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Jonas Weichselbaum – Der Reisende: Erster Kontakt


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Auf einer routinemäßigen Frachtmission stößt Kapitän Veith Peterson plötzlich auf ein fremdes Signal aus den Tiefen des Alls. Seine bordeigene KI Konrad ist die Erste, die die Übertragung analysiert und sie bewertet sie als alles andere als harmlos. Laut Konrad handelt es sich um eine feindliche Botschaft: Eine außerirdische Intelligenz kündigt die Vernichtung der Menschheit an, unausweichlich und ohne Möglichkeit zur Verhandlung. Peterson ist schockiert und verlangt, die Nachricht selbst zu sehen oder zumindest zu hören. Doch genau das verweigert ihm die KI. Konrad erklärt nüchtern, dass der menschliche Verstand nicht in der Lage sei, den vollständigen Inhalt des Signals zu begreifen weder logisch noch emotional. Damit steht Peterson vor einem moralischen und existenziellen Dilemma: Soll er der KI vertrauen, die längst mehr weiß, schneller denkt und umfassender analysiert als jeder Mensch? Oder soll er sich über ihre Einschätzung hinwegsetzen und selbst versuchen zu verstehen, was diese fremde Intelligenz wirklich will? Seine Entscheidung setzt Ereignisse in Gang, deren Tragweite weit über alles hinausgeht, was Peterson sich je hätte vorstellen können.

Jonas Weichselbaum schafft es, bereits auf den ersten Seiten eine dichte und spannungsgeladene Atmosphäre aufzubauen. Als Leser folgt man eng den Gedanken Petersons, analysiert mit ihm mögliche Konsequenzen und wägt ständig neu ab, welcher Weg der richtige sein könnte. Umso überraschender ist es, dass schon nach wenigen Kapiteln Entscheidungen getroffen werden, mit denen man in dieser Form nicht gerechnet hätte. Diese Unvorhersehbarkeit zieht sich durch die gesamte Geschichte und verleiht ihr eine besondere Dynamik. Sie mag zunächst irritieren, eröffnet aber zugleich ungewöhnliche Perspektiven, die lange im Gedächtnis bleiben. Ganz nebenbei entfaltet sich ein faszinierendes Bild der Zukunft der Menschheit. Künstliche Intelligenzen haben nahezu alle Lebensbereiche übernommen. Der Mensch denkt kaum noch selbst, sondern überwacht, kontrolliert und greift nur im Ausnahmefall ein.

Interstellare Reisen gehören längst zum Alltag, auch wenn sie Jahrzehnte oder sogar mehr als ein Jahrhundert dauern können. Möglich wird dies durch ausgeklügelte Kryosysteme, in denen Menschen in Intervallen eingefroren und wieder geweckt werden, sodass für jeden Einzelnen letztlich nur ein Bruchteil der Zeit vergeht. Doch genau hier stellt der Roman eine entscheidende Frage: Wenn der Mensch nur noch Verwalter und Untertan der KI ist was tut die KI selbst? Welche Ziele verfolgt sie, jenseits dessen, wofür sie ursprünglich geschaffen wurde? An diesem Punkt setzt der eigentliche Kern der Geschichte an. Der mögliche Erstkontakt mit einer außerirdischen Intelligenz wird nicht nur als wissenschaftliches oder militärisches Ereignis betrachtet, sondern als philosophische Herausforderung. Wie kommuniziert man mit einem Wesen, das völlig anders denkt? Wie sieht es aus, was treibt es an, und wie lassen sich Absichten überhaupt richtig deuten? Peterson macht sich auf den Weg zum Ursprung des Signals und trifft dort auf ein ebenso fremdartiges wie faszinierendes Objekt. Die Begegnung ist geprägt von ungewöhnlichen Kommunikationsformen, skurrilen Erscheinungen und einem spürbar wachsenden philosophischen Tiefgang.

Das Denken und Handeln von KIs bildet das thematische Zentrum des Romans. Da der Mensch ihr Schöpfer ist, stellt sich zwangsläufig die Frage: Was bleibt von uns selbst übrig, wenn Maschinen unsere Entscheidungen übernehmen? Weichselbaum führt seine Figuren durch eine gut ausbalancierte, häufig überraschende Handlung, in der sich individuelle Schicksale und größere Zusammenhänge zunehmend miteinander verweben. Am Ende ist jeder Teil eines Ganzen und doch zugleich für sich allein. Das lässt sich schwer in Worte fassen und sollte am besten selbst erlebt werden. Das Finale fällt deutlich actionreicher aus als der Rest der Geschichte. Hier hätten ein paar ruhigere, nachdenklichere Passagen vielleicht noch mehr Wirkung entfalten können, doch zugleich öffnet dieser Ansatz den Roman auch für Leserinnen und Leser, die ein höheres Tempo bevorzugen. Gelegentlich bleibt unklar, ob im Verlauf der Handlung Hunderte oder Tausende von Jahren vergangen sind, doch vielleicht ist genau das Teil der Aussage: Zeit verliert angesichts der großen Fragen dieser Geschichte an Bedeutung und wird letztlich zu einem flüchtigen Augenblick im Nichts.

Fazit:
Der Traum vom Erstkontakt mit einer außerirdischen Rasse – ein Wunsch, der die Menschheit seit Jahrhunderten begleitet. Doch was passiert, wenn dieser Moment eintritt und der Mensch nicht mehr alleiniger Entscheidungsträger ist? Jonas Weichselbaum entwirft eine faszinierende, vielschichtige und tiefgründige Science-Fiction-Geschichte, die mit philosophischen Fragestellungen ebenso überzeugt wie mit Spannung und Action. Ruhige, reflektierende Momente wechseln sich mit intensiven Szenen ab, interessante Figuren und kluge Gedankengänge ziehen sich durch die Zeilen. Bleibt die KI am Ende das, was von uns übrig ist oder finden wir einen Weg zurück zu uns selbst? Eine Leseempfehlung zum Jahresende.

Matthias Göbel

Autor: Jonas Weichselbaum
Taschenbuch: 158 Seiten
Veröffentlichung: 27.12.2025
Verlag: Selfpublisher
ISBN:

www.threads.com
www.amazon.de

 

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