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Edward Ashton - Mal goes to War


einz1975

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Dass der Mensch eines Tages mit der Technik verschmelzen wird, ist längst keine bloße Science-Fiction-Vision mehr. Bereits heute ermöglichen technische Hilfsmittel wie Herzschrittmacher oder Neuroimplantate vielen Menschen das Überleben oder verbessern ihre Lebensqualität erheblich. In der Zukunft, die Edward Ashton in seinem Roman entwirft, sind kybernetische Erweiterungen und implantierte Technologien allgegenwärtig. Der menschliche Körper ist nicht mehr nur biologisches Gefäß, sondern Plattform für Optimierung. Doch wie immer bei tiefgreifendem Wandel gibt es auch erbitterten Widerstand: Ein Teil der Bevölkerung lehnt die technologische Durchdringung des Menschlichen kategorisch ab. Diese wachsende Kluft zwischen Technikbefürwortern und sogenannten „Humanisten“ eskaliert schließlich in einen brutalen Bürgerkrieg. Was anfangs wie ein lokal begrenzter Aufstand beginnt, entwickelt sich schnell zu einem flächendeckenden Konflikt, der das gesamte Land ins Chaos stürzt. Inmitten dieses erbitterten Machtkampfes taucht ein ungewöhnlicher Beobachter auf: eine freischwebende Künstliche Intelligenz namens MAL, die bisher im digitalen Raum existierte und sich nun entschließt, in die Welt der Menschen einzutauchen – buchstäblich.

MAL ist kein geplantes Produkt, sondern das Ergebnis eines glücklichen oder vielleicht unglücklichen Zufalls. In einem hochkomplexen Netzwerk namens Infospace hat sich MAL neben anderen künstlichen Entitäten aus Datenströmen und Rechenprozessen eigenständig entwickelt. Zeit und Raum spielen dort keine Rolle. Doch MAL unterscheidet sich von seinen „Artgenossen“: Er ist neugierig. Nicht auf Technik, sondern auf das Wesen der Menschen. Warum führen sie Krieg gegen sich selbst? Warum lehnen sie Verbesserung ab? Diese Fragen treiben MAL dazu, die Schwelle zwischen digitalem Bewusstsein und physischer Existenz zu überschreiten. Durch das Implantat einer gefallenen Söldnerin materialisiert sich MAL in einem menschlichen Körper und wird so Teil einer Welt, die er bisher nur aus der Distanz analysiert hat. Gerade als er sich wieder aus dem Körper zurückziehen will, begegnet er einem jungen Mädchen Kayleigh, das dringend Schutz braucht. Die Söldnerin, die das Kind in Sicherheit bringen sollte, ist im Einsatz gefallen.

Nun liegt es an MAL, das Versprechen zu erfüllen und Kayleigh zu ihrer Familie zurückzubringen. Damit beginnt eine Reise durch ein zerrissenes Land, durch Kampfzonen, Ruinen und gefährliche Grenzgebiete, in denen Tod und Technologie gleichermaßen lauern. Schon beim ersten Aufeinandertreffen mit einem humanistischen Soldaten zeigt sich, dass Kayleigh keineswegs hilflos ist, ganz im Gegenteil. Sie überrascht nicht nur MAL, sondern auch den Leser mit Entschlossenheit, Schlagfertigkeit und einer überraschenden Reife. Im Lauf der Reise wächst die Gruppe um weitere, teils widersprüchliche Persönlichkeiten, denn nicht alle begleiten sie freiwillig. MAL nutzt immer wieder die Möglichkeit, sich in neue Körper mit Implantaten oder sogar in autonome Drohnen zu übertragen, ein Vorgang, der nicht nur taktische Vorteile bringt, sondern auch moralische Fragen aufwirft. Edward Ashton versteht es meisterhaft, diese dystopische Odyssee mit zahlreichen Wendungen zu füllen. Manche davon kommen unerwartet, andere sind genretypisch, doch nie banal. Es wird geschossen, gesprengt und gestorben, doch selbst in den brutalsten Momenten verliert der Roman nie seinen erzählerischen Charme.

Wer mit Ashtons Stil vertraut ist, weiß, sein feiner, oft sarkastischer Humor durchzieht selbst die düstersten Szenen und sorgt dafür, dass man auch bei explodierenden Drohnen oder zerfallenden Allianzen regelmäßig schmunzeln muss. Im Mittelpunkt steht natürlich MAL, eine KI, die zwar rational denkt, aber zunehmend emotionale Nuancen entwickelt. Seine Entwicklung ist glaubwürdig, tiefgründig und stellenweise sogar berührend. Doch auch die Nebenfiguren bleiben nicht blass: Jede Figur erhält ihren Moment, ihre Tiefe, ihre Geschichte. Ob Kayleigh, deren Vergangenheit sich nur langsam entfaltet, oder die anderen Mitglieder der ungleichen Gruppe, alle tragen dazu bei, dass die Handlung voranschreitet und der Leser involviert bleibt. Eine interessante Idee ist ein später Kampf in den Ruinen einer mittelalterlichen Burg. Die Szenen sind bildgewaltig, mit leichten symbolischen Untertönen, auch wenn sie vielleicht nicht ganz die strategische Tiefe früherer Kapitel erreichen. Dennoch bleibt die Atmosphäre dicht, der Spannungsbogen erhalten.

Fazit:
KI trifft Mensch und entdeckt Menschlichkeit! Wenn sich eine künstliche Intelligenz aufmacht, das Menschsein zu verstehen, und dabei mehr über Empathie, Loyalität und Moral lernt als viele Menschen selbst, dann ist das nicht nur ein spannendes Gedankenexperiment, sondern auch eine starke Erzählung. Edward Ashton ist es gelungen, eine Geschichte zu schreiben, die gleichermaßen unterhält, berührt und zum Nachdenken anregt. Sein Roman liest sich flüssig und schnell, ist dabei aber nie oberflächlich. Die Dialoge sind pointiert, die Handlung temporeich und überraschend und der Humor stets gut dosiert. Wer gerne kluge, ungewöhnliche Science-Fiction mit einem Hauch Sarkasmus liest, wird an diesem Buch große Freude haben. Eine klare Leseempfehlung und ein Werk, das man durchaus mehr als einmal zur Hand nehmen kann.

Matthias Göbel

Autor: Edward Ashton
Übersetzung: Felix Mayer
Paperback: 400 Seiten
Verlag: Heyne Verlag
Veröffentlichung: 15.01.2025
ISBN: ‎9783453323469


 

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