeway war skeptisch: „Ich bin mir nicht sicher, ob wir es wirklich können. Vielleicht sind die Borg tatsächlich die ,Bösen’...“
    Die Kommandantin sah Annika an. Ihr Vater war vielleicht einer der wenigen Überlebenden der Borg. Und wenn sie nichts taten, würde er sterben.
    Da fasste die Kommandantin eine Entscheidung. „Tuvok, was meinen Sie?“
    „Wenn ich die persönlichen Aspekte dieser Situation außen vor lasse, denke ich, können wir niemandem trauen oder beiden. Das Verhalten der Borg ist sehr atypisch.“
    „Das war es zuletzt auch, und das Ergebnis war, dass die Voyager assimiliert wurde!“
    Annika war der Schlüssel zu Janeways endgültigem Entschluss. „Captain, bitte...“
    Der Captain ließ ein paar Sekunden verstreichen. Dann kam es aus ihr heraus. „Tuvok, visieren Sie die Waffensysteme des Frachters an. - Ich kann diese Anbeterei von diesem Sulu nicht mehr länger ertragen... – Bereit?“ Tuvok nickte. „Feuer!“
    Tuvok führte den Befehl ohne einen Widerspruch aus, was Janeway schon immer für einen Vorteil gehalten hatte. Harry hatte erst gezögert, als er die Borg rufen sollte, Tuvok hatte aber keine Skrupel, auf den Frachter zu feuern. Es war in der Tat nützlich, an der Position eines taktischen Offiziers einen Vulkanier wie Tuvok sitzen zu haben, der schnell am Drücker war und nicht zögerte.
    „Waffensysteme des Schiffes ausgeschaltet“, meldete er.
    „Sie rufen uns“, gab Harry direkt im Anschluss bekannt.
    „Ich will hier nicht schon wieder einen Gottesdienst abhalten...“
    „Was finden diese Leute so faszinierend an ihrer Person?“
    „Ich kann mir das auch nicht erklären... Nur weil die Voyager die Borg vernichtet haben soll...“
    „Sie hat es...“ warf Chakotay ein.
    Janeway war das ganze in der Tat unerklärlich. Nicht dass sie bescheiden wäre, nein, sie verstand wirklich nicht, wieso die Vernichtung der Borg eine solche Welle der Befreiung in der ganzen Milchstraße ausgelöst haben sollte. Waren die Borg wirklich ein solch schlimmer Feind?
    „Tuvok, zielen Sie auf ihr Kommunikationssystem und setzen sie es außer Funktion!“ befahl Janeway um einem weiteren Kontakt mit dem Frachter aus dem Weg zu gehen.
    „Das Kommunikationssystem wurde getroffen und außer Kraft gesetzt. – Sie fliehen!“
    Janeway und Chakotay seufzten zeitgleich.
    „Tema´na, bringen Sie uns in den Orbit des Planeten!“
    Alle Blicke fixierten sich auf Janeway.
    „Haben Sie nicht verstanden?“
    Tema´na blickte immer düster, aber diesmal wirkte sie eher verunsichert. Ihre romulanische Loyalität war aber wieder einmal stärker und so gab sie den Kurs ein. Einen Kurs in das Zentrum der letzten Borg. In das Zentrum des Feindes... oder neuen Freundes?

    Alle Führungsoffiziere befanden sich im Besprechungsraum. Die Lage war angespannt und doch war es so still, dass man jedes Staubkorn hören konnte, das zu Boden fiel. Nur Janeway hatte das Wort.
    „Ich kann verstehen, wenn Sie alle sich unwohl fühlen, doch uns bleibt nichts anderes übrig. Wir haben zwei Möglichkeiten, nachdem wir erfahren haben, was hier passiert ist: Entweder verlassen wir die Borg oder wir vernichten sie, ehe ein neues Kollektiv entstehen kann.“
    Alle nickten zustimmend und doch waren die Minen noch skeptisch.
    „Tema´na? Was denken Sie?“ Janeway ging um die Sitze der Offiziere herum und blickte dabei die Romulanerin, die nur als Gast zu Besprechungen geladen war, an.
    „Ich bin hier nur Gast, Captain, aber wenn Sie mich fragen, sollten wir jede Möglichkeit nutzen die Borg zu vernichten! Wir können denen nicht trauen!“
    Annika schüttelte den Kopf. „Wollen Sie mich auch vernichten? Nur weil ich einst Borg war?“
    „Das könnte ich mir ja noch überlegen...“, fauchte Tema´na zurück.
    „Das reicht!“ Immer wieder musste Janeway als Schlichterin eingreifen, wenn Tema´na wieder einen Streit an Bord begann. Sie hatte es allmählich satt. „Was wollten Sie sagen?“
    Annika fuhr seufzend fort: „Ich wollte zum Ausdruck bringen, dass die Möglichkeit besteht, dass diese Borg nicht mehr dem Kollektiv angehören. Es kann sein, dass einige Borg die Zeit des Chaos und der Verwirrung nach der Vernichtung des Kollektiven Geistes überstanden haben und sich hier niederließen.“
    „Ha“, mischte sich Tema´na erneut ein, „Sie wollen doch nur zu ihrem Vater!“
    Janeway schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Jetzt reicht es, Crewman! Noch ein weiterer Kommentar dieser Art und Sie werden als erstes auf diesen Planeten beamen!“
    „Jetzt reden wir schon vom Beamen? Sie baten uns nur hierher zu kommen!“ Tema´na erhob sich vom Stuhl und stütze beide Hände wie in einer Kampfstellung auf den Tisch, Janeway hatte zuvor bereits die gleiche Position eingenommen.
    Obwohl die beiden sich nun so nah waren, schreiten sie so laut, als würden sie Lichtjahre trennen.
    „Wir müssen herausfinden, was hier vor sich geht und da kann ich Ihre romulanische Paranoia nicht gebrauchen, Crewman!“ entgegnete Janeway. Annika und Harry, zwischen denen Janeway stand, wichen leicht zurück.
    „Romulanische Paranoia? Ihr verdammter Forscherinstinkt hat uns schon einmal fast getötet, Captain!“
    „Auf einem romulanischen Schiff würden Sie sich niemals so gegenüber ihrer Vorgesetzten verhalten, nicht wahr?!“ schrie und fragte die Kommandantin.
    Tuvok versuchte Tema´na zu beruhigen, ehe der Streit eskalierte und sich Captain und Steueroffizier gegenseitig die Gesichter auskratzten.
    „Setzen Sie sich“, sagte Tuvok gelassen und versuchte die zarte Romulanerin in ihren Sitz zu drücken.
    „Lassen Sie mich in Ruhe, Vulkanier!“ Tema´na riss sich los und ging zur Tür. Dort hielt sie kurz inne und blickte in die verblüffte Runde. „Viel Spaß bei der Assimilation!“
    Dann verschwand sie auf der Brücke und dann im Turbolift.
    „Dazu wird es nicht kommen“, behauptete Annika und durchbrach die Stille.
    Janeway nickte. „Auf Ihre Verantwortung. Also gut, wir beamen runter!“

    Im Transporterraum hatten sich Janeway, Chakotay, Tuvok, Harry, Annika und der Doktor eingefunden. „Doktor, sobald wir auf der Oberfläche sind, untersuchen Sie die Luft nach Nanosonden. Ich will nicht schon wieder so eine Überraschung erleben. Harry, Tuvok: Sie beide durchsuchen das Gelände nach irgendwelchen Auffälligkeiten. Ich möchte, dass sie herausfinden, was die Borg dort unten errichtet haben. Annika: Sie kommen mit mir mit!“
    „Aye, Sir!“ bestätigten alle, ließen sich von Tuvok einen Phaser aushändigen und gingen auf die Transporterplattform, bis auf Annika.
    Sie gab ihrem Mann noch einen zärtlichen Kuss, der ihr viel Glück wünschte. „Ich würde zu gerne deinen Vater kennen lernen, aber nun ja...“
    „Wenn er wirklich lebt, dann wirst du ihn schon noch kennen lernen. Da kannst du dir sicher sein.“
    Janeway seufzte gespielt. „Crewman Hansen, wenn Sie bitte kommen würden!“
    Mit den Worten „Pass auf Thomas auf!“ betrat auch sie die Plattform.
    Der Captain hatte noch etwas zu sagen. „Chakotay, wenn wir uns in zehn Minuten noch nicht gemeldet haben, verlassen Sie sofort den Orbit und berichten der Sternenflotte von dem, was hier vor sich geht.“
    „Ja“, bestätigte Chakotay und wirkte sehr traurig.
    „Ich bitte Sie diesem Befehl zu folgen. Und Sie führen diesen Befehl ebenfalls aus, wenn es irgendwelche verdächtigen Aktivitäten der Borg gibt.“ Sie sah Chakotays Gesicht. „Verstanden?“
    „Ja... Viel Glück!“
    „Danke, ich hoffe wir werden es nicht brauchen!“ Dann wandte sie den Blick ab und befahl dem Transporterchief: „Energie!“
    Dann verschwanden drei Offiziere, eine Mutter und ein Hologramm in ein unbekanntes und vielleicht gefährliches Terrain...

    ... und rematerialisierten in einer grün-grauen Umgebung. Es war dunkel, nur der Himmel war dunkelorange gefärbt. Das einzige Licht kam aus den Häusern oder Hochhäusern. Es war grün. Moment, waren es wirklich Hochhäuser? Janeway blickte an einem der schwarzen Klötze vor ihnen hoch. Nein, es waren keine Hochhäuser. Es waren notgelandete Borgschiffe, was man daran sehen konnte, wie tief sie sich in den Boden eingegraben hatten und was für große Erdwälle sie vor sich aufgeschoben hatten.
    Doch trotzdem wirkte es wie eine Großstadt. Überall waren diese Borgschiffe, die stellenweise umgebaut wurden. Es gab einen kleine Fluss in ihrer Nähe. Doch in diesem Fluss floss kein Wasser, sondern eine ölähnliche, dunkle und schmierige Substanz. Rauch stieg am Horizont auf, Stimmen waren zu hören. Kleine Fahrzeuge flogen über sie hinweg, Borg waren in der Ferne zu sehen.
    „Sie scheinen eine ganze Stadt errichtet zu haben...“ Annika war fasziniert, genau wie Janeway.
    Der Doktor kam mit seinem geöffneten Tricorder näher. „Die Luft ist rein von Nanosonden, aber mit anderen Stoffen verschmutzt. Das alles wirkt wie eine Art... Industriegebiet.“
    Tuvok kam zusammen mit Harry ebenfalls näher. „Es könnte sein“, sprach er, „dass die Borg hier eine neue Streitkraft errichten.“
    „Oder einfach sich eine Stadt errichtet haben“, argumentierte Janeway dagegen.
    Harry sah sich aufmerksam um. „Sehen Sie sich mal die Erde an. Hier liegen überall Trümmer... und da hinten brennt irgendwas...“
    „Es sieht so aus, als ob sie vor kurzem angegriffen worden wären...“ versuchte Annika Harrys Beobachtung zu erklären.
    „Ja, wahrscheinlich von dieser“, Janeway gestikulierte zur Betonung ihrer Abneigung mit den Armen, „Anti-Borg-Vereinigung!“
    Die Unterhaltung wurde von Janeways piepsenden Kommunikator unterbrochen. „Chakotay an Janeway!“
    “Janeway hier!” sprach die genannte zurück. „Was gibt es?“
    Chakotay: „Die Sternenflotte hat sich gemeldet. Admiral Ross hat uns befohlen, nichts Gefährliches zu unternehmen und die Borg auszuspionieren. Beim kleinsten Anzeichen einer Gefahr sollen wir uns so schnell wie möglich zurückziehen und uns erneut melden. Dann wird eine Armada zu unserer derzeitigen Position vorstoßen.“
    „Mit anderen Worten liegt das Leben der Borg in unseren Händen.“
    „Ja, so kann man es auch sehen“, bestätigte Chakotay am anderen Ende der Leitung.
    „Na dann. – Chakotay, ist es möglich, dass Sie uns vielleicht sagen können, wo wir hin müssen?“
    Der Erste Offizier hatte darauf keine richtige Antwort: „Nun ja, da stellt sich aber auch die Frage, wohin sie wollen. Vielleicht...“
    „Nicht nötig, Commander... Wir haben Besuch...“, wies Janeway weitere Hinweise ab.
    Ein gutes Dutzend Borg hatte die Gruppe umzingelt.
    „Mitkommen! Wir sind Borg. Und Sie werden ebenfalls bald perfekt sein“, sprach einer der Borg. Tatsächlich wirkte er wie ein richtiger Borg. Ja, es bestand kein Zweifel: Dies war eine Kolonie der Borg, der letzten, die es vielleicht noch gab. Und sie brauchten dringend neue Drohnen.

    „Captain?“
    Chakotay saß in dem Sessel des Captains und sprach noch immer mit Janeway. Doch sie schien ihn nicht mehr zu hören.
    Plötzlich waren ganz deutlich Energieentladungen durch die Lautsprecher zu hören. Und dann Schreie und Borg, die „Widerstand ist zwecklos! Sie werden uns dienen, bis in alle Ewigkeit“ riefen.
    Was war geschehen?

    „Tuvok, nehmen Sie die beiden dort unter Beschuss!“ schrie Janeway aus vollem Hals. Das Team war auseinander gerissen worden und alle Mitglieder versteckten sich hinter den Trümmern, die überall herumlagen.
    Die Borg hatten sich nicht verteilt, sondern liefen im Phaserbeschuss umher, sie schienen keine Taktik zu haben.
    „Drei von Zwölf! Assimilation der Anführerin!“ rief ihr Anführer, Einer von Zwölf, und sogleich führte der gerufene Borg den Befehl aus. Er depolarisierte seine Hülle und stieß sich kräftig von der Erde ab – und landete genau hinter Janeway. Diese konnte sich zwar noch schnell umdrehen, aber als sie mit ihrem Phaser dem Borg einen Arm abschnitt, war es bereits zu spät: Ein kleines Projektil hatte sie genau im Herzen getroffen.
    Die Kommandantin hielt mit weit geöffneten Augen inne, während sich ihre Gesichtsfarbe langsam änderte.
    „Captain!“
    Tuvok rannte so schnell er konnte an Janeways Position und hielt sie in seinen Armen, während er mit der anderen Hand den Phaser hielt und auf die Borg zielte.
    Einer von Zwölf, ihr Anführer, sprach erneut: „Fünf von Zwölf! Zustand?“
    Ein Borg, nahe bei Einer von Zwölf, erstattete Bericht: „Mein Okularimplantat wurde... beschädigt... meine Stimmprozessoren... eben... falls“, seine Stimme hörte sich mechanisch und sehr stark verzerrt an und er sprach extrem langsam, „... außerdem ist mein Kortikalknoten überlastet...“
    „Analysiere ihre Phaserfrequenz!“ befahl Einer von Zwölf und der Fünfte stand behäbig auf und ging direkt ins Phaserfeuer.
    Doch damit hatte er seinen Kollegen der Einheit geholfen: sie kannten nun die Frequenz der Phaserstrahlen der Voyager und würden sich anpassen können.
    Plötzlich erhoben sich alle Borg und gingen auf die Crewmitglieder der Voyager zu. Tuvok und Harry feuerten so viel sie konnten, doch die Strahlen trafen nur auf grün aufleuchtende Schilde. Annika hatte das Problem erkannt. Schnell lief sie zu ihren Teamkameraden hinüber.
    „Die Borg haben sich angepasst, es hat keinen Sinn zu feuern!“
    Der Doktor hatte eine Idee: „Dann müssen wir die Phaserfrequenzen verändern, so dass sie ihre Schilde durchdringen können!“
    „Das hat keinen Sinn... Sie würden sich sofort anpassen!“ lehnte Annika ab, während die Borg immer näher kamen.
    „Tuvok an Voyager!“ sprach der Vulkanier, nachdem er auf seinen Kommunikator gedrückt hatte, doch es hatte keinen Sinn: Es kam keine Antwort.
    „Sie scheinen ein Störfeld zu benutzen!“ erkannte Harry.
    Plötzlich hörten sie Disruptorstöße und stöhnende Borg, die lautstark zu Boden fielen.
    Und dann herrschte Stille.
    „Möglicherweise hat die Voyager ein Team geschickt...“ mutmaßte der Doktor, während sie alle hinter einem großen Trümmerstück kauerten.
    „Wie viel Zeit haben wir noch, bis Commander Chakotay abfliegen soll?“ erkundigte sich Tuvok.
    Harry sah auf seinen Tricorder. „Oh nein, nur noch drei Minuten. Wir müssen dieses Störfeld ausschalten...“, flüsterte er.
    „Priorität hat im Moment herauszufinden, wer dort die Borg angegriffen hat.“
    Tuvok deutete Harry mit einem Blick an, nach den mysteriösen Angreifern zu scannen. „Es scheint sich... um Borg zu handeln.“
    „Seit wann greifen Borg sich gegenseitig an?“ fragte der Doktor.
    „Das werden wir jetzt herausfinden. Erheben Sie sich!“
    Tuvok und die anderen standen langsam auf und sahen vor sich erneut Borg. Diesmal jedoch erkannte man mehr Biologisches an ihnen. Sie verfügten nicht über so viele Implantate und mechanische Erweiterungen wie die Borg zuvor.
    „Wir haben Sie bereits erwartet!“ Ein Borg mit einer Glatze kam hervor. Sein Gesichtsprofil kam Annika bekannt vor. Es war ... Es war ihr Vater!
    „Wir haben eine Verletzte. Es ist Captain Janeway!“
    Der Borg bewegte seinen Kopf und automatisch kamen zwei andere Borg und trugen Captain Janeway fort.
    „Wo bringen Sie sie hin?“ fragte Tuvok.
    „In das Hospital des Großen Rates“, antwortete der Borg, den Annika für ihren Vater hielt.
    „Wir möchten mitkommen!“ meinte Annika.
    Der Borg warf ihr einen kurzen Blick zu und schaute dann ruckartig weg. „Wie Sie wünschen, kommen Sie alle bitte mit!“

    Tuvok unterhielt sich gerade mit Chakotay per Kommunikator. „Ja, Captain Janeway wird gerade behandelt. Ich bin optimistisch, dass sie wieder gesund wird.“
    „Gut, erstatten Sie alle dreißig Minuten Bericht. Chakotay, Ende!“
    Die Gruppe befand sich im Gebäude des Großen Rates der Borg .Das Gebäude war eine Borgsphäre, die jedoch stark verändert worden war.
    Ihr Inneres erinnerte zwar noch in Ansätzen an ein Borgschiff, war jedoch heller und größer. Captain Janeway und die Borg, die das Außenteam angegriffen hatten, lagen auf großen Liegen und wurden von anderen Borg betreut.
    Einer von ihnen kam auf Tuvok zu. Ein großer Teil der Geräte auf seiner linken Körperhälfte war offenbar abmontiert worden, nur noch sei Exoskelett war zu sehen. „Ich bin Mechaniker“, begann er.
    Der Doktor unterbrach ihn jedoch, bevor er weitersprechen konnte. „Wenn das so etwas wie ein Doktor ist, dann sollten Sie mir Bericht erstatten!“
    Der Borg drehte sich zu dem Doktor um und nickte. „Ihr Captain wird wieder funktionieren... er wird wieder...“
    Der Doktor half weiter: „Gesund?“
    „Ja, korrekt. Ich konnte die bereits entstandenen Implantate rückstandslos entfernen, da sie alle direkt unter der Haut saßen.“ Dann sprach der „Mechaniker“ mit Annikas vermeintlichen Vater weiter. „Die Kollektivisten sind stark beschädigt. Ihre biologischen Anteile wurden stark beschädigt. Wenn ich sie reparieren soll, würde der Anteil an biologischen Teilen um etwa dreizehn Prozent sinken, was dazu führen würde, dass sie zu mehr als siebzig Prozent unbiologisch wären.“
    Der Borg nickte. „Gut, dann recycelt sie. Sie würden sich immer weiter von uns entfernen. Das Beenden ihrer Funktionen wird die einzige Möglichkeit für sie sein, frei zu sein.“
    Der „Mechaniker“ nickte und ging zurück zu den metallenen Betten. Mit starken Magneten oder etwas ähnlichem wurden die Borg nach oben gesogen und verschwanden. Janeway wurde ein Mittel injiziert.
    Der Doktor konnte nicht fassen, was er gerade gehört hatte. „Sie töten diese Borg?“
    „Ja“, erwiderte der Borg, den Annika für ihren Vater hielt. „Das ist besser als noch mehr Borg zu werden. Dies war eine Gruppe von Kollektivisten. Sie wünschen, dass wieder ein Borgkollektiv gegründet wird.“
    Janeway stand plötzlich neben der Gruppe. „Und Sie? Was wollen Sie?“
    „Captain, es ist schön, dass sie wieder genesen sind“, freute sich der Doktor.
    „Danke, Doktor“, erwiderte Janeway genervt. „Nun?“
    „Ich denke“, begann der Borg, „es ist bei ihnen üblich, sich vorzustellen. Ich bin der Anführer der Borg.“
    Annika spürte, wie das Blut durch ihre Adern raste. Gleich würde sie erfahren, wer der Borg dort war. War es ihr Vater?
    „Mein Name ist ... Magnus Hansen...“

    „Sie sind Annikas Vater...“
    Annika starrte ihren Vater einfach nur an, während er sich mit Janeway unterhielt. Er schien den Blick seiner Tochter meiden zu wollen.
    „Ja, das entspricht der Wahrheit.“
    Janeway freute sich mit Annika, die jedoch alles andere als glücklich wirkte. „Ich denke, ich werde Sie mit ihrer Tochter eine Weile allein lassen.“
    Magnus Hansen wollte noch etwas erwidern, doch das Außenteam war bereits auf dem Weg nach draußen.
    Vater und Tochter wussten nicht, was sie sagen sollten. Doch Annika wusste, was sie tun sollte. Sie fiel ihrem Vater in die Arme, so wie sie es früher auch getan hatten, als sie noch ein kleines Mädchen war. Sie scheute sich zwar vor den noch verbliebenen mechanischen Komponenten ihres Vaters, aber dies war ihr in dem Moment egal. Alles war ihr egal. Für sie zählte nur noch eins, besser gesagt eine Person: ihr Vater.

    „Wir haben uns lange nicht gesehen.“ Magnus und Annika machten einen Spaziergang durch die Korridore des Großen Rates.
    Magnus freute sich, darin bestand kein Zweifel, doch er konnte nicht mehr empfinden. Dabei war es doch seine Tochter! Seine Tochter! Tochter! Seine Annika!
    „Es ist gerade mal vier Jahre her...“, erwiderte Annika.
    „Was?“
    „Es war, als du in Unimatrix 1 postiert warst und der Borgkönigin gedient hattest. Sie hatte mich doch gefangen genommen.“
    Magnus schwieg eine Weile. „Ich... Wir alle hier auf diesem Planeten versuchen das, was wir einst waren, zu vergessen. Wir wollen keine Borg mehr sein. Wir wollen wieder Menschen oder Klingonen oder Ferengi werden, einfach nur diejenigen, die wir einst waren. Wie ich sehe, ist das auch dir gelungen. Du bist... wunderschön, Annika.“
    „Danke...“ Annika war sehr geschmeichelt.
    „Du warst immer wunderschön... bis sie kamen... da sah ich dich zum letzten Mal. Es war so furchtbar... Aber ich hatte als Borg immer das Gefühl, deine Stimme heraushören zu können.“
    Hätte er Tränensäcke gehabt, hätte er jetzt geweint. Doch er konnte es nicht. Seine Trauer staute sich in ihm auf, und das schon seit Monaten.
    „Es war ein Unfall, Vater...“, versuchte Annika ihn zu beruhigen. Doch es funktionierte nicht.
    „Ja, aber wir hätten diese verdammten Forschungen nicht durchführen dürfen... Es war verantwortungslos, dich mit auf die Raven zu nehmen!“
    „Nein, das war es nicht. Es zeugte nur davon, dass ihr mich über alles geliebt habt.“
    „Das tue ich jetzt noch, Annika... Aber wir haben deine ganze Kindheit zerstört.“
    Die beiden gingen weiter durch die Korridore, ohne ein räumliches Ziel. Das Ziel war nur das Gespräch.
    „Wo ist Mutter?“
    Magnus blieb stehen. Scheinbar hatte Annika bei ihrem Vater einen empfindlichen Nerv getroffen, indem sie dieses sensible Thema ansprach.
    „Sie ist... tot. Ich habe in den alten Borgspeicherkernen eine Datei gefunden, in der über misslungene Assimilationen berichtet wird. Unzählige starben bei der Assimilation, so auch deine Mutter. – Wenigstens ist ihr so dieses Leid erspart geblieben.“
    Sie setzten ihren Spaziergang fort.
    „Und das große Leid...“ beendete Magnus seinen Satz.
    „Welches große Leid?“ wollte Annika in Erfahrung bringen.
    „Das, was Captain Janeway verursacht hat. Das Chaos. Die Verwirrung.“
    „Sprichst du von der Zerstörung des Unikomplexes?“
    „Ja, genau“, bestätigte Annikas Vater, „Die Vernichtung des Unikomplexes war aber nicht der Schlüssel, der Hauptgrund, aus dem alle Borgschiffe flohen. Viele Faktoren kamen zusammen. Die Rachegefühle, die die Branodoner den Borg beigebracht hatten, hatten uns noch empfindlicher und abhängiger von den Stimmen werden lassen. Und dann der große Angriff... Ein automatisches Warnsystem wurde aktiviert und alle Borgschiffe kamen zur Borghauptstadt. Von dort flogen sie in den Fluchtkanal und flogen zu diesem Planeten – wenn sie es schafften. Milliarden und Billionen Borg starben an ihrer Verzweiflung, Verwirrung und an dem Chaos, das alle erfasst hatte.“
    „Das klingt grausam...“
    „Ja, aber trotzdem ist Janeway für uns eine Heldin: Sie hat uns befreit von der Abhängigkeit vom Kollektiv, von unserer Existenz als willenlose Drohnen.“
    Annika verstand diesen auf den ersten Blick seltsamen Widerspruch.
    „Chakotay möchte dich gerne kennen lernen. Er ist mein ... Mann.“ Sie hatte Probleme, diese Worte auszusprechen. Sie kam sich neben ihrem Vater noch immer wie ein kleines Mädchen vor, obwohl er bereits ein älterer Mann war und sie bereits eine Frau.
    „Das freut mich, dass du einen Mann gefunden hast, Annika. Hast du auch einen Sohn?“
    „Ja, er heißt Thomas“, gab sie zu.
    „Oh, das ... kann ich gar nicht glauben. Es hat sich in diesen vielen Jahren so viel verändert.“
    „Ja, gewiss“, stimmte Annika zu.
    Erneut blieben sie stehen. Magnus musterte seine Tochter und sprach weiter. „Pass auf deinen Sohn auf, Annika, hörst du?“
    „Ja, das werde ich machen. Er bedeutet mir sehr viel.“
    „Pass auf ihn auf. Pass auf ihn auf! Lasse nicht zu, dass ihm etwas zustößt!“ Magnus griff Annika mit seinen schweren Händen und schüttelte sie durch. Sie wirkte sehr verängstigt.
    „Was tust du?“ schrie sie.
    Da ließ er sie los. „Es... tut mir leid. Ich empfinde sehr starke... Reue. Das ist das richtige Wort, glaube ich. Ich bin nicht über die Ereignisse vor dreiundzwanzig Jahren hinweg gekommen... Ich... Ich kann das nicht.“
    Die nächsten Schritte schwiegen sie bedrückt, bis Magnus erneut stehen blieb. Diesmal hielt er vor einer Tür an. Sie befanden sich nun in einem Bereich mit einer großen Glaskuppel, die den Himmel des Planeten zeigte.
    „Hier ist mein ... Büro. Möchtest du es sehen?“
    Annika nickte und betrat zusammen mit ihrem Vater seinen Arbeitsplatz.
    Magnus aktivierte Licht und Annika sah sich in dem großen Raum um. „Es ist... sehr schön hier.“
    Überall standen Kunstobjekte aus Metall. Eines war geformt wie eine Art Regentropfen, ein weiteres stellte die Raven dar, das Schiff, mit dem Annika und ihre Eltern vor dreiundzwanzig Jahren als erste Menschen die Borg studiert hatten. Der ganze Raum schien eher eine Kunstgalerie zu sein, als ein Büro. Annika verwies mit einer Hand auf die Kunstgegenstände. „Hast du sie gebaut?“
    „Ja, es ist vielleicht nur laienhaft, aber... unsere Spezies versucht, in Kunst ihre Gefühle niederzuschreiben oder zu verwerten. Ich habe das gleiche versucht, aber es ist mir nicht so gut gelungen, oder?“
    „Doch, es ist sehr schön. Du scheinst schnellere Fortschritte bei dem Menschwerden gemacht zu haben, als ich. Nur unser Doktor konnte mir helfen, Kunst zu machen oder mit Gefühlen umzugehen. Und Captain Janeway...”
    „Das mag sein, aber es zählt nur eins: Du hast es geschafft…”
    Die beiden nahmen sich gegenseitig in den Arm. Sie waren wieder vereint.

    Captain Janeway, Tuvok, Harry, Annika, der Doktor und einige Borg, in der Mitte von ihnen Magnus Hansen, saßen an einem Tisch unter der Großen Kuppel. Es war mittlerweile Morgen geworden und die orange leuchtende Sonne am Horizont sorgte für eine gemütliche Mischung aus orangefarbenem und grünem Licht.
    „Wenn ich Sie richtig verstanden habe“, sagte Janeway, „dann greifen sie diese Völker, die hier im Sternencluster zu Hause sind, immer wieder und wieder an. Aber warum?“
    Magnus stand auf. „Diese Völker denken, wir seien immer noch Borg. Einmal Borg, immer Borg. Wir als Erzfeind allen natürlichen Lebens und als Mörder so vieler Lebewesen müssen vernichtet werden. Sie sind so blind vor ... Hass, dass sie gar nicht sehen, dass wir niemanden mehr assimilieren wollen. Wir möchten nur auf diesem Planeten leben. In Frieden...“
    Einer der anderen Ratsmitglieder fuhr fort. „Aber nicht alle Borg haben die Zeit des Chaos überstanden. Viele sind verwirrt und suchen immer noch nach den Stimmen. Sie wollen, dass wir das Kollektiv wieder aufbauen und alle anderen Spezies vernichten. Durch sie scheinen sich diese vielen Völker in ihren Zielen bestätigt zu fühlen. Sie plündern uns aus, töten uns und greifen uns aus Freude an.“
    „Captain Janeway“, Magnus Hansen übernahm wieder das Wort, „wir wollen eine eigene Kultur sein. Und da die Sternenflotte doch andere Kulturen schützen will... nun ja... möchten wir Sie und ihr Schiff um Hilfe bitten. Sie sind die einzigen, die uns beschützen können und diesen vielen Völkern beibringen können, dass wir nicht mehr die Borg sind.“ Alle anderen Borg nickten zustimmend.
    „Aber Sie haben doch eigene fähige Schiffe. Warum verteidigen Sie sich nicht selber?“
    Ein weiterer Borg erklärte dieses Problem: „Dadurch, dass wir nicht mehr die Stimmen hören können und immer weniger mechanische Komponenten und Implantate in unseren Körpern besitzen, können wir auch immer schlechter mit unseren Schiffen umgehen. Außerdem sind viele Schiffe stark beschädigt.“
    Janeway schien zu überlegen. „Das würde bedeuten, dass ich Menschen und andere Wesen töten muss. Dann würde ich Partei ergreifen in diesem Konflikt.“
    „Aber sehen Sie nicht, was für ein Unrecht hier begangen wird. Was können wir für das, was uns angetan wurde. Wir wurden von den Borg zu dem gemacht, was wir alle verabscheuten. Auch wir wollen die Borg vernichten. Aber wir sehen immer noch aus wie die Borg. Nur deshalb werden wir angegriffen!“ Magnus Hansen versuchte alles, um Janeway zu überzeugen.
    „Was ist“, warf die Kommandantin der Voyager ein, „wenn Sie mich anlügen? Wenn Sie tatsächlich ein neues Kollektiv errichten wollen und dafür unsere Hilfe missbrauchen? Ich meine, Sie alle haben sich erstaunlich schnell erholt. Wenn ich nur daran denke, welche Probleme Annika damit hatte, wieder Mensch zu werden, wirken Sie auf mich fast schon zu euphorisch, keine Borg mehr zu sein.“
    „Es ist nur, weil wir das Gesicht des Feindes tragen, nicht wahr? Auch sie trauen uns nicht, oder?“
    Janeway hob die Augenbrauen. „Nun ja, ich gebe zu, dass es mir nicht leicht fällt. Sie senden ein Notsignal, befehlen uns auf ihren Planeten zu kommen und schon werden wir angegriffen.“
    Magnus Hansen ging um den Tisch herum und kam Janeway immer näher. „Wenn ich ein Borg wäre, würde ich Sie jetzt assimilieren, weil Sie sich nicht fügen, Captain. Vertrauen Sie mir?“
    „Annika tut es, weil Sie ihr Vater sind. Aber mir fehlt noch der Beweis, der wahres Vertrauen rechtfertigt.“
    Magnus stand nun vor Janeway. Plötzlich schoss seine Hand ruckartig an Janeway Hals, so schnell, dass selbst Tuvok nicht reagieren konnte. Erschrocken sprang der Captain zurück, doch Annikas Vater hielt sie fest. „Sehen Sie, Captain? Ich hätte sie jetzt assimiliert. Doch ich habe es nicht. Meine Hand verfügt über keine Nanosondenschläuche mehr. Ich kann sie auch nicht mit Projektilen assimilieren. Ich kann nichts und niemanden mehr an unsere Eigenart anpassen. Und ich würde das auch nicht mehr wollen.“
    „Soll mir das als Beweis reichen? Als Beweis, dass sie keine feindlichen Absichten hegen?“
    „Ja, das soll es. Und wenn es nicht reicht, haben Sie ihr Ziel erreicht, dann sind alle Borg vernichtet.“
    „Das war nicht mein Ziel. Es war das Ziel von Spezies 8472 und all den Feinden der Borg. Zu denen auch wir gehörten. Aber mein Ziel war nur die Zerschlagung des Kollektives.“
    „Und dieses Ziel haben sie erreicht. Und nun sind sie eine Heldin für uns, ein Vorbild. Und wir haben das Recht, dass sie ihre Aufgabe vollenden.“
    „Und was ist mit den Kolonisten und Völkern, die sie angreifen? Die verehren mich als Heldin!“
    „Sie müssen sich entscheiden, Captain Janeway. Wir möchten in fünf Stunden ihre Entscheidung hören.“
    Janeway und ihre Offiziere machten sich bereit zum Beamen. Annika verabschiedete sich noch von ihrem Vater und dann beamten sie an Bord der Voyager. Dort musste Janeway eine schwere Entscheidung treffen. Sollte sie den Borg vertrauen und das Unrecht vernichten. Konnte oder durfte sie mit ansehen, wie die Borg nur wegen alter und überholter Feindbilder niedergemetzelt wurden?

    „Hatten Sie mir nicht gesagt, dass menschlich aussehende Hologramme auch Menschen sind? Dass man auch dort nicht zusehen sollte, wie sie sterben? Hier ist es doch genau umgekehrt: Diese Borg sehen aus wie Borg, sind aber keine. Sie werden sterben und weiter ausgebeutet werden, wenn wir ihnen nicht helfen.“
    „Sie haben mit ihr über das Holoprogramm gesprochen? Das sollte ich doch machen!“ flüsterte Harry Barclay zu.
    „Ja, da haben Sie Recht, Mr. Barclay. Aber ... dieses Problem ist wesentlich realer. Wenn wir diesen Borg helfen, sehen wir nicht zu. Wir müssen gegen Völker kämpfen, die der Föderation friedlich gegenüber stehen und nur Angst vor den Borg haben – genau wie einige von uns auch.“
    „Captain, mein Vater ist dort und noch mehr als das: Er und die anderen ehemaligen Borg haben es geschafft, anders zu werden. Sie sind ein eigenes Volk, das versucht, sich von anderen kulturell abzusondern. Sie sehen noch aus wie Borg, aber sie sind es nur noch in physischer Hinsicht. Sie sind keine Borg mehr. Sie sind Menschen, Vulkanier, Kazon, Klingonen... Sie sind wieder die, die sie einst waren. Nur ihr Äußeres macht sie einander gleich und lässt die Vermutung aufkommen, das Kollektiv lebe noch. Aber das tut es nicht mehr. Die Borg sind ausgestorben.“
    „Und wie heißt dieses neue Volk dann? Ehemalige Borg? Vereinigtes Volk der ehemaligen Borg? Oder nur Borg. Es ist schwer, jemanden zu beschützen, der einen Namen trägt, der bei ehemaligen Feinden Furcht und Schrecken auslöst. Borg: Dieses Wort verbinden Milliarden und Billionen Lebewesen mit dem Raub ihrer Freiheit, mit Assimilation und Gewalt. Dieses Feindesbild ist ein Bild, das einen Borg zeigt und einen Kubus. Und die ehemaligen Borg fliegen in Kuben und sehen aus wie Borg. Die paar Implantate, die sie bereits von ihren Körpern entfernt haben ändern nichts daran. Selbst ihr Okularimplantat, Annika, hatte einst noch Furcht ausgelöst. Ich erinnere mich noch gut an die verängstigten Blicke der letzten Überlebenden der Cataati.“
    „Ja, ich bin immer noch in mancher Hinsicht gezeichnet von meiner langen zeit als Drohne: Mein Exoskelett am Körper ist immer noch zu sehen. Aber nichtsdestotrotz: Mich akzeptiert man als Mensch.“
    „Ich denke, wir gehen das Ganze falsch an. Wir sehen die Borg völlig falsch an. Sie sind ein Feind gewesen, ein ganz normaler Feind. Auf der Erde war in den Vierzigern des zwanzigsten Jahrhunderts das Deutsche Reich unter Adolf Hitler der Feind. Als dann aber die Bundesrepublik gegründet wurde und ... wie hieß er gleich? ... ah, Konrad Adenauer Kanzler wurde, da war Deutschland nicht mehr ein Feind, sondern ein Verbündeter der USA. Obwohl die Deutschen immer noch Deutsche waren.“
    „Ja, richtig. Freund oder Feind hängt oft davon ab, welche Regierung in einem Volk an der Macht ist. Und so ist es auch hier: Das Hive-Bewusstsein, dass die Borg gelenkt, regiert hat, ist vernichtet. Die Borg sind frei!“
    „Aber für die Völker in diesem Sternencluster sind sie immer noch die alten Feinde...“
    „Ich denke, diese Diskussion sollten wir beenden. Ich habe Ihre Meinung gehört, Gentleman. Wegtreten! – Chakotay, warten Sie bitte noch einen Moment.“
    Chakotay hatte schon geahnt, dass Janeway sich noch einmal mit ihm unterhalten wollte und hatte gar nicht den Versuch unternommen, sich von seinem Stuhl zu erheben. Manche Dinge änderten sich eben nie.
    Als alle den Raum verlassen hatte, begann der Captain das Gespräch.
    „Erinnern Sie sich noch, als die Borg von Spezies 8472 überrannt wurden?“
    Chakotay nickte und senkte melancholisch den Blick. „Ja, zu gut. Am Ende stellte sich dann heraus, dass wir der falschen Partei geholfen hatten...“
    „Ja, Sie hatten damals Recht mit ihrer Meinung, dass ein Bündnis falsch sei.“ Janeway ging zum Fenster und fragte: „Und was würden Sie jetzt tun, an meiner Stelle?“
    „Ich würde auf meinen Ersten Offizier hören...“, antwortete Chakotay.
    Beide lachten kurz auf. „Ernsthaft, bitte!“
    Janeways Berater dachte nach und hob dann den Kopf, um Janeway zu beobachten, die ihm den Rücken zugewandt hatte. Ihr Gesicht spiegelte sich im Fenster und zeigte, dass sie unentschlossen war. Chakotay konnte Janeways Mimik lesen und übersetzen – das hatte er im Laufe der vergangenen Jahre gelernt - und es bestand kein Zweifel darin, dass sie dieses Mal sehr unsicher war. Sehr unsicher.
    Wenn sie die Borg beschützten, würden sie eine ganze Hand voll kleiner Völker überzeugen müssen und was wäre, wenn sich am Ende herausstellte, dass die Borg wirklich nicht weit genug entwickelt waren. Was, wenn diejenigen sterben mussten, die sich weigerten, die Borg als ein friedliches Volk anzuerkennen. Janeway würde ohne die Einwilligung der Sternenflotte oder der Föderation handeln, wenn sie sich auf die Seite der Borg stellen und gegen ihre Angreifer vorgehen würde.
    „Ich denke, ich...“, Chakotay wusste nicht, was er sagen sollte, „ich... würde das tun, was... ich für richtig halte. Das tue ich meistens.“
    Janeway lachte höhnisch. „Das ist eine interessante Einstellung, aber wenn ich immer so handeln würde, gäbe es dieses Schiff wahrscheinlich nicht mehr.“ Die Kommandantin drehte sich zu Chakotay um und blickte ihm ins Gesicht. „Ich habe mich entschieden... Ich habe mich schon vor einigen Stunden entschieden.“
    „Und?“ Chakotay fürchtete sich fast vor der Antwort.
    „Wir werden die Borg nicht beschützen!“ sagte sie hart.
    „Aber Kathryn...“
    „Wenn ich ,Ja, wir beschützen sie!’ gesagt hätte, hätten sie wohl auch gemeckert, nicht wahr?“ Janeway verhielt sich äußerst ungewöhnlich, das merkte auch Chakotay: „Aber damit verurteilen Sie die Borg zum Sterben! Was ist mit Ihnen los, Kathryn? Wo ist Ihr Wille, sic für diejenigen einzusetzen, die in Gefahr sind, die zu unrecht bekämpft werden?“
    Plötzlich hielt Chakotay inne, als Janeway ein merkwürdiges Lächeln auf den Lippen hatte. „Warum schreien Sie mich so an, Commander?“
    „Weil ich denke, dass Sie falsch handeln, natürlich...“
    „Ich handele so wie ich will!“ sagte Janeway gelassen.
    „Aber sie handeln gar nicht...“, gab Chakotay zu bedenken.
    „Aber ich werde handeln“, entgegnete Janeway.
    Chakotays Blick wurde immer rätselnder, seine Stirn faltete sich und wuchs zu einem Himalaja an. Der Blick der Kommandantin, die ihm genau in die Augen sah und sich auf den Tisch stützte, wurde ernst.
    „Die Borg müssen Mitglied der Föderation werden...“
    Das war zu viel. Chakotay hatte mit Allem gerechnet, aber nicht mit so etwas. Das überwältigte ihn.
    Janeway fuhr fort: “Und wir werden morgen zur Erde aufbrechen!”
    ,Das ist nicht ihr Ernst. Jetzt dreht sie total durch’ lauteten Chakotays erste Gedanken nach dieser Offenbarung. Aber als er noch einmal darüber nachdachte, erschien ihm Janeways Vorhaben sehr logisch und vor allem notwendig. Nur die Föderation konnte, als fremden Spezies offen gegenübergestellte Organisationen, die Borg vor dem Hass des restlichen Universums beschützen. Und eine Mitgliedschaft hätte ihre Vorteile, denn die Sternenflotte könnte die hoch entwickelte Technologie der Borg erhalten. Doch es würde starken Widerstand geben... Widerstand, ausgelöst durch dieselben Gefühle, die auch die Völker in dem Sternencluster empfanden. Tief verwurzelter Hass gegen die Essenz der Borg. Konnte Janeway diesen Hass überwinden.
    „Kathryn, ich hoffe Ihnen ist klar, was das bedeutet. Es bedeutet die Voyager... gegen den Rest der Galaxis...“
    „Ja, Chakotay... Das ist mir klar, sogar sehr klar. Denn das ist der Grund, warum ich es mache...“ Es gab so viel Unrecht in dieser Galaxie. Und diesmal wollte Janeway wirklich die Erlöserin sein. Sie hatte zugesehen, wie die Borg vernichtet wurden. Sie hatte voller Wut und Euphorie zugleich auf die verwirrten Borgschiffe gefeuert, als die Voyager durch den Transwarpkorridor gerast war. Nun lag es an ihr, diese Schuld zu begleichen.
    „Außerdem möchte ich nicht mehr als Göttin verehrt werden...“, fügte Janeway noch hinzu.

    „Haben Sie sich entschieden?“
    Diese Frage kam Janeway, Chakotay und Tuvok entgegen, als sie den großen Saal betraten. Es war nun sehr hell, ganz im Gegensatz zur kalten Stimmung im Saal.
    „Ja, dass haben wir.“
    Magnus kam auf die drei Personen zu und blieb vor Chakotay stehen. „Es tut gut, dem Mann gegenüber zu stehen, der meine Tochter geheiratet und die Vernichtung des Kollektivs eingeleitet hat. Magnus Hansen“, stellte sich Annikas Vater vor.
    Chakotay zögerte, setzte dann aber ein leichtes Lächeln auf und streckte dem Borg die Hand entgegen. „Chakotay.“
    Magnus tat es ihm gleich und schüttelte seine Hand. „Ich hätte diese Sitte fast vergessen.“
    „Könnten wir jetzt zum Thema zurückkommen“, drängelte Janeway.
    „Ja, natürlich. – Wie lautet ihre Entscheidung, Captain Janeway.
    „Sie und weitere ausgewählte Borg kommen an Bord meines Schiffs. Wir werden zur Erde fliegen und dort darum bitten, dass sie Mitglieder der Föderation werden. Dann sind wir befugt, mit allen moralisch und ethisch rechtfertigbaren Mitteln ihre Kultur zu schützen.“
    Magnus wollte etwas erwidern, doch plötzlich explodiert etwas und durch die Glaskuppel kamen Borg heruntergesprungen.
    „In Deckung“, rief Magnus und zu Janeway gewand, „das sind die Kollektivisten!“



    ...und die Reise geht weiter - am Sonntag, den 10.11.2002

    Ältere Episoden findet ihr in unserem Episodearchiv...



    FLÜCHTLINGE
    based upon "STAR TREK" created by GENE RODDENBERRY
    produced for TREKNews NETWORK
    created by RICK BERMAN & MICHAEL PILLER and JERI TAYLOR
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    co-executive producers NADIR ATTAR & CHRISTIAN GAUS
    producers MILA FRERICHS & STEPHAN DINGER
    co-producer OLIVER DÖRING
    written by MARKUS RACKOW

    TM & Copyright © 2002 by TREKNews Network. All Rights Reserved.
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    Production-Code #9ABX15



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    Quelle: treknews.de
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    • Hallo Gast - Aufgrund des vielen Spams müssen leider ein paar Fragen beantwortet werden.

      Bitte der Reihe nach durchführen, sonst kann das Captcha nicht erfolgreich abgeschlossen werden...
      Schritt 1: Wenn Picard ein Captain ist, sollte hier ein Haken rein...
      Schritt 2: und wenn es in der Nacht nicht hell ist, sollte hier der Haken raus!
      Schritt 3:

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