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Dustin Thomason – Virus


einz1975

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Vielleicht erinnern sich einige noch an die damaligen Schlagzeilen: Im Dezember 2012 sollte die Welt, wie wir sie kannten, untergehen – zumindest, wenn man den überlieferten Schriften der Maya Glauben schenkte. Wie genau dieser Untergang aussehen sollte, blieb damals vage, das Datum hingegen war klar benannt. Und ausgerechnet dieses Szenario greift Dustin Thomason in seinem Thriller „Virus“ auf und in einer Form, die erschreckend realistisch wirkt. Denn während die Welt noch über alte Prophezeiungen spekuliert, breitet sich eine tödliche Prionenkrankheit unaufhaltsam aus. Alles beginnt mit einem Mann aus Guatemala, der in Los Angeles versucht, einen gestohlenen Maya-Kodex zu verkaufen. Kurz darauf wird er mit mysteriösen Symptomen in ein Krankenhaus eingeliefert. Der Genetiker Dr. Gabriel Stanton erkennt sofort die Gefahr: Diese Krankheit ist hochgradig ansteckend, tödlich und kaum aufzuhalten. Während Stanton alles versucht, die Ausbreitung einzudämmen, stößt die Maya-Forscherin Chel Manu auf eben jenen Kodex, der nicht nur eine archäologische Sensation, sondern vielleicht auch der Schlüssel zur Rettung sein könnte.

Dass die Maya vor über tausend Jahren eine hochentwickelte Zivilisation bildeten, ist unbestritten. Die imposanten Ruinen mitten im Dschungel zeugen noch heute von einem Volk, das in Wissenschaft, Architektur und Astronomie weit voraus war. Auch eine eigene Schrift entwickelten sie, eine Bilderschrift, mit der Geschichten erzählt und Wissen weitergegeben wurde. Doch dieser neu entdeckte Kodex ist anders als alle bisherigen. Er enthält keine gewöhnlichen Aufzeichnungen über Kalender, Wetter oder Erntezyklen, er erzählt eine Geschichte. Eine Geschichte, die zunächst kaum Sinn ergibt, weder für Chel Manu noch für den Leser. Erst Stück für Stück offenbart sich, welche dunklen Geheimnisse in diesen Seiten schlummern.

Auch für Dr. Stanton wird es immer rätselhafter. Seit Jahren forscht er an Prionen und hoffte insgeheim, dass Krankheiten wie BSE der Vergangenheit angehören. Doch dieser Erreger verhält sich anders, intelligenter, gefährlicher, zielgerichteter. Und immer drängender wird die Frage: Woher stammt dieser Erreger wirklich? Thomason versteht es, gerade zu Beginn den Leser für das Thema zu sensibilisieren. Besonders die Ausführungen über Prionenkrankheiten und deren Bedrohungspotenzial sind spannend und stellenweise beängstigend. Dennoch, für mich war der Kodex und seine geheimnisvolle Geschichte der fesselndere Handlungsstrang. Hier versteckt sich ein Thriller im Thriller. Viel möchte ich nicht verraten, aber aufmerksame Leser können durchaus selbst Hinweise entdecken und Theorien entwickeln, bevor die Auflösung naht.

Unvermeidlich drängen sich beim Lesen Parallelen zu jüngeren globalen Pandemien auf. Isolation, Quarantäne und die verzweifelte Suche nach einem Heilmittel. Vieles erinnert an die Erfahrungen während Corona. Allerdings bleibt Thomason in diesen Aspekten eher an der Oberfläche. Die medizinischen Details wirken gelegentlich etwas schemenhaft, die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen bleiben größtenteils angedeutet. Auch das Ende des Romans kommt für meinen Geschmack zu abrupt, gerade als es richtig spannend wird, wirkt es fast, als hätte der Autor plötzlich nur das Ende gesucht. Dabei wäre hier noch so viel Potenzial gewesen, insbesondere in Bezug auf die Entdeckung einer versunkenen Stadt und den Ursprung der Seuche. Dennoch funktioniert gerade dieser Mix aus Archäologie, Rätsel, Endzeitstimmung und ethnologischen Elementen erstaunlich gut.

Fazit:
Das Geheimnis des Dschungels fasziniert bis heute. Trotz modernster Technik gibt es in Mittel- und Südamerika immer noch unentdeckte Orte, die Forscher zum Staunen bringen. Während in Europa noch in kleinen Dörfern gelebt wurde, errichteten die Maya bereits riesige Städte und meisterten komplexe Baukunst. Doch wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten: Die Geschichte des Kodex enthüllt eine düstere Wahrheit, die nicht nur die Vergangenheit betrifft, sondern auch die Gegenwart bedrohen könnte. Die beiden Hauptfiguren funktionieren gut, auch wenn Chel Manu mit ihren Entdeckungen eindeutig die spannendere Figur ist. Dr. Stanton und die medizinischen Aspekte treten teilweise in den Hintergrund, was ich etwas schade finde. Die Pandemie selbst bleibt eher Kulisse als treibende Kraft der Handlung. Dafür überzeugt „Virus“ als Abenteuerthriller mit historischem Hintergrund, spannenden Rätseln und einer beklemmenden Endzeitstimmung. Hätte Thomason das Ende konsequenter ausgearbeitet, wäre aus diesem Buch ein echtes Highlight geworden.

Matthias Göbel

Autor: Dustin Thomason
Übersetzung: Sylvia Strasser
Taschebuch: 414 Seiten
Verlag: Bastei Lübbe Verlag
Veröffentlichung: 12.10.2012
ISBN: ‎9783404167630

 

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