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...mit dem bekloppten Merkmal der Sensation
  • Monitor - 5x04: Am Scheideweg

    Der Krieg geht weiter...
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    • TheOssi
    Während im Quandraten der Konflikt zwischen Romulus und Talar eskaliert wird auf Arena Telloms Heimatwelt durch andorianische Freischärler ein Blutbad verübt, welches die Gemeinschaft zu entzweien droht.

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    Monitor 5x04 "Am Scheideweg"
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    All that is necessary for the victory of Evil is
    that good men do nothing.

    Sinnierend saß John Lewinski in seinem Sessel, der sich im Bereitschaftsraum der Monitor befand. Der Kommandant des wackeren Schiffes fühlte sich in diesem Moment schrecklich allein und traurig. Müde blickte er aus seinen kraftlosen Augen auf den Boden, ohne dabei einen bestimmten Punkt zu fixieren. In seinem Innersten tobte ein Wechselbad der Gefühle. Tausende von Gedanken gingen ihm durch den Kopf, die meisten davon kreisten sich nur um ein Thema.
    Seinen Vater.
    Einige Monate waren nun vergangen, seitdem er die Nachricht erhalten hatte, dass sein Vater an antallianischem Krebs litt. Eine furchtbare Nachricht, zugegebenermaßen, doch eigentlich keine allzu beunruhigende, galt doch diese Krankheit als leicht behandelbar. Die Tragik an dieser neuen Situation war jedoch, dass Luke Lewinski eine Behandlung seiner Krankheit ablehnte. Egal wie oft John über diesen Sachverhalt nachdachte, ihn prüfte und analysierte, er verstand einfach nicht den Grund dafür. Wieso nur?
    „Ich gehe nicht ins Krankenhaus! Ich habe lange genug gelebt und ein erfülltes Leben gehabt. Seit deine Mutter tot ist und du so wenig auf der Erde weilst, fühle ich mich inzwischen jedoch einsam. Ich bin bereit vom Antlitz dieser Erde zu gehen, als glücklicher Mann.“
    Das waren die Worte seines Vaters gewesen und bis heute verstand der Captain sie nicht. Wie konnte man als glücklicher Mann sterben, wenn man wusste, dass man noch ein halbes Jahrhundert vor sich haben könnte? Woher hatte sein Vater diese paradoxe Sichtweise? Endlich hob John Lewinski den Kopf und blickte auf die Zugangstür, welche den Bereitschaftsraum von der Brücke trennte. Dort verrichtete seine Crew ihr übliches Tageswerk, lebte ihr Leben und ahnte nichts von der inneren Trauer, mit der ihr Kommandant zu kämpfen hatte. Niemandem hatte John von seinen familiären Problemen erzählt und wenn es nach ihm ginge, so würde auch niemand davon erfahren. Nichts war schlimmer, als wenn eine Mannschaft das Gefühl hatte, dass ihr Anführer sich nicht mehr voll und ganz auf seine Aufgaben konzentrieren könne. Im schlimmsten Fall würde, sollten diese Probleme wirklich seine Arbeit beeinflussen, man ihn von seinem Kommando zeitweilig entbinden und ihn vertreten lassen. Doch wäre dies eigentlich so schlimm? Immerhin hätte er dann die Gelegenheit zur Erde zu reisen und die letzten Monate mit seinem Vater zu verbringen. Ein letztes Mal Vater und Sohn zusammen zu haben, eine fast glückliche Familie zu sein. John schluckte angesichts dieses wehmütigen Gedankens. Erst war seine Mutter vor einigen Jahren gestorben und es hatte seine Zeit gebraucht, bis der Captain über diesen Verlust hinweggekommen war. Getröstet hatte er sich nur mit der Gewissheit, dass er immer noch seinen Vater hatte, der für ihn da war und sorgte. Doch die jetzige Situation war überhaupt nicht mit der damals zu vergleichen. Seine Mutter war damals einen natürlichen Todes gestorben. Zwar früh, aber sie war sanft entschlafen, von einem Tag auf den anderen. Bei seinem Vater wusste er, dass in einigen Monaten er nicht mehr sein würde, schlimmer noch, dass er überleben könnte, wenn Luke Lewinski nicht so dickköpfig wäre. Und dann? Was kam danach, wenn sein Vater nicht mehr war? Dann würde Captain Lewinski allein in diesem Universum sein und dieser Gedanke beunruhigte ihn zutiefst. Während der ganzen Sache hatte er intensiv über sein Leben nachgedacht und war zu der traurigen Erkenntnis gelangt, dass er sich viel zu sehr von seiner Arbeit hatte einnehmen lassen. Sicher, die Sternenflotte war sein Traumberuf, aber nichtsdestotrotz hatte John das Leben vergessen. Er hatte keine Familie, keine Frau und keine Kinder, mit denen er die Zeit verbringen konnte, nicht mal viele Freunde besaß er. Sein bester Freund Bruce Land diente inzwischen auf einem anderen Schiff und dann? Wen besaß er noch? Alle an Bord der Monitor respektierten und schätzten ihn, doch seine Freunde waren sie nicht. Wie auch? Immerhin bestand zwischen ihnen ein Vorgesetztenverhältnis. Mit der einen Hand wischte sich der Captain über das Gesicht, als wieder eine einzelne Träne drohte über sein Gesicht zu wandern. Ein solcher emotionaler Ausflug durfte ihm nicht vor seinen Untergebenen passieren, sonst würde wer weiß noch was geschehen. Es war zum Verrücktwerden! Der Captain hatte so viel Zeit in den letzten Jahren damit verbracht Sektion 31 aufzuspüren, irgendwelche Informationen über sie zu sammeln, dass er sein Leben vollkommen vergessen hatte. Nun wurde er dafür bestraft. Ironisch grinste John, als er daran dachte, dass sein erster Offizier Matt Price seit Monaten auf dem philosophischen Beweis nach Gott war. Wieso sollte ein Gott solche Dinge wie Luke Lewinskis Krankheit überhaupt zulassen? Es gab wahrlich schlimmere Personen als sein Vater, die ein solches Schicksal verdient hatten. Zum Beispiel die Intriganten in der romulanischen Regierung, die dafür gesorgt hatten, dass ein Krieg zwischen dem Romulanischen Sternenreich und der Talarianischen Union ausbrach. Das kleine, rückständige Volk hatte sich in den letzten Wochen und Monaten tapfer gewehrt, doch ihre Niederlage konnten sie auf Kurz oder Lang nicht abwenden. Eigentlich grenzte es schon an ein Wunder, dass sie überhaupt so lange durchgehalten hatten. Nach Schätzungen des romulanischen Tal Shiar und sogar des Sternenflottengeheimdienstes hätte der Krieg schon längst zugunsten der Romulaner entschieden sein müssen. Anscheinend hatte sich die romulanische Flotte immer noch nicht vom Kräftezehrenden Konflikt mit dem Dominion erholt und sie hatten wohl auch nicht mit der Hartnäckigkeit ihrer Gegner gerechnet. Jeder Mann, jede Frau und jeder waffenfähige Jugendliche wurde herangezogen, um das unvermeidliche Ende ihres Volkes hinauszuzögern. Ob ihnen dies gelang war eher unwahrscheinlich, doch sie brachten sich damit viel Respekt ein.
    Und die Multiplanetare Allianz? Sie debattierte immer noch endlos, war in sich gespalten und stand manchmal am Rande des Zusammenbruchs. Vielleicht wäre es auch besser, wenn diese ganze Allianz sich auflöste, wie John fand. Die Föderation hatte sich durch die anderen Völker quasi kaufen lassen, ihre Prinzipien verraten, um einen quadrantenweiten Krieg zu verhindern. Verächtlich schnaubte John. Er hatte schon mehrere Kriege mitgemacht und den letzten noch in guter bzw. schlechter Erinnerung. Doch wenn die Sache gerecht war, so wäre er immer noch bereit notfalls sein Leben dafür einzusetzen. Nun waren sie aber zum Zusehen verdammt, wie die Talarianer um ihr Leben kämpften und starben.
    Überall starben Wesen und unter ihnen Johns Vater. Wieso er nur? Konnte er nicht mit ihm reden, ihn überzeugen, sich doch behandeln zu lassen? Niemand konnte ihm erzählen, dass Luke Lewinski keinen Lebensmut mehr in sich hatte. Irgendwas musste sich doch ausrichten lassen!
    Gequält erhob sich John aus seinem Sessel, strich die Uniform glatt und atmete mehrmals tief ein und aus. Das Leben ging weiter, dies war die traurige Gewissheit, die ihn am meisten Unbehagen bereitete. Denn wie sollte er ohne seinen Vater weiterleben?

    Noch vor zwei Jahren, als er zum ersten Mal der Drogensucht verfallen war, hätte ihm diese Nachricht großes Unbehagen bereitet. Doch jetzt war Chief Woil erfahrener und wusste, wie er mit der Sache umgehen musste. Wie jeder Abhängige gestand sich der Antosianer natürlich nicht ein, dass er ein Problem mit Ketracel-White hatte, sondern redete sich ein, dass er die Injektionen nur ab und zu nahm, um seine Arbeitsfähigkeit zu steigern, Stress abzubauen und sich zu entspannen. Und wenn er so ein besserer Chefingenieur wurde, wer sollte sich daran stören? Hauptsache niemand kam dahinter. Eine dieser Möglichkeiten, die ihn enttarnen könnte, war die jährliche medizinische Routineuntersuchung, die für ihn wieder anstand. Der Antosianer befand sich auf der kleinen Krankenstation und beobachtete Dr. Frasier, die noch einige Sachen für den kurzen Check zusammensuchte.
    „Schön, dass sie die Zeit für die Untersuchung gefunden haben“, meinte die Chefärztin und kramte einige Padds hervor.
    „Kein Problem, Doktor. Ist ja keine große Sache.“
    „Schade, dass nicht alle ihre Einstellung haben“, seufzte Elizabeth Frasier und gab einige Daten ein, „in den meisten Fällen muss ich die Mannschaft Mann für Mann zusammentrommeln und in die Krankenstation zerren. Ich habe den Termin vergessen, das ist die häufigste Ausrede, die ich zu hören bekomme.“
    „Tragisch,“ wie Woil fand. Tatsächlich hielt er es für besser der Ärztin entgegenzukommen, um sich nicht verdächtig zu machen. Bisher gab es zwar keinen Grund für die Crew an einen Rückfall Woils zu glauben, doch es war besser auf Nummer Sicher zu gehen. Die Chefärztin drehte sich um und ging noch einmal zu ihrem Schreibtisch, was die perfekte Möglichkeit für Jozarnay Woil bot. Mit einem kurzen Handgriff tauschte er den medizinischen Tricorder gegen einen von ihm präparierten aus. Dieser würde eben nicht eine Drogensucht bei dem Chefingenieur feststellen, sondern anzeigen, dass alles in bester Ordnung war.
    Gewusst wie! lobte sich der Chief selbst und sah zu, wie die Chefärztin das manipulierte Gerät ergriff und die Scans startete. Nach einigen Sekunden, in denen sie mit dem Tricorder über den Körper des Patienten gefahren war, lächelte sie ihm zu und sagte:
    „Das wär’s auch schon. Es wird sie freuen zu hören, dass sie bei bester Gesundheit sind.“
    „Eine schöne Nachricht, wie ich finde“, antwortete Woil und lächelte keck.
    „Ich habe gehört“, meinte die Ärztin beiläufig, „dass sie wieder einen Antrag auf Sonderurlaub eingereicht haben?“
    „Da ist was dran“, antwortete der Chefingenieur wahrheitsgemäß, „ich mache mich wieder auf den Weg zu einer Fortbildung, die sehr informativ sein dürfte. Es geht um den neuen Transportertyp, der innerhalb der nächsten Monate Standard auf Föderationsschiffen werden soll.“
    „Hoffen wir mal, dass dieser Ausflug nicht so tragisch endet wie ihr letzter“, erwiderte Dr. Frasier und bereute im nächsten Moment schon ihre Worte. Ein kurzer Anflug von Pein huschte über das Gesicht des Antosianers, als er an die Ereignisse auf dem Planeten Humana zurückdachte. Die grausame Folter... er konnte den Schmerz immer noch fühlen.
    „Ja, das hoffe ich auch.“
    Fürsorglich legte die Ärztin ihre Hand auf die seinige und sah ihn aufmunternd an.
    „Brauchen sie Hilfe in Bezug auf dieses Erlebnis? Möchten sie darüber reden?“
    Kurz überlegte Woil. Für einen winzigen Sekundenbruchteil hatte er fest den Wunsch gehabt mit der Sprache rauszurücken, über seine Erfahrungen zu sprechen und seine abermalige Drogensucht zu gestehen. Doch er sagte nichts. Zu deutlich war ihm bewusst, dass das Bekanntwerden eines neuerlichen Drogenrückfalls wohl das Ende seiner Sternenflottenkarriere bedeuten würde und das wollte er nicht.
    „Nein, es geht schon. Ich komme mit der Situation klar.“
    So viel Selbstbetrug konnte Jozarnay nicht aushalten und so verließ er auf dem schnellsten Wege wieder die Krankenstation.

    Durch diese Gänge zu schreiten verursachte in ihm das merkwürdige Gefühl eines Deja Vu´s, was verständlich war angesichts der Tatsache, dass Edward Jellico diesen Ort nur allzu gut kannte. Hier hatte er selbst für einige Zeit eingesessen, das Hochsicherheitsgefängnis der Sternenflotte, welches sich inmitten des pazifischen Ozeans befand. Auf einer Plattform errichtet stellte dieser Ort eine uneinnehmbare Festung dar, aus der es noch nie eine Flucht gegeben hatte. Nun gut, Jellico war vor einem Jahr hier heraus verschwunden, doch dies war keine Flucht gewesen, viel eher eine Entführung, die von Sektion 31 eingeleitet worden war. Sektion 31 waren wohl die einzigen gewesen, die einen solchen Coup hatten durchziehen können und nun, wo er selbst die Kontrolle über diese mächtige Organisation besaß, war es eher unwahrscheinlich, dass jemand diesen Ort verlassen würde.
    Wie die Zeit doch verging, fand Jellico. Noch vor kurzer Zeit war er ein Krimineller gewesen, ein Verräter an der Föderation und ein Sträfling. Nun jedoch bewegte er sich als Besucher durch diese Hallen, während ihm die zahlreichen Wachen zunickten und ihm den Weg zu seinem Ziel wiesen. Innerhalb kürzester Zeit hatte er es geschafft aus sich einen geläuterten Menschen zu machen, der nun Seite an Seite mit der Föderationsjustiz darum kämpfte, Sektion 31 endlich das Handwerk zu legen. So war zumindest die offizielle Version. Seine Scharade lief ausgezeichnet, viel besser als er es jemals in seinen kühnsten Träumen erwartet hatte. Wenn Edward ehrlich zu sich selbst war, so hatte er eigentlich mit einer Enttarnung innerhalb der ersten drei Wochen gerechnet. Nun waren mehrere Monate vergangen und niemand ahnte etwas von seinem Betrug. Oder die, die etwas ahnten, konnten ihm zumindest nichts nachweisen. Diese Glücksträhne konnte ruhig anhalten.
    Endlich war der ehemalige Admiral der Sternenflotte an seinem Ziel angelangt. Eine weitere, schmucklose Zelle, in der sich ein Häftling befand. Um noch genauer zu werden handelte es sich um einen weiblichen Gefangenen. Edward Jellico betrat die Zelle und bat sogleich die Wache hinauszutreten. Der Mann im Rang eines Fähnrichs gehorchte ihm, denn Jellico trug nun den offiziellen Titel eines Sonderermittlers des Justizministeriums und war so mit gewissen Privilegien ausgestattet. Langsam aber sicher begann man wieder seine Autorität zu respektieren. Typisch menschlich, wie der alte Mann fand. Nach allem, was er getan hatte brauchte es nur so kurze Zeit, bis man ihm wieder so viel Vertrauen schenkte. Noch ein paar Monate mehr, in denen er Scheinerfolge gegen Sektion 31 vorweisen konnte und schon würde man seine ganze sündige Vergangenheit vergessen. Die Insassin der nicht gerade großen Zelle erhob sich von dem Stuhl ihres kleinen Schreibtisches, auf dem sie etwas gelesen hatte und blickte den Besucher an. Keine Überraschung oder Abscheu zeigte sich in dem Gesicht der zugegebenermaßen attraktiven Frau, sondern sie blickte Jellico einfach nur an.
    „Moin“, begrüßte Jellico sie wie eine alte Freundin. „Zumindest denke ich, dass man das so in Emden gesagt hat... dies war doch ihr letztes Versteck gewesen, oder etwa nicht? Eine historisch wertvolle Stadt, wie ich finde, für meinen Geschmack aber etwas zu kalt.“
    „Zu schade, dass sie die Kälte nicht umgebracht hat“, erwiderte Stella Tanner kalt und verschränkte ihre Arme vor sich.
    Jellico lachte. Hier saß sie also ein, die letzte loyale Gefolgsfrau des verstorbenen Nathan Sloan. Alle anderen waren inzwischen tot oder hatten die Seiten gewechselt und sich Edward Jellicos neuer Sache angeschlossen. Nur Stella Tanner hatte sich geweigert und war von Jellico gefasst worden.
    „Wenn ich die Zeitung so lese, “ fand die rothaarige Frau, „dann erscheint es mir als würde ihre Beliebtheit immer weiter steigen. Haben sie schon einmal daran gedacht sich für das Amt des Präsidenten zu bewerben?“
    Jellico lächelte angesichts dieser zwanglosen Plauderei, die sich anhörte, als wären sie beide alte Freunde. Dabei waren sie Todfeinde, jeder davor auf der Hut, vom anderen im nächsten Moment umgebracht zu werden.
    „Die Wahlen haben ja gerade erst stattgefunden und ich bin mit unserem wieder gewählten Staatschef sehr zufrieden. Aber ihr Vorschlag hat etwas... kommt Zeit, kommt Rat, sagte meine Mutter eher. Und wie geht es ihnen so, Ms Tanner? Ist ihre Unterkunft komfortabel?“
    „Sie müssten doch am besten wissen, wie es hier zugeht“, lächelte ihm Stella satanisch zu. In ihren grünen Augen funkelte es satanisch und für einen kurzen Moment rannte Edward ein Schauer über den Rücken. Gut, dass ein Kraftfeld zwischen ihnen war. Derzeit war der ehemalige Sternenflottenoffizier unbewaffnet und so war er sich alles andere als sicher, ob er einen möglichen Zweikampf überleben würde.
    „Ich bin beeindruckt, dass ihr Täuschungsmanöver immer noch funktioniert“, gab die Frau zu. „Pro Tag erzähle ich den Leuten hier, allen Anwälten, Ermittlern und Richtern an die fünfzehn Mal, dass sie ein Lügner sind und dass Sektion 31 lebendiger ist denn je, doch niemand glaubt mir. Sie müssen da draußen wirklich eine Wahnsinnsshow abziehen.“
    „Zwar war ich niemals in einer Theatergruppe, doch ich bin mit den Ergebnissen zufrieden. Erlauben sie mir eine Frage?“
    „Aber gerne doch, Mr. Jellico, “ antwortete Stella Tanner mit gespielter Höflichkeit.
    „Wieso halten sie noch an Nathan Sloan fest, obschon er tot ist?“
    Süffisant lächelte die Frau und unterstrich scheinbar zufällig so ihre nicht zu leugnende Attraktivität. Dabei lag jedoch nicht nur Freundlichkeit in ihrem Gesichtsausdruck, auch ein eine geradezu mystische Bosheit spiegelte sich in ihr wieder.
    „Sie wollen wissen, wieso ich immer noch an Nathan Sloan festhalte? Weil er all das war, was sie niemals sein werden.“
    „Eine kryptische Antwort“, fand Jellico und lächelte dämonisch. Ihm machte es Spaß hier zu stehen und eine scheinbar harmlose Plauderei mit seiner letzten Widersacherin zu führen. Zwanglos und doch ernst.
    „Haben sie eigentlich keine Angst“, fragte Tanner, „dass jemand unser Gespräch abhören und so ihre wahren Intentionen mitbekommen könnte?“
    „Nein. Ich habe dafür gesorgt, dass wir vollkommen ungestört sind.“
    „Schade.“
    „Ja, das glaube ich ihnen. Gerne würden sie mich sicher am Boden dafür sehen, dass ich Nathan Sloan getötet habe.“
    „Oh, dies entspricht nicht der Wahrheit“, korrigierte Tanner ihn. „Ich würde sie dafür gerne tot sehen, nicht jedoch am Boden.“
    „Danke für diesen Hinweis. Jedoch möchte ich kein Unmensch sein, Stella. Hier und jetzt möchte ich ihnen die Gelegenheit anbieten ihre Fehler wieder gut zu machen und die Seiten zu wechseln. Kommen sie in das Team der Gewinner und helfen sie mit Sektion 31 wieder auf den richtigen Weg zu führen.“
    „Den richtigen Weg?“ prustete die junge Frau los.
    „Ja, genau den. Sie waren doch die rechte Hand Nathan Sloans. Müssten sie nicht am ehesten die Degeneration der ehemaligen Superorganisation hautnah miterlebt haben? Wie Sloan Sektion 31 benutzt hat um am Ende nur noch seine intriganten Privatfehden auszutragen? Ich möchte den Geheimbund wieder zu dem machen, was er einmal war: eine Organisation, der das Wohl der Föderation am Herzen liegt. Und ich möchte sie einladen daran teilzuhaben.“
    Kurz musterten sich die beiden Gesprächspartner und für einen kurzen Moment schien es, als ob Edward Jellico tatsächlich eine positive Antwort von seiner Widersacherin bekommen würde. Dann jedoch schüttelte sie den Kopf.
    „Nein, das ist nichts für mich. Ich bleibe lieber hier drinnen.“
    „Da haben sie aber eine einmalige Chance verpasst, Stella. Draußen, an meiner Seite, hätten sie genug Gelegenheiten gehabt, um mich zu töten.“
    „Keine Angst, Mr. Jellico“, zwinkerte Stella ihm zu, „ich habe da schon genug eigene Pläne. Sie werden schon sehen...“
    „In Zukunft werde ich sie öfters besuchen“, erklärte der ehemalige Admiral, „da werden sie sicher öfters die Möglichkeit haben mir von ihren Ideen zu berichten.“
    „Ich freue mich drauf“, antwortete Tanner ironisch und beide lachten lauthals los, als ob sie alte Freunde wären, die über einen guten Witz lachten. Eine mehr als seltsame Situation...

    Dunkel und still war der Weltraum. Jahrmillionen war er alt und existierte immer noch. Er kümmerte sich nicht um die kleinen Sperenzien, die seine Bewohner untereinander ausfochten. Ihm war es egal, ob eine Rasse überlegen, unterlegen, edelmütig, grausam oder freundlich war, denn er würde solange weiterexistieren, bis irgendwann seine Lebenszeit erlisch. Und auch der jetzige Konflikt, der in den Weiten des Weltraums ausgetragen wurde, interessierte ihn nicht:
    Eine gemischte Armada von romulanischen Kriegsschiffen näherte sich Alavon 3, einer weiteren Welt der Talarianischen Union. Wie ein Koloss raste die Flotte auf das Sternensystem vor, ohne auf nennenswerten Widerstand zu treffen. Die Romulaner hielten es nicht einmal nötig sich zu tarnen, denn der massiven Schlagkraft ihrer Schiffe hatten die technologisch unterlegenen Talarianer nichts entgegenzusetzen. Auf den Brücken der einzelnen Schiffe erlaubten sich die Besatzungen ein zufriedenes Lächeln. Ein weiteres System würde bald in die Hand des Romulanischen Reiches fallen und so ein weiteres Mosaik für den Endsieg gelegt sein. Langsam schwenkte die Flotte in den Orbit ein und begann mit ihren Scans. Wie erwartet waren die meisten Zivilisten panisch aus den wenigen Städten der Kolonie evakuiert worden, um sie vor dem drohenden Ansturm der Romulaner zu schützen. Dort unten waren nur noch einige wenige Kasernen, in denen die talarianischen Soldaten auf ihren sicheren Tod warteten. Die Flotte ging in Stellung und bereitet sich darauf vor den Planeten zu bombardieren. Plötzlich veränderten sich die Scanneranzeigen auf den romulanischen Schiffen und die jeweiligen Kommandanten sahen überrascht auf, als hinter dem Mond von Alavon 3 talarianische Kampfschiffe hervorschossen. Ohne Rücksicht auf Verluste rasten die kleinen Kriegsschiffe mit ihren unerschrockenen Besatzungen auf den Feind zu und feuerten aus allen Rohren. Doch scheinbar wirkungslos verpufften ihre Phaserimpulse und Merculit-Raketen an den Schilden der romulanischen Schiffe. Dutzende von talarianischen Schiffen flogen auf die Flotte zu, die sich von ihrem ersten Schrecken erholt hatte. Ein Truppentransporter mit mehreren tausend romulanischen Infanteristen explodierte in einem Feuerball, doch dies blieb der einzige Erfolg der talarianischen Flotte. Langsam drehten sich die Romulaner in Angriffsposition und eröffneten das Feuer mit den stärksten Waffen, welches das Reich derzeit besaß. Stück für Stück wurden die talarianischen Schiffe zerstört, Hunderte von Matrosen starben innerhalb weniger Sekunden. Doch die wackere kleine Rasse gab nicht auf, raste weiterhin auf die Flotte zu und bediente sich dem letzten Mittel der Verzweiflung: mehrere talarianische Kriegsschiffe rasten in die romulanische Flotte, führten Selbstmordkommandos aus und schafften es so einige wenige Schiffe wenn nicht zu zerstören, dann wenigstens kampfunfähig zu machen. Und nach einer knappen halben Stunde war das ganze Gefecht schon wieder vorbei. Die anfangs überraschten Romulaner sammelten sich wieder und stellten Berichte auf: dreiunddreißig talarianische Schiffe waren vernichtet worden, acht romulanische waren zerstört und vierzehn kampfunfähig gemacht worden. Es blieben also noch über dreißig Schiffe, die mit dem Angriff auf Alavon 3 beginnen konnten. Und die kleine Kolonie bekam den ganzen Zorn der anfangs überrumpelten Romulaner zu spüren. Mit mächtigen Geschützen feuerten sie auf den Planeten. Sie richteten ein Chaos an, verwüsteten ganze Landstriche. Die Waffen sorgten als unangenehmen Nebeneffekt für zahlreiche Erdbeben oder für Flutwellen, die über die Städte hinwegfegten und die noch dort verbliebenen Personen töteten. Tausende, die entweder nicht evakuiert werden konnten oder wollten, starben bei diesem Bombardement, welches über einen Tag dauerte. Und dann stellte die Flotte das Feuer ein. Sie hatten erkannt, dass sie genug Schaden angerichtet hatten, um Phase Zwei der Invasion einzuleiten. Die Landungsschiffe begannen ihren Einflug in die Atmosphäre des Planeten, ohne von der Luftabwehr der Talarianer behelligt zu werden. Innerhalb weniger Minuten waren die Infanteristen gelandet und stürmten die Städte und Kasernen. Die wenigen überlebenden talarianischen Soldaten hatten sich zwar gut verschanzt, doch aufgrund der orbitalen Bombardierungen hatten sie keine Chance. Innerhalb weniger Stunden waren so gut wie alle wichtigen Stellungen des Planeten überrannt und eingenommen worden: ein weiterer Planet war in die Hände der Romulaner gefallen! Auf dem Flaggschiff der Flotte lächelte der romulanische Admiral glücklich. Ein weiterer Sieg, der das Ende des Krieges näher bringen würde. Schon bald würde er wieder zu Hause bei seinen Lieben sein. Seine Kinder und seine Frau würde er wieder sehen und gemeinsam mit ihr seinen Hochzeitstag feiern, der in wenigen Wochen anstand. Der Sieg der Gerechten war nahe. Mit den Talarianern hatte er so gut wie kein Mitleid. Hatte diese grausame Rasse etwa Mitleid gezeigt, als sie das feige Attentat auf den romulanischen Senat begangen hatte? Nein, der Admiral wusste, dass er sich auf der richtigen Seite befand und schon bald den Sieg davontragen würde.
    Doch auf einmal brach Unruhe auf der Brücke aus. Mehrere Offiziere meldeten ihm, dass die Infanteristen seltsame Energiewerte anzeigten, die plötzlich anschwollen. Das Lächeln des Admirals erstarb, als alles ganz schnell ging. Überall auf Alavon 3 wurden getarnte Stellungen aktiviert, Raketenbatterien, die in Position gingen und pfeilschnelle Marschflugkörper losschickten, die innerhalb weniger Minuten ihr Ziel erreichten. Die Romulaner versuchten ihre Truppen zu evakuieren, doch ihnen blieb zu wenig Zeit. Auch von dem Mond starteten Raketen, die der Computer als Subraumwaffen identifizierte. Der Admiral befahl der Flotte sich in Sicherheit zu bringen, doch ihnen war zu wenig Zeit geblieben. Die Subraumwaffen detonierten, rissen den Zwischenraum auf, der den Großteil der Flotte verschluckte und so zerstörte. Auf dem Planeten schlugen die Antimaterie-Raketen ein und richteten einen verheerenden Schaden an. Zehntausende Romulaner starben bei dem Bombardement, noch einmal so viele wurden verstrahlt und würden nie wieder nach Hause zurückkehren. Die Talarianer hatten das letzte Opfer gebracht, welches ihn noch eingefallen war: sie hatten ihre eigene Kolonie zerstört, um so viele Romulaner wie möglich aufzuhalten. Eine Linie war überschritten worden, die niemals hätte übertreten werden dürfen: zum ersten Mal waren in diesem Krieg Massenvernichtungswaffen eingesetzt worden. Diese Nachricht löste auf beiden Seiten Panik aus: bei den Talarianern, weil sie merkten, dass diese Selbstzerstörung die letzte Hoffnung auf den Sieg war und bei den Romulanern, weil sie nun mit der Möglichkeit konfrontiert wurden, dass es in diesem Krieg möglicherweise mehr Verluste als zunächst angenommen geben könnte.

    Ardev lag wach in seinem Bett und staunte. Er staune über die unglaubliche Schönheit und Anmut, die neben ihm lag. Seine Frau Arena lag neben ihm und schlief. Der Einsatzoffizier der Monitor lächelte. Er war früher aufgewacht als gewöhnlich und hatte, anstatt aufzustehen und sich zu waschen, einfach in dieser Position verharrt und seine Frau beobachtet. Im Schlaf sah sie noch schöner aus, so friedlich und zufrieden. Jeden Tag dankte Ardev aufs Neue seinem Schicksal, dass er eine solche Partnerin gefunden hatte. Inständig hoffte er auf noch viele weitere Gelegenheiten, in denen er diesen Frieden genießen konnte.

    Bolar schaute sich zufrieden in seinem Shuttle um. Die anwesenden Männer und Frauen legten letzte Handgriffe an, um ihre Ausrüstungen zu vervollständigen und sie zu kontrollieren. Der Andorianer nickte zufrieden. Heute war es also soweit. Am heutigen Tag würde ein neues Kapitel in der Geschichte des andorianischen Volkes beginnen, ein besseres, wie er fand. So viele Jahre hatten er und sein Team sich auf diesen Moment vorbereitet. Gemeinsam hatten sie täglich hart trainiert, sowohl im körperlichen wie auch im geistigen Bereich. Und Bolar war stolz auf die bisher erbrachte Leistung. Zwar führten sie erst heute den Plan aus, doch all die Jahre hatten sie sich auch verstecken müssen, denn eine Gefangennahme hätte sich kein einziges Mitglied des Teams leisten können. Eindringlich musterte der Anführer die Mitglieder seiner Gruppe, welche ihn ebenso gespannt ansahen. Eine großartige Kameradschaft herrschte zwischen ihnen allen, die sich im Laufe der Jahre aufgebaut und viel Fruchtbares hervorgebracht hatte. Jeder einzelne von ihnen war bereit für ihr Ziel zu sterben, auch wenn dies die letzte Option war, die Bolar bevorzugen würde. Lieber wäre es ihm, wenn sie alle heil und lebendig ihre Mission erfüllen und dann wieder abreisen konnten, um dann eine neue Mission zu erfüllen.
    Heute war ein guter Tag. Ein guter Tag zum Sterben, würde wohl ein klingonischer Krieger sagen. Oh, wie er diese Rasse bewunderte. Sie hatten nicht im Laufe der Jahrhunderte ihre Kultur verraten, sondern an ihren alten, ehrenwerten Traditionen festgehalten. Es hatte früher eine Zeit gegeben, in der die Andorianer den Klingonen nicht unähnlich gewesen waren. Dann hatte eine Zeit der Verweichlichung eingesetzt, eingeleitet durch den Eintritt Andors in die Vereinigte Föderation der Planeten. Schritt für Schritt hatte man die alten Werte verraten und neue, fremde assimiliert. Wo war denn noch das unverwechselbare Merkmal der Jahrtausendealten andorianischen Kultur, hatte sich Bolar immer und immer wieder gefragt. Und er war nicht untätig geblieben. Mehr als einmal hatte er versucht sich politisch zu engagieren, auf die Missstände aufmerksam zu machen und neue Wege aufzuzeigen. Am Anfang schien es noch so als wäre sein Weg erfolgreich. Schnell war er von der kommunalen in die regionale Politik gewechselt und schlussendlich sogar einen Platz im andorianischen Rat erhalten, der höchsten Autorität Andors. Doch dort, fast an der Spitze der Macht, hatte der inzwischen gealterte Mann feststellen müssen, dass man sich nicht mehr für seine Belange interessierte. Sicher, man hatte ihn immer sprechen lassen, doch hatte man ihn tatsächlich gehört? Mehr als einmal war es Bolar in den Sinn gekommen, als hätte man ihn gar nicht ernst genommen. Nach nur einer Legislaturperiode gab er seinen Sitz im Rat auf und zog sich aus der Politik zurück. Gefrustet von seinen Erfahrungen der Bürokratie hatte Bolar einen anderen Weg gefunden, um sein Volk wieder auf den alten Weg zu führen. Noch war seine Methode nicht sonderlich populär, doch dies würde sich schon bald ändern, wenn dem Volk die Augen geöffnet wurden...
    „Beginne nun den Anflug auf Terellia“, antwortet der Pilot, der wie all seine Mitglieder der Gruppe Andorianer war. Es war ein ehemaliger Sternenflottenoffizier, der ebenso verzweifelt über die Degenerierung seiner Gesellschaft gewesen war und sich deswegen Bolar angeschlossen hatte. Ein guter Mann, der unverzichtbar war, wie alle Mitglieder der Gruppe. Der Anführer nickte, als er die Meldung hörte und bedeutete seinem Team sich auf den Einsatz vorzubereiten. Alle Andorianer luden ihre Waffen durch, überprüften die Energiemagazine und klopften sich gegenseitig auf die Schulter. Mit etwas Glück würden sie in wenigen Stunden alle wieder lebend diesen Planeten verlassen. Bolar blickte durch das Cockpitfenster und sah, wie die Wolken wichen und den Blick auf die Hauptstadt Terellias freigaben. Eine beeindruckende Stadt, zugegebenermaßen, aber sie waren nicht hier um eine Vergnügungsreise anzutreten. Das Shuttle machte sich auf den Weg zu seinem Ziel und setzte zum Landeanflug an. Es zu finden war nicht schwer, denn das Gebäude war das größte in diesem Stadtteil. Es handelte sich um ein Museum für terellianische Geschichte. Zornig schnaufte Bolar, als er über diesen Sachverhalt nachdachte. Gab es das überhaupt, eine terellianische Gesichte? Wie oft mochte dieses Volk die Vergangenheit gedreht und umgeschrieben haben, so dass es in ihr Weltbild passte? Welche Lügen wurden den Kindern in der Schule berichtet? In gewisser Weise taten Bolar und seine Kameraden nicht nur den Andorianern einen Gefallen, sondern auch den Terellianern, indem sie ihnen die Wahrheit aufzeigten; auch wenn sie bitter war.
    Das Shuttle schüttelte sich leicht, als es auf dem Dach aufsetzte. Noch ein letztes Mal atmeten sie alle tief durch, dann öffnete der Pilot die hintere Schleuse und das Einsatzteam rannte hinaus. Jeder von ihnen kannte die Gebäudepläne auswendig, jeder einzelne wusste um seine Aufgabe. Während die Frachtarbeiter, die auf dem Dach arbeiteten und eine neue Lieferung für das Museum erwarteten, lautlos getötet wurden, machten sich zwei Andorianer an dem veralteten Computersystem des Gebäudes zu schaffen. Nur einige wenige Leitungen mussten umgeleitet werden, dann hatte Bolar das System des Museums in seinen Händen. Er nickte zufrieden, als er den positiven Wert auf dem Tricorder angezeigt bekam, welcher aus Föderationsproduktion stammte, was schon fast eine Ironie war. Dann rannte das Team weiter. Stockwerk für Stockwerk rannten sie runter, in die Lobby des Museums, in dem sich einige Besucher aufhielten. Niemand von ihnen ahnte den Horror, der nun auf sie zukam. Bolar erspähte einen ergrauten Wachmann des Museums, den er mit einem gezielten Schuss aus seinem andorianischen Gewehr tötete. Fast sofort nachdem der leblose Körper des alten Mannes auf dem Boden zusammengesackt war, brach Panik im Museum aus. Überall rannten Terellianer umher, schrieen und brachen in Panik aus. Männer, Frauen und Kinder waren unter ihnen, alles Besucher des Museums, die auf einen friedlichen Tag gehofft hatten; ein Wunsch, der ihnen nicht erfüllt wurde. Kurz seufzte Bolar. Nun begann der unangenehmste Teil des Plans, wie er fand. Leider war das nun Folgende unumgänglich. Der einzige Trost für ihn war, dass sie noch einen beträchtlichen Teil der Anwesenden als Geiseln brauchten.
    „Stufe Beta einleiten“, befahl der Anführer und im nächsten Moment eröffneten die Angreifer das Feuer.

    Wie an jedem Morgen hielten die Führungsoffiziere im kleinen Büro des Captains eine Einsatzbesprechung ab. Früher waren dies Treffen gewesen, die recht schnell wieder beendet gewesen waren, doch nun, wo ein Krieg draußen in der Galaxis tobte, dauerten diese Sitzungen deutlich länger. Mit einem zufriedenen Nicken nahm Captain Lewinski zur Kenntnis, dass alle Leute in seinem Büro eingetroffen waren. Rein äußerlich schaffte der Kommandant es immer noch sich nichts von seinen familiären Problemen anmerken zu lassen. Doch wie lange noch? Wann würde das alles seine Arbeit beeinträchtigen?
    „Guten Morgen erst einmal, “ begrüßte John Lewinski die Anwesenden höflich und blickte sich kurz in der Runde. „Moment mal, da fehlt doch einer! Wo ist Chief Woil?”
    „Er nimmt den Sonderurlaub wahr, den sie ihm gewährt haben, ” beantwortete Matt Price ihm die Frage. Zerstreut nickte der Kommandant.
    „Ach ja, jetzt erinnere ich mich. Wer hat nun die Leitung im Maschinenraum während seiner Abwesenheit?“
    „Fähnrich Sanchez trägt die Leitung. Der Junge ist völlig aus dem Häuschen, dass er auch einmal Verantwortung tragen darf.“
    „Sehr schön für ihn,“ wie Lewinski fand. „Also, was sind die neusten Berichte?“
    Lieutenant Bird und Ardev blickten sich kurz an, im Anschluss hob Danny Bird ein Padd und erklärte:
    „Schlechte Nachrichten: während der letzten Offensive haben die Romulaner unerwartet hohe Verluste erlitten, als sie die Kolonie Avalon 3 einnehmen wollten.“
    „Massive Verluste? Wie haben die Talarianer denn das geschafft?“ fragte Dr. Frasier überrascht und drückte so ziemlich genau das aus, was alle Anwesenden dachten. Mit bedeutungsvollem Blick musterte Danny Bird kurz die Anwesenden. Er wusste ganz genau welche Reaktionen er mit dem auslösen würde, was er gleich aussprach:
    „Die Talarianer haben Massenvernichtungswaffen eingesetzt.“
    „Was??“
    Captain Lewinski sprang fast von seinem Sessel auf. Auch die anderen waren mehr als überrascht, obwohl sie vom rein Logischen her dies hätten erwarten müssen. Wie erwartet hatten die Talarianer keine Chance in diesem Konflikt. Früher oder später war einfach zu erwarten gewesen, dass dieses Volk das letzte ihnen bekannte Mittel der Verteidigung einsetzen würde.
    „Welche Waffen?“ fragte Tellom.
    „Antimaterie- und Subraumwaffen,“ erklärte der Sicherheitschef.
    „Subraumwaffen?“ fragte Price überrascht. „Ich war zwar nie der Beste in Geschichte, doch sind diese nicht seit dem Khitomer-Abkommen verboten?“
    „Wenn man mit dem Rücken zur Wand steht,“ meinte Captain Lewinski, „dann glaube ich kaum, dass man sich um solche Paragraphen kümmert. Wir alle haben mehr oder weniger mit dieser Entwicklung gerechnet, auch wenn wir versucht hatten diese Vorahnung zu unterdrücken. Gibt es schon irgendwelche Reaktionen der Regierungen?“
    „Das MPA-Parlament ist zu einer Krisensitzung zusammengekommen. Einmal mehr verlangen die Romulaner, dass sich die anderen Völker in den Krieg einschalten, um der massiven Bedrohung, die von den Talarianern ausgeht, Herr zu werden,“ zitierte Ardev.
    Plötzlich piepte der Kommunikator des Captains.
    „Sir, hier spricht Fähnrich Locarno. Wir kriegen hier etwas vom Oberkommando rein, was sie sich unbedingt ansehen sollten.“
    Zwar wusste er nicht, worum es sich handeln könnte, doch Lewinski schaltete den Monitor an, der sich an der Wand befand und schaute wie alle anderen auf die sich dort abspielenden Bilder.
    Es war schrecklich.
    Eine verwackelte Handkamera zeigte Leichen am Boden; Terellianer, die von Phasern erschossen worden waren. Überall lag Blut. Überlebende wurden gezeigt, die in einer Ecke standen und wimmerten. Bewacht wurden sie von zwei Andorianern, die ihre Gewehre auf die Gefangenen (?) richteten. Und aus dem Off erklang eine selbstsichere, fast schon sympathische Stimme:
    „Hiermit teilen wir ihnen mit, dass die Imperiale Andorianische Garde das Friedens-Museum auf Terellia eingenommen hat. Wir haben Zwölf Geiseln in unserer Hand, die wir beim geringsten Befreiungsversuch töten werden. In Kürze melden wir uns wieder mit Forderungen.“
    Dann verschwand das Bild und wurde durch einen elektronischen Brief ersetzt, der der Monitor galt. Es handelte sich um Einsatzbefehle. Alle im Raum waren geschockt und kaum in der Lage die Mitteilung zu lesen. Auch John Lewinski brauchte mehrere Anläufe, bis ihm klar wurde, was man von ihnen wollte. Schließlich aktivierte er eine Sprechverbindung:
    „Fähnrich Locarno, Kurs nach Terellia, maximale Geschwindigkeit!“
    „Aye Sir.“
    „Und alle anderen hier bereiten Analysen dieser Aufnahmen vor. Ich will so viel wie möglich über das eben Gesehene wissen.“
    Fast gleichzeitig sprangen die Offiziere auf und begaben sich an ihre Aufgaben. Allen war klar: die Lage wurde ernster und ernster in diesem Quadranten.

    Vom Autopiloten wurde das Shuttle in die Einflugschneise der alten D7-Raumstation gelenkt. Im Inneren des kleinen Gefährts saß Chief Woil, die Arme vor der Brust verschränkt und dachte nach. Diesen Ort hatte er schon eine ganze Weile nicht besucht, dementsprechend war er sich alles andere als im Klaren darüber, wie man auf seine Ankunft reagieren würde. Der Antrag auf Sonderurlaub war eine perfekte Tarnung gewesen, um die alte Raumstation zu besuchen. Selbstverständlich fühlte der Chefingenieur Scham angesichts der Tatsache, dass er seine Freunde belogen hatte. Doch die Situation war ernst und der Bedarf dringend. Um etwas Kraft für die bevorstehenden Aufgaben zu tanken hatte Jozarnay versucht etwas zu beten, doch es war ihm nicht gelungen. Egal wie sehr er es auch probiert hatte, nie hatte er es geschafft genügend Konzentration für das Gebet aufzubringen und er wusste ganz genau woran dies lag. Der Antosianer konnte sich keinen göttlichen Beistand für eine Tat erhoffen, die vor den Augen des Gesetzen und seines Herrn eine Straftat war. Und obwohl er dagegen ankämpfte, versuchte diesen Drang zu unterdrücken, es gelang ihm einfach nicht. Noch bevor das Shuttle endgültig angedockt hatte war Jozarnay Woil klar, dass er verloren hatte. Zum zweiten Mal in seinem Leben befand er sich auf einem Pfad, der ihn höchstwahrscheinlich ins sichere Verderben führen würde. Welch Ironie: er sah das Ende quasi vor sich, doch als ob er sich auf Schienen bewegte war es ihm unmöglich diesen Weg, den er eingeschlagen hatte, zu verlassen. Traurig seufzte Woil. Wie weit war es nur mit ihm gekommen?
    Endlich hatte das Shuttle seine endgültige Halteposition erreicht und die Tür öffnete sich, so dass der Antosianer die völlig veraltete Raumstation betreten konnte. Mit seinem geschulten Ingenieursblick erkannte er, dass sich auch seit seinem letzten Besuch hier vor knapp zwei Jahren nicht viel gebessert hatte. Noch immer waren viele Verkleidungen entfernt worden, Rohre und Leitungen notdürftig geflickt, was eigentlich kein großes Wunder war. Inzwischen war es sehr schwierig geworden Ersatzteile für eine alte D7-Raumstation zu finden, die schon vor Jahrzehnten ausgemustert worden war. Und die Leute, die diese Anlage betrieben gehörten auch nicht gerade zu den Personen, die sich bereitwillig auf eine Warteliste setzen ließen. An einigen dubiosen Händlern und Frachtercaptains ging der in zivil gekleidete Woil vorbei, auf der Suche nach einem ganz bestimmten Raum. Endlich fand er das alte Geschäft, welches sich wie der Rest dieses Ortes überhaupt nicht verändert hatte. Immer noch hing ein Tuch vor dem Fenster und der Tür, welches vor unliebsamen Blicken schützen sollte. Aus dem Inneren konnte der Chief mehrere Stimmen hören, die ihm vertraut klangen. Ja, es waren sogar noch dieselben Personen in diesem Geschäft anwesend. Ein letztes Mal atmete der Chefingenieur der Monitor durch, dann schob er das Tuch zur Seite und betrat das kleine Geschäft. Sofort drehten sich die Köpfe der drei Anwesenden in seine Richtung. Der Besitzer dieses Anwesens, der hinter einer Theke stand, brauchte einen kurzen Moment, um sich zu erinnern, dann blitzte der Moment der Erkenntnis in ihm auf und der dickliche Mann zog einen Phaser hervor, den er auf Woil richtete.
    „Ho! Immer langsam mit den Pferden!“ meinte Jozarnay und hob seine Hände in die Höhe. Auch die beiden anderen Anwesenden Männer zückten ihre Waffen und richteten sie auf den Antosianer.
    Für einen kurzen Moment herrschte gespanntes Schweigen, dann grinste der dickliche Mann geradezu schmierig und meinte:
    „Ganz schön lange her, dass du dich hier hast blicken lassen, Jozarnay.“
    „Dem kann ich nicht widersprechen, Kellerung.“
    Der als Kellerun angesprochene setzte wieder eine ernste Miene auf und dachte immer noch nicht daran seine Waffe vom Kopf des Chiefs zu richten.
    „Was willst du hier?“
    „Wieso sollte ich wohl hier sein?“ fragte Woil zynisch. „Ich brauche White.“
    „Für meinen Geschmack ist es ziemlich lange her, dass du deine letzte Ration gekauft hast,“ fand Kellerun. „Verdächtig lange.“
    „Verdächtig?“ fragte Jozarnay überrascht nach.
    „Du hast schon richtig gehört! Zwei Jahre lässt du dich hier nicht mehr blicken, meldest dich nicht mehr bei mir und ich fange an zu überlegen: hat es den guten Jozarnay etwa erwischt? Hat möglicherweise einer meiner besten Kunden sich eine Überdosis gegeben und ist so jämmerlich verreckt?“
    Der Antosianer wollte gerade auf die Frage antworten, da sprach der Geschäftsinhaber schon weiter:
    „Oder hat man ihn geschnappt und ins Gefängnis gesteckt? Drogenmissbrauch wird in der Föderation hart bestraft und es wäre sehr unwahrscheinlich, wenn du bei diesem Szenario jetzt schon freigekommen wärst. Es sei denn du würdest nun als Spitzel der Föderationsjustiz arbeiten und im Moment alles daran setzen mich in eine Falle zu locken.“
    Nun bekam es Jozarnay Woil mit der Angst zu tun. Mit einer solchen Reaktion hatte er überhaupt nicht gerechnet. Eigentlich wollte er nur auf diese Station fliegen, sich einen neuen Vorrat Ketracel-White besorgen und dann wieder auf die Monitor zurückkehren. Doch stattdessen richtete man eine Waffe auf sein Gesicht und verdächtigte ihn ein Polizist zu sein. Na ja, in gewisser Weise war er dies als Angehöriger der Sternenflotte ja auch, doch im Moment übte er nicht diese Funktion aus.
    „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich sagen soll,“ gab Woil zu.
    „Wie wär’s mit der Wahrheit?“ schlug Kellerun vor und wirkte ungeduldig.
    „Die Wahrheit? Okay, hier ist die Wahrheit. Deine Vermutung war richtig; zumindest die Erste. Vor zwei Jahren hat mich eine Überdosis umgehauen und ich wäre fast jämmerlich daran verreckt. Nur mit Mühe habe ich mich der Justiz entziehen und einen Platz finden können, an dem ich mich auskurieren konnte. Und nun bin ich wieder her, denn ich brauche neues White. Ich bin noch jung und will meinen Spaß haben. Komm schon Kellerun, du weißt selbst, wie gut das Zeug ist. Bitte glaub mir.“
    Kellerun überlegte und meinte dann:
    „Ein Unschuldiger bittet nie darum, dass man ihm glaubt.“
    Fast schon dachte Jozarnay sein letztes Stündlein hätte geschlagen, dann nahmen die drei Männer endlich ihre Waffen runter.
    „Ich glaube dir, fürs erste zumindest,“ meinte Kellerun, „aber ich kann dir jetzt noch kein neues White geben. Noch nicht.“
    „Hast du keins da? Wie lange brauchst du, um neues zu besorgen?“
    „Keine Sorge, ich regle das schon. In der Zwischenzeit solltest du dir eine Unterkunft besorgen,“ meinte Kellerun fast fürsorglich. „Nein, wir machen das anders: du schläfst hier. Ich mache dir ein Zimmer frei.“
    Woil nickte und war erleichtert. Fürs erste war er gerettet. Mal sehen, wie die Situation in fünf Minuten aussah...

    Der erste Offizier des Raumschiffs Monitor stand vor der Zugangstür zum Bereitschaftsraum des Captains und betätigte den Summer. In dieser einen Sekunde, in der er auf ein Hereinrufen seitens Captain Lewinski wartete, gingen ihm tausende Gedanken durch den Kopf. Die meisten von ihnen waren nicht positiver Natur.
    Was war nur in letzter Zeit aus seinem Leben geworden? Matt Price hatte auf einmal das Gefühl, dass alles drunter und drüber gehen würde. Erst war da Elizabeth Frasier, eine Frau, die er eigentlich liebte und mit der er doch nicht zusammen war; aus Gründen, die ihm selbst suspekt erschienen. Worauf wartete er eigentlich bei ihr? Er liebte sie und sie liebte ihn, soviel stand fest. Und doch war da eine unsichtbare Barriere, die ihn daran hinderte auf sie zuzugehen und die Zeit mit ihr zu verbringen. Moment, korrigierte sich der Halbbetazoid selbst, so unsichtbar war die Barriere gar nicht. Der Grund für sein zögerliches Verhalten Elizabeth gegenüber war niemand anderes als Selina Kyle, seine Imzadi. Oder war es viel eher seine ehemalige Imzadi? Immerhin konnte dieses Band, welches Liebende zusammenhielt, niemals gelöst werden, sondern bestand für immer. Eigentlich hatte Matt schon lange mit diesem Kapitel seines Lebens abgeschlossen und war bereit gewesen einer neuen Liebe eine Chance zu geben. Doch dann kam dieser Anruf von Kyle, in der sie ihm sagte, dass sie schwanger wäre. Schwanger von einem kurzen Techtelmechtel, welches sie vor einigen Monaten gehabt hatten. Ein kurzes, stürmisches Wiederaufflammen ihrer nicht verloschenen Zuneigung; quasi eine Hommage an die glücklichen Tage, die sie zusammen gehabt hatten. Sie war schwanger und erwartete ein Kind. Bisher wusste Matt nicht, ob es ein Junge oder ein Mädchen war und welchen Namen das Kind tragen würde. Doch er hatte ihr seine Unterstützung zugesichert, denn es war immerhin sein Kind und obwohl die Situation so vertrackt war, freute sich der Commander über seinen Nachwuchs. Doch wie sollte das Kind groß werden? Auf einem Raumschiff, getrennt von einem Elternteil? Unwillkürlich musste der Halbbetazoid an seine eigene Kindheit denken. Ohne Vater war er groß geworden, von dem seine Mutter sitzen gelassen worden war. Wie würde sein eigenes Kind über Matt denken, wenn es alt genug war um diese Gedankengänge zu erfassen? Würde es Verständnis zeigen oder eine ähnliche Wut entwickeln, wie sie Commander Price für seinen Erzeuger, den er nie kennen gelernt hatte, empfand. Doch dann stoppte er diese Gedankengänge, denn sie waren unsinnig. Er selbst kannte seinen Vater nicht, hatte nicht einmal ein Foto von ihm, denn seine Mutter hatte alle Erinnerungen an diese unliebsamen Erinnerungen verbannt, so als wäre nichts geschehen. Sein Kind jedoch würde zumindest seinen Vater kennen und das war doch schon was. Leider wusste Price jedoch auch nicht viel, wie man das Kind großziehen sollte.
    Und dann war da noch ein Problem, welches vor kurzem aufgetaucht war. Nicht nur, dass sich Matt mit einer spirituellen Krise, mit einer überraschenden Vaterschaft und einer unglücklichen Liebe rumschlagen musste, nun war auch noch ein neuer Faktor hinzugekommen. Ihm war etwas in letzter Zeit aufgefallen und das, was er gesehen hatte, gefiel ihm ganz und gar nicht. Kurz blickte Matt hinter sich zur taktischen Konsole und sah dort Lieutenant Bird sitzen, der in seine Arbeit vertieft war. Der junge Mann schien in letzter Zeit ein Interesse an Elizabeth Frasier zu entwickeln. Es kursierten inzwischen Gerüchte an Bord des Schiffes, dass es während der letzten Undercover-Mission der beiden geknistert hätte und dieser Gedanken machte Matt wütend. Eine völlig unsinnige Reaktion gegenüber einem Mann, den er bisher als einen Freund angesehen hatte, doch auf einmal spürte er so etwas wie Eifersucht gegenüber Danny. War da etwas dran an den Gerüchten? Begehrte er sie etwa auch? Und wenn dem so war, wie sollte Matt in Zukunft auf den taktischen Offizier reagieren? Fragen über Fragen, überhaupt keine Antworten.
    Zischend öffnete sich die Tür und gewährte dem ersten Offizier den Zugang zum Büro seines Kommandanten. Fast sofort als er den Raum betrat nahm Matt trotz seiner nur mäßig ausgebildeten empathischen Fähigkeiten eine tiefe Trauer war. Im ersten Moment wähnte er diese als Reaktion auf das eben gesehene Blutbad, doch mit etwas Mühe konnte er eine tiefere Bedeutung dahinter entdecken. Zu schade, dass er seine Fähigkeiten im Laufe der Jahre immer mehr hatte verkümmern lassen. Er hatte eine außergewöhnliche Gabe, die eigentlich gepflegt werden sollte. Ob es eine Art Fortbildungskurses für derartiges gab? Vielleicht lohnte es sich ja bei der Sternenflotte deswegen anzufragen.
    „Was kann ich für sie tun, Commander?“ begrüßte Lewinski seinen Stellvertreter genauso förmlich wie eh und je.
    „Skipper,“ begann Matt mit seiner für ihn typisch lockeren Art, „ich habe da eine kurze Frage.“
    „Nur zu, Mr. Price.“
    „Also ich verstehe ja die Brutalität und die Tragik dessen, wovon wir eben Zeuge wurden, doch ich sehe da einen kleinen Zuständigkeitskonflikt.“
    „In wie fern?“ fragte Captain Lewinski und schien zu verstehen, worauf sein Gegenüber hinauswollte.
    „Wie ich das verstehe, haben wir es mit einem lokalen Problem der terellianischen Behörden zu tun, das von deren Polizei gelöst werden sollte. Ich sehe hier keinen militärischen Konflikt, der veranlassen könnte, dass ein Schiff der Sternenflotte sich der Sache annehmen müsste.“
    Bedächtig nickte John Lewinski. Mit dieser Frage hatte er gerechnet, da er selber einige Zeit darüber hatte nachdenken müssen, bevor man ihn eingeweiht hatte. Derzeit hatte er nicht vor die Antwort zu verheimlichen, also erklärte er:
    „Die Monitor wurde speziell angefordert.“
    „Angefordert?“ fragte Price. „Von wem denn?“
    „Von Arsani Parul. Wissen sie, von wem ich spreche?“
    Price schnaufte verächtlich.
    „Wollen sie mich auf den Arm nehmen, Chef? Natürlich kenne ich Dr. Dr. Arsani Parul, betazoidischer Sonderbotschafter der Föderation, der seine Abschlüsse in Psychologie und Staatswissenschaften hat. Selbst ich, der in der Schule nicht so aufgepasst hat, weiß, dass dieser Mann eine Legende ist. Keine Ahnung, wie viele Grenzabkommen er für die Föderation ausgehandelt hat. Aber was hat er mit der Sache zu tun?“
    „Dr. Parul befand sich gerade auf Terellia, als das Verbrechen geschah. Spontan begab er sich an den Tatort und übernahm, aufgrund seines guten Rufs und seiner Beziehungen, die Leitung. Bisher ist es ihm jedoch nicht gelungen die Geiselnehmer zur Aufgabe zu überreden und nun hat er die Monitor angefordert.“
    „Wieso uns?“ fragte Price.
    „Ich habe keine Ahnung,“ gab Lewinski unumwunden zu.
    Plötzlich schloss Matt die Augen und seufzte. Ein tiefer Schmerz breitete sich in ihm aus, stechend und heiß, der jedoch nicht von ihm selbst stammte.
    „Commander,“ zeigte sich Lewinski besorgt und erhob sich aus seinem Stuhl, „geht es ihnen nicht gut?“
    „Mit mir ist alles in Ordnung... aber irgendetwas ist eben passiert. Mich traf eine starke... emotionale Welle, wenn ich das ganze mal sagen kann und sie stammt ganz aus unserer Nähe.“
    Die beiden Führungsoffiziere schauten sich besorgt an und verließen dann den Bereitschaftsraum, um auf der Brücke nach dem Rechten zu sehen.

    Wieder und wieder schauten sich Danny Bird, Ardev und Arena Tellom den kurzen Videoabschnitt an, den sie aufgezeichnet hatten und versuchten so viele Informationen wie möglich durch ihn zu erhalten. Jeder einzelne der Offiziere war mit Analysen beschäftigt, auf der verzweifelten Suche nach Informationen, die ihnen irgendwie weiterhelfen konnten. Tellom vertiefte sich in die Baupläne des terellianischen Museums, Ardev schaute sich das Band an und versuchte Informationen über die Zahl der Geiseln und Geiselnehmer zu erlangen, während Danny eine Stimmanalyse durchführte. Er war es auch, der als Erster einen nennenswerten Erfolg verbuchen konnte.
    „Ich habe da etwas,“ meinte der Lieutenant nicht ohne Erleichterung.
    „Nur raus mit der Sprache.“
    „Die Stimme des Sprechers habe ich mal auf gut Glück durch unsere Datenbanken laufen lassen,“ erklärte der Sicherheitschef, „und obwohl die Chance dafür gering war habe ich tatsächlich etwas herausgefunden. Bei der Person handelt es sich um Bolar, einen männlichen Andorianer, der...“
    „..früher ein geachteter Politiker war, zumindest was Lokales anging,“ ergänzte Ardev und schluckte.
    „Du kennst ihn?“ fragte Danny, ohne sonderlich überrascht zu sein.
    „Ich gehe davon aus, dass jeder Andorianer zumindest mit seinem Namen etwas anzufangen weiß,“ gab der Einsatzoffizier freimütig zu. „Er galt lange Zeit als oppositioneller Mahner, der, obwohl seine Meinung manchmal recht harsch und altmodisch war, doch als eine Art Gewissen des Volkes angesehen wurde.“
    „Hier steht, er habe sich aus der aktiven Politik zurückgezogen,“ meinte Lieutenant Tellom.
    „Das ist korrekt. Er war seid Jahren nicht mehr aktiv am politischen Geschehen beteiligt,“ bestätigte Ardev. „Um ehrlich zu sein war es sogar so, dass er abgetaucht war.“
    „Abgetaucht? Wozu?“ fragte Danny.
    „Immer wieder gab es Gerüchte er hätte sich irgendwelchen Gruppen und Zielen verschrieben, die wir im besten Falle als illegal, im schlimmsten als terroristisch bezeichnen könnten. Nun, wie es aussieht trifft dies leider zu.“
    „Wieso sprach er von der Imperialen Garde?“ hakte Bird nichts ahnend nach. „Die gibt es doch schon seit Eintritt Andors in die Föderation nicht mehr.
    „Du hast recht,“ erklärte der Andorianer, „die Imperiale Garde war, wie es der Name schon sagte, die Streitmacht des Andorianischen Imperiums und hatte innerhalb des Quadranten einen äußerst respektabeln Ruf. Wie jedem wohl bekannt sein dürfte hatte mein Volk früher eine kriegerische Ader, die inzwischen, seit der Mitgliedschaft in der Föderation, abgeklungen ist. Die Verwendung dieses alten Begriffes, in Verbindung mit dem eben Geschehenen... ich kann nur spekulieren, aber es scheint mir fast so als wolle Bolar Andor wieder auf den alten Weg führen, wie er es so oft sagte.“
    „Ich habe mir schon einmal die Baupläne des Museums angesehen, um auf ein eventuelles Eingreifen vorbereitet zu sein,“ meinte Arena und schluckte unbehaglich, als sie die Baupläne erneut musterte. Sehr oft war sie in ihrer Kindheit hier gewesen, um die Geschichte ihres Volkes und der des Quadranten zu erlernen. Schon damals war ihr Interesse an Geschichte und Wissenschaft groß gewesen und das Museum hatte alles geboten, um ihre Neugierde zu befriedigen. Wer weiß, vielleicht hätte sie ohne diesen Ort niemals ihren Weg in die Sternenflotte gefunden.
    Flüchtig blickte sie noch einmal auf den Monitor, der abermals das Videoband abspielte, um mit ihrer Erklärung zu beginnen. Dann jedoch stockte Lieutenant Tellom.
    „Computer, spule die Aufzeichnung um zwei Sekunden zurück.“
    Überrascht versuchten Ardev und Bird herauszufinden, worauf ihre Kollegin hinauswollte und musterten den Bildschirm aufmerksam. Die Aufnahme wurde kurz zurückgespult, zurück zu einer am Boden liegenden terellianischen Leiche, die auf dem Bauch lag. Der Kopf der männlichen Person war leicht zur Seite gedreht, so dass man in seine leblosen Augen blicken konnte, was ein äußerst unheimlicher Anblick war. Unruhig schluckte Ardev, als seine Ehefrau das Bild vom Computer näher heranzoomen ließ und es aufmerksam betrachtete. Dann schrie sie los. Arena schüttelte sich und drehte sich vom Bildschirm weg, schrie ihr Entsetzen in die Welt hinaus und konnte nicht verhindern, dass sie in Tränen ausbrach. Entsetzt drehten sich die Köpfe der Brückenbesatzung zu ihr herum und versuchten zu erahnen, was auf einmal geschehen war. Bird und Ardev wussten es in dem Moment, als sie auf die vergrößerte Abbildung, die der Bildschirm zeigte, schauten. Auch Ardev schluckte, als ihm die Katastrophe bewusst wurde. Captain Lewinski und Captain Price kamen gerade rechtzeitig aus dem Bereitschaftsraum heraus, um ebenfalls den Grund für die Tragödie zu erfahren. Ja, es gab keine Zweifel mehr: bei der auf dem Boden liegenden Leiche handelte es sich um den leblosen Körper von Reno Tellom. Arenas Bruder.

    „Aufstehen!“
    Kaum zu glauben, aber Jozarnay hatte tatsächlich ein Auge zugetan. Eigentlich war er überhaupt nicht müde gewesen und hatte sich eher aus Gründen der Langeweile hingelegt. Scheinbar war er doch irgendwann eingeschlafen, ohne recht zu wissen wie lange er überhaupt geruht hatte? Stunden oder doch eher nur Minuten? Bei der Person, die an seinem unbequemen Bett stand und ihn weckte, handelte es sich um Marcos, einer von Kelleruns Stellvertretern ( oder besser gesagt Lackaffen ), die Woil noch von früher kannte.
    „Ja ja, bin ja schon wach,“ meinte der Antosianer und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Kurz blickte er in den Spiegel und war erstaunt, dass er fitter aussah als angenommen. Marcos brachte ihn zurück in den Hauptraum des Geschäftes, in dem Kellerun auf ihn wartete. Die dritte Person war nicht auffindbar, was in Woil jedoch keine allzu große Trauer verursachte.
    „Was kann ich für dich tun,“ fragte der Antosianer Kellerun und gähnte noch einmal herzhaft.
    „Du willst White?“ fragte der Ladeninhaber frei heraus.
    Jozarnay überlegte. Eigentlich war er sich bis vor kurzem sicher, dass er eine neue Ration brauchte, mit der er dann auf das Schiff zurückkehren konnte. Doch in diesen Moment, als man ihm diese eine Frage stellte, meldete sich für einen kurzen Moment sein Gewissen zurück. Noch war es nicht zu spät nach Hause zurückzukehren und von seinen Problemen zu berichten. Er hatte schon einmal einen Entzug geschafft, wieso also nicht ein zweites Mal? Dann jedoch verwarf der Chefingenieur diesen Gedanken. Beim ersten Mal hatte er schon Glück gehabt. Nun würde man ihn bei dem Bekanntwerden seiner erneuten Sucht aus der Sternenflotte werfen und das wollte Woil um jeden Preis verhindern. Was war schon dabei, wenn er sich eine neue Dosis kaufte?
    „Ja, ich brauche es,“ antwortete er daher.
    „Dann habe ich eine gute Nachricht für dich,“ meinte Kellerun, „du brauchst für eine neue Ration nichts zu bezahlen.“
    „Gute Nachrichten gehen oft einher mit schlechten. Wie wär’s wenn du mir von der schlechten erzählen würdest?“ kombinierte Jozarnay.
    „Die schlechte Nachricht ist gar nicht so schlecht; zumindest für mich nicht. Du musst einen kleinen Austausch für mich vornehmen. Du kriegst etwas Geld, mit dem du mir eine neue Lieferung Rohwhite besorgen wirst. Später werde ich dich dann mit einem großzügigen Anteil des veredelten Whites entschädigen. Na, was meinst du?“
    Unbehaglich schluckte der Antosianer. Damit hatte er nicht gerechnet. Eigentlich hatte er sich nur neue Drogen kaufen wollen, nun sollte er also auch noch in einen offensichtlichen Deal verwickelt werden? Er wusste ganz genau, dass die Unterwelt, die mit diesen Dingen handelte, äußerst gefährlich war. Und was, wenn dies eine Falle war? Wollte man ihn vielleicht töten? Eine verspätete Rache Kelleruns? Doch für was? Lange Zeit überlegte Jozarnay, ob der Kosten-Nutzen-Faktor gut genug war. Dann endlich fällte er seine Entscheidung:
    „Bin dabei. Was soll ich tun?“

    Kurz bevor die Monitor in den Orbit von Terellia eingeflogen war hatte sie sich getarnt. Auch wenn man das Schiff hierher bestellt hatte, so sollten doch so wenig Personen wie möglich von der Anwesenheit dieses Sternenflottenschiffes wissen. In der Hauptstadt hatte sich die Lage bisher nicht verändert, immer noch wartete man darauf, dass die mysteriösen Geiselnehmer einen erneuten Kontakt zur Außenwelt herstellen würden. John Lewinski fühlte sich miserabel, als er sich auf den Planeten hinunterbeamte. Er hatte beschlossen sich zuerst die Situation selbst anzusehen, bevor er sich dazu entschloss, wen er für welche Aktionen gebrauchen könnte. Die Sternenflottenuniform hatte der Kommandant gegen Zivilkleidung eingetauscht; der Diskretion wegen. Sekunden nach seiner Materialisation auf der Planetenoberfläche bewegte sich Lewinski auf das abgesperrte Museum zu, um das Hunderte von Schaulustige standen. Gaffer, die nichts zur Situation beitragen konnten und doch wie magisch von diesem Ereignis angezogen worden waren. Ob aus Sorge zu den Gefangenen oder aus purer Sensationsgier war nicht auszumachen. Presseleute berichteten über diese planetare Krise und versuchten die Situation nicht noch weiter anzuheizen, wofür ihnen John stumm dankte. Ein Polizist näherte sich ihm, als der Captain der Absperrung näher kam, und wollte ihn schon abweisen, doch ein Blick auf den sofort gezückten Ausweis brachte den Beamten dazu John passieren zu lassen. Schnell machte er den Kommandostand aus und näherte sich ihm. Dort stand ein älterer Polizist vor mehreren Monitoren, neben ihm ein großer Kerl, der nur wenig jünger war. Abermals hielt John seinen Ausweis hoch.
    „Captain John Lewinski vom SFI,” stellte er sich vor.
    Die beiden Männer drehten sich um und musterten den Neuankömmling überrascht. Der terellianische Polizeichef schüttelte dem Captain die Hand, während sich die andere Person ( ein Betazoid vorstellte ).
    „Gut, dass sie hier sind, Captain. Ich bin Arsani Parul.“
    Nun war es an John seinen Gegenüber überrascht zu mustern. Auch wenn er es nicht zugeben wollte, auch für ihn war es eine Ehre einen solch großen Politiker zu treffen. Und trotz seiner knapp fünfzig Jahre sah Parul noch erstaunlich frisch aus. Vom Haarverlust war er verschont worden und die grauen Strähnen schienen ihn nur noch weiser wirken zu lassen. Der Betazoid war groß und schlank, was auf eine ausgewogene Ernährung und viel Sport hinwies.
    „Dr. Dr. Parul, es ist mir eine große Ehre,“ entgegnete John aufrichtig.
    „Ach, das wird doch auf Dauer zu kompliziert, finden sie nicht auch?“ meinte Parul und lächelte sogar, „nennen sie mich nur Parul oder gleich Arsani.“
    „Wie sie wünschen, Parul,“ meinte Lewinski und verzichtete aus Respekt auf den Gebrauch des angebotenen Vornamens. „Jetzt, wo wir uns alle kennen, würde ich gerne ein Statusupdate bekommen, sofern dies möglich ist.“
    „Natürlich,“ erklärte der Polizeichef, „auch wenn hier Monitore stehen, so muss ich ihnen leider mitteilen, dass wir von innerhalb des Gebäudes keine Aufnahmen bekommen, natürlich mit Ausnahme des Bandes, welches uns die Geiselnehmer selbst geschickt haben. Wenn sie mich fragen, dann wurde dieser Coup von langer Hand vorbereitet. Die Leute da drin haben alle Zugänge blockiert, kein Fenster oder Lüftungsschacht ausgelassen. Jede einzelne Schwachstelle wurde von denen durchdacht. Wir können keine Kameras installieren, kein Anästhesiegas einsprühen und vom Beamen brauchen wir erst gar nicht zu sprechen. Wenn sie mich fragen, dann ist diese ganze Nummer etwas zu groß für Kleinkriminelle. Die ganze Aktion muss über Monate hinweg geplant worden sein. Seltsam, dass ihre Behörde nichts davon bemerkt hat.“
    „Diesen Schuh müssen wir uns wohl tatsächlich anziehen,“ akzeptierte der Captain diese kleine Kritik. „Jedoch können wir ihnen mit jeder Menge Daten über den Anführer dieser kleinen Aktion dienen. Vielleicht nützt dies ihren Psychologen etwas, um so ein Profil für künftige Verhandlungen zu erstellen.“
    „Das ist besser als nichts,“ dankte ihm der Polizist und freute sich über diese erste positive Nachricht seit langem. Das stundenlange Abwarten machte ihn ganz mürbe, ganz besonders die Tatsache, dass man die gesamte terellianische Polizei ausgekontert hatte.
    „Auf diese Art von Initiative hatte sich gehofft,“ freute sich Dr. Parul und klopfte Lewinski anerkennend auf die Schulter.
    „Dürfte ich sie nach dem Warum fragen, Dr. Parul... Parul?“
    Der Betazoid nickte und führte Lewinski etwas mit sich, damit sie sich ungestört unterhalten konnten.
    „Nun, mir ist ihr Ruf schon zu Ohren gekommen.“
    „Tatsächlich?“ fragte Lewinski überrascht nach.
    „Ja, die Monitor ist ein exzellentes Schiff des Geheimdienstes. Sie haben einige beeindruckende Missionen hinter sich gebracht. Allein die Rettung des Ministers vor wenigen Wochen oder damals diese skurrile Mordserie auf Vulkan... ich weiß nicht, ob dies eine andere Crew geschafft hätte.“
    „Nun, ich kann mich nur für die Blumen bedanken,“ entgegnete Lewinski und freute sich ehrlich darüber, nach so vielen harten Einsätzen auch einmal ein Lob zu kassieren, „aber wie wissen sie von uns?“
    Wieder lächelte Parul auf diese vertrauensselige Art und Weise, die ihn am Verhandlungstisch schon so oft Erfolg beschert hatte.
    „Kennen sie sich mit der derzeitigen Besetzung des Ausschusses für Geheimoperationen aus?“
    „Ich kenne einige der Personen,“ gab der Captain offen zu, „aber auch nicht alle. Immerhin sollte die Identität so weit es geht geheim bleiben.“
    „Dann darf man ihnen gratulieren,“ entgegnete Arsani, „nun kennen sie ein weiteres Mitglied.“
    „Sie? Sie sind im Ausschuss für strategische Geheimoperationen?“
    „Dies ist korrekt. Ich habe an der Arbeit ihrer Behörde auch ein persönliches Interesse. Immerhin helfen mir die Informationen, die sie ermitteln, bei meinen Verhandlungen bei manchmal recht schwierigen Fällen. Daher sind Schiffe wie die Monitor für mich nicht unbekannt. Sie würden schmunzeln, wenn sie wüssten, wie viele ihrer Missionen ich selbst autorisiert habe.“
    „Da widerspreche ich ihnen mal lieber nicht,“ erwiderte Captain Lewinski und blickte zu dem Museum, welches sich am Horizont abzeichnete. Während sie hier einen fast schon gemütlichen Plausch hielten fürchteten sich dort drinnen Geiseln um ihr Leben. John beschloss wieder zu dem eigentlichen Grund seines Aufenthalts hier zurückzukehren.
    „Arsani, was machen sie eigentlich hier bei einer polizeilichen Untersuchung?“
    „Purer Zufall, Captain. Ich versehe gerade meinen Urlaub hier auf Terellia und wollte mich gerade auf den Weg in eben jenes Museum machen, da wird mir von einem Polizisten der Weg versperrt, der mir eröffnet, jener Ort wäre eben von bewaffneten Andorianern gestürmt worden. Welch ein Glück doch manche Menschen haben müssen, Captain: nur eine Minute früher und ich wäre selbst eine Geisel geworden, wenn nicht gar schlimmeres. Daher ist es mir ein persönliches Bedürfnis bei der Entschärfung dieser Situation zu helfen. Die Erfahrung habe ich ja, zumindest was Verhandlungen angeht.“
    „Dies wird wohl niemand bestreiten. Jedoch haben sich die Herrschaften da drinnen schon lange nicht mehr gemeldet.“
    „Leider,“ gab Parul frustriert zu und blickte ebenfalls in Richtung Museum. Auch er fragte sich unwillkürlich was dort drinnen derzeit vorgehen musste. Mit seinen empathischen Fähigkeiten konnte er einige schwache Signale empfangen, mehr jedoch auch nicht. Er spürte Furcht, Angst und Hass, jedoch nicht stark genug, um sie einzelnen Personen zuzuordnen. Zu dumm das ganze.
    „Ich muss zugeben, dass auch für ein Mitglied meiner Crew diese ganze Angelegenheit persönlich geworden ist,“ erklärte John offen.
    „Wie meinen sie dies?“
    „Auf dem Flug hierher konnten wir ermitteln, dass unter den getöteten Terellianern ihr Bruder ist.“
    „Bruder? Dies ist... sehr tragisch,“ meinte der Sonderbotschafter in Ermangelung besserer Worte. „Wie heißt der Tote?“
    „Reno Tellom.“
    „Bitte richten sie Ms Tellom mein persönliches Beileid aus.“
    „Dies werde ich,“ erwiderte John und schluckte kurz. Auch für ihn war das ganze ein Schock. Noch vor nicht allzu langer Zeit hatte er den jungen Mann, der vor so viel Lebenslust gesteckt hatte, kennen gelernt und nun war dieser Tat. Eine ganze Hoffnung auf eine lange, erfolgreiche Zukunft war von diesen Attentätern zerstört worden. Lewinski fühlte keinen Hass auf Bolar, sondern nur Unverständnis. Wieso das ganze? Hatte es keinen anderen Weg gegeben?
    „Achtung, Bolar meldet sich wieder,“ rief ihnen auf einmal der Polizeichef zu und die beiden rannten zu dem Kommandostand zurück, richteten ihre gesamte Aufmerksamkeit auf die dort angebrachten Lautsprecher. Tatsächlich erklang wieder die Stimme des Anführers und trotz der schrecklichen Taten, die er begangen hatte, klang er immer noch charismatisch:
    „Hier spricht Bolar von der Imperialen Andorianischen Garde. Sind sie bereit unsere Forderungen zur Kenntnis zu nehmen?“
    „Positiv,“ bestätigte Parul.
    „Das andorianische Volk befindet sich in einem Zustand der Stagnation,“ begann der Andorianer seine einstudierten Worte, „es hat seine alten Werte und Traditionen verloren, aufgrund der Mitgliedschaft in der Föderation. Prinzipiell ist die Idee einer friedfertigen Föderation nicht abzulehnen, doch in ihrem gegenwärtigen Zustand ist sie der Grund dafür, dass das andorianische Volk seine eigene Identität vernachlässigt hat. Wir befinden uns hier auf Terellia, da dies seit Jahrhunderten der ärgste Widersacher unseres stolzen Imperiums war. Mehr als einmal sind unsere beiden Völker auf kriegerische Art und Weise aufeinander gestoßen und mehr als einmal ging Andor als Sieger aus diesen Schlachten hervor, in denen terellianische Soldaten tapfer gekämpft hatten und so einen würdigen Gegner geboten hatten. Es gab Zeiten, in denen Andorianer mit starker, aber gerechter Hand über diesen Planeten geherrscht hatten. Doch dann änderte sich alles... wenn man heute dieses Museum betritt, das sich angeblich mit der terellianischen Geschichte befasst, so sehe ich nichts als Lügen. Lügen über diesen Planeten, Lügen über seine Geschichten und Lügen über Andorianer. Und was tut mein einst so stolzes Volk? Statt sich dieser Schande anzunehmen, anstatt diese anzunehmen, tun wir gar nichts! Im Gegenteil, wir sind mit diesem Planeten sogar in einer Allianz, die uns verweichlicht und uns unsere Natur vergessen lässt.“
    „Was sollen wir demnach für sie tun?“ fragte Dr. Parul und unterbrach so den Redefluss Bolars.
    „Erstens: wir verlangen die förmliche Anerkennung der Geschichtsfälschung seitens der terellianischen Regierung.
    Zweitens: wir verlangen den Austritt Andors aus der Vereinigten Föderation der Planeten und ein Ausrufen eines neuen Imperiums.
    Drittens: wir verlangen vom andorianischen Volk ein Rückbesinnen auf die alten Werte. Dies beinhaltet auch ein Abbruch aller seit Bestehen der Föderation aufgebauten diplomatischen Kontakte mit Terellia.“
    Parul und Lewinski schauten sich an und fragten sich instinktiv, ob diese Forderungen ernst gemeint waren.
    „Ich werde sehen, was sich machen lässt,“ antwortete Parul, im Anschluss wurde die Verbindung unterbrochen. Was sonst hätte er sagen sollen?

    Die Schatten schienen um ihn herum länger und länger zu werden, als er sich in den dunklen Räumlichkeiten der Lagerhalle umsah. Hinter dem großen geschlossenen Schott konnte man leise die Geräusche der anderen Stationsbewohner vernehmen, die ihrem mehr oder weniger legalen Tageswerk nachgingen. Doch hier, in dieser großen Örtlichkeit, war Jozarnay Woil allein. Zumindest jetzt noch, denn hier sollte der Austausch stattfinden. Worauf hatte er sich da nur eingelassen? Er wusste doch, dass der Weg, den er beging, falsch war. Wieso also nur? Abermals hatte es der Antosianer nicht geschafft für sein Vorhaben zu beten; aus demselben Grund wie schon beim ersten Mal. Wo war nur sein Gewissen, sein Anstandsgefühl hin? Jozarnay seufzte. Wenn das seine Eltern wüssten… wie würden sie reagieren? Verärgert oder doch eher verständnisvoll? Der Chefingenieur der Monitor konnte sich diese Frage beim besten Willen nicht beantworten.
    Eine Kiste wurde zur Seite geschoben und er wirbelte herum. War dies der geheimnisvolle Kontaktmann? Unsicher presste Woil den Koffer mit dem Latinum an sich, so als fürchtete er ihn zu verlieren. Der Antosianer hatte es vorgezogen unbewaffnet zu erscheinen, um den Händler nicht unnötig zu provozieren. Doch jetzt, wo er auf den Tausch wartete, bereute er diese Entscheidung. Wahrscheinlich würde er sich mit der Waffe viel sicherer fühlen und einer möglichen Falle zuvorkommen. Und noch etwas war da in Jozarnay, eine Art lähmende Gewissheit. Irgendwie schien er zu wissen, dass in dem Moment, in dem er seinen Gegenüber den Koffer in die Hand drücken würde die Polizei oder Sternenflotte oder sonst wer eingreifen und ihn festnehmen würde. Und wie würde er dann seine Sucht vor den Kollegen geheim halten können, wenn der Bericht über seine Festnahme an das Oberkommando weitergegeben wurde? Der Chief war sich so sicher über das Eintreten eines solchen Ereignisses, dass er auf eine geradezu grotesk ruhige Art und Weise zu diesem Treffen gegangen war. In gewisser Weise fühlte er sich wie ein Krimineller auf dem Weg zum Schafott. Zwar ängstlich, das Haupt nichtsdestotrotz trotzig erhoben. Wenn dies der Weg war, den das Schicksal ihm ausgewählt hatte, dann würde er ihn auch beschreiten.
    Wieder rumpelte es und diesmal konnte der Chief eine Person erkennen, die auf ihn zukam. Zu seiner Überraschung musste er feststellen, dass es eine Frau war, eine Romulanerin. Überrascht musterten sich die beiden für einen kurzen Moment, im Anschluss setzte die bemerkenswert junge Frau eine Miene der Professionalität auf, die für sie typisch schien.
    „Haben sie es?“ fragte sie gleichzeitig neutral, aber auch drohend.
    „Kommt drauf an, ob sie mit leeren Händen zu mir gekommen sind oder nicht,“ entgegnete Woil und zwang sich zu einer ebenso neutralen Miene. Bald würde es passieren, in jedem Moment würden die Lichter der Halle angehen und ein Sondereinsatzkommando aus seinen sorgfältig vorbereiteten Verstecken hervorstürmen…
    „Ja, ich habe das Versprochene dabei,“ antwortete die Romulanerin und hielt einen Koffer hoch.
    „Sie zuerst,“ befahl Woil möglichst selbstsicher.
    Die bemerkenswert schlanke Frau ging zu einer Frachtkiste und stellte dort ihren Koffer ab. Mittels eines genetischen Passwortes öffnete sie ihn und präsentierte dem Chief den Inhalt. Mit einem von Kellerun ausgeliehenen Tricorder untersuchte der Antosianer den Koffer und nickte. Ja, es war Rohwhite und das in einer bemerkenswerten Qualität. Nun würde es also an ihm liegen. Kurz bevor er den Koffer auf den Container legte zuckte er innerlich zusammen.
    Jetzt! Jetzt müssen sie doch zuschlagen. Worauf warten sie?
    Doch gar nichts geschah. Weder gleißte helles Licht auf noch ertönten die für Ordnungshüter so typischen Sätze. Wieso dachte Jozarnay jedoch immer noch über diese eine Sache nach? Wünschte er sich etwa möglicherweise dadurch Erlösung? Wollte er doch, dass man ihm abermals half?
    Ein weiteres Mal verdrängte er diese Gedanken und präsentierte das von ihm mitgebrachte Latinum in seinem Koffer. Auch die Romulanerin zückte einen Scanner und überprüfte den Inhalt auf seine Qualität. Zufrieden lächelte sie.
    „War meine Freude mit ihnen Geschäfte zu machen,“ lächelte sie seltsam vertrauensvoll und machte sich auf mit dem Geld zu verschwinden. Für einen kurzen Moment hatte Woil das bedrückende Gefühl seine Geschäftspartnerin würde nun eine Waffe hervorholen und ihn töten. Doch dies war nicht der Stil dieser Branche, dessen literarische Ebenbilder fern von der Realität waren. Ein letztes Mal sah sich der Chief um, dann schnappte er sich den Koffer mit dem White und ging.

    „Für mich sieht das nach einem riesengroßen Problem aus.“
    Die Aussage von Lieutenant Bird hätte nicht zutreffender sein können. Auf Anweisung des Captains hatte er sich ebenfalls auf Terellia hinunter gebeamt und sich die taktische Situation angesehen. Sein Urteil war niederschmetternd.
    „Wir haben meiner bescheidenen Meinung nach nur eine Möglichkeit dort hineinzukommen,“ erklärte Danny und zeigte mit dem Finger auf eine Blaupause, „und das ist der Haupteingang. Ein Frontalangriff ist die einzige Möglichkeit. Weder Gas noch Beamen noch Anschleichen klappen. Nein, wir müssen die Tür sprengen und so schnell wie möglich zuschlagen.“
    „Danny, die Geiselnehmer befinden sich jedoch einen Raum weiter. Sie hätten viel zu viel Zeit zu reagieren.“
    „Dies ist mir leider bewusst, Captain.“
    „Einige Geiseln würden sterben.“
    „Ich bin kein Idiot,“ rief Bird frustriert aus. „Denken sie etwa dies würde mich nicht wurmen? Wieder und wieder bin ich die Pläne durchgegangen, habe nach Schlupflöchern gesucht oder anderen Möglichkeiten, die uns ein sicheres Eingreifen gewähren könnten. Wenn wir eingreifen, und ich hoffe wir tun dies nicht, dann werden Menschen sterben. So oder so.“
    Mit einer solch niederschmetternden Analyse hatte Captain Lewinski ganz und gar nicht gerechnet. Geahnt hatte er es zwar, doch irgendwie hatte er den Gedanken verdrängt. War der Tod einiger weniger möglicherweise unausweichlich, um eine größere Zahl von Menschen zu retten?
    „Unsere größte Chance ist der Verhandlungsweg,“ fand der Sicherheitschef der Monitor.
    „Leider glaube ich kaum, dass diese Andorianer verhandeln werden,“ entgegnete John Lewinski und beobachtete wie scheinbar im rechtzeitigen Moment Dr. Parul auf sie zukam. Schnell reichte ihm Danny die Hand.
    „Dr. Parul, es ist mir eine Ehre.“
    „Ich danke ihnen,“ antwortete der Betazoid ehrlich und wandte dann kurz seinen Blick den Blaupausen zu.
    „Was meinen sie, Lieutenant? Wie sieht es aus?“
    „Am besten wäre sie überreden die Geiselnehmer zur Aufgabe.“
    „Meinen Recherchen nach dürfte dies nicht möglich sein,“ war die niederschlagende Antwort des anerkannten Diplomaten. „Die Chance, dass wir auf ihre Forderungen eingehen ist gleich Null und jegliches Entgegenkommen wäre völlig unrealistisch. Wenn sie mich fragen wissen dies auch Bolar und seine Imperiale Andorianische Garde. Er ist nicht dumm, ganz im Gegenteil. Vielleicht geht es ihm genau darum.“
    „Worum?“ fragte der Captain des Geheimdienstschiffes und kannte doch schon die Antwort.
    „Sie rechnen fest mit ihrem Tod… vergessen sie nicht, ursprünglich waren sie eine Kriegerkultur. Möglicherweise hoffen sie durch einen Freitod die unterbewussten Gefühle einiger ihres Volkes zu wecken und so neue Sympathisanten zu gewinnen.“
    „Diese Leute wussten also, dass sie hier nicht lebend rauskommen?“ fragte Lieutenant Bird überrascht und gleichzeitig ungläubig nach.
    „Ja, dies denke ich,“ fasste Arsani Parul nochmals zusammen.
    „Im Umkehrschluss haben Bolar und seine Anhänger wohl auch keine Skrupel so viele Terellianer wie möglich in den Tod mitzunehmen.“
    „Ihrer Einschätzung kann ich zustimmen.“
    Statt eines weiteren Einwurfes schwieg Captain Lewinski frustriert. So viele Jahre bei der Sternenflotte und er konnte sich nur an wenige Situationen erinnern, die ähnlich aussichtslos waren.
    „Darf ich fragen wie es ihrem Crewmitglied geht, das emotional in diese Situation involviert ist?“ fragte Parul vorsichtig nach.
    „Sie ist natürlich völlig aufgelöst,“ beantwortete Bird, der als letzter das Schiff verlassen hatte, die Frage. „Sie ist vom Dienst befreit worden und befindet sich in ihrem Quartier. Dazu erhält sie seelische Unterstützung von ihrem Ehemann.“
    „Dies ist gut zu wissen,“ fand der Diplomat und schaute bedrückt zu dem Museum. Inzwischen war es Nacht geworden und viele Schaulustige waren eingetroffen. Kameras von Journalisten waren zusehen und vereinzelt hörte man Andorianer raus! – Rufe von einigen wenigen Ewiggestrigen. Der Diplomat, der so viele verschiedene Welten bereist hatte, fand diese Entwicklung furchterregend. Wie auch immer diese Situation ausgehen würde, ihre Auswirkungen würden die Zukunft in jedem Fall beeinflussen. So viele Jahre im Dienste der Föderation und niemals war er so ratlos gewesen wie jetzt. Dr. Parul seufzte. Leute würden sterben, egal wie man sich entschied. War es also nicht besser das kleinere Übel zu wählen?
    „Ich sehe keine Möglichkeit zu verhandeln,“ resümierte Arsani ein letztes Mal.
    „Und nun?“ fragte Lewinski leise nach, wobei er jedoch schon die Antwort kannte.
    „Schlagen sie zu.“
    Instinktiv betete Arsani Parul zu Enthur und hoffte, dass er nicht die falsche Entscheidung getroffen hatte.

    „Wieder da?“ fragte Kellerun und schien tatsächlich überrascht über seinen Kurier für einen Tag zu sein. Hatte er ihn etwa nicht für hart genug gehalten? Jozarnay sollte dies nur recht sein. Irgendwie gefiel es ihm unterschätzt zu werden und nicht seine tatsächlichen Fertigkeiten präsentieren zu müssen.
    „Ja und ich habe das Rohwhite kontrolliert, genau wie du es gewünscht hast. Beste Qualität, sofern ich dies als Laie überhaupt beurteilen kann,“ entgegnete der Chief lächelnd.
    „Nein, du untertreibst, Jozarnay,“ meinte der Dealer freundlich, „du kennst dich mit dem Stoff aus. Und ich möchte nicht knickrig sein. Selbstverständlich stehe ich auch zu meinem Wort. Gib mir mal den Koffer her und ich werde mich mal gleich dranmachen dieses Zeug Alpha-Quadrant-tauglich zu machen. Wie zugesagt wirst du die ersten Exemplare bekommen.“
    „Sehr freundlich von dir“ meinte der Chefingenieur der Monitor und war zufrieden. Bald würde er hier weg sein und sein Ziel erreicht haben, ohne dass irgendjemand etwas von seinem Ausflug bemerkt hatte. Besser hätte es also gar nicht laufen können.
    Im Anschluss an diese Gedanken explodierte das Licht und alle wurden geblendet. Gleich darauf spürte der Antosianer eine kräftige Hand, die ihn zu Boden drückte und Befehle brüllte, die er aufgrund des Klingelns in seinen Ohren nicht verstehen konnte. Doch vom Geistigen her verstand der Chefingenieur nur all zu gut: eine Razzia hatte stattgefunden und er befand sich mitten ihm Zentrum.

    Bolar schaute sich in dem großen Raum und betrachtete sein Werk. Nein, im Gegensatz dazu, wie die Literatur Leute wie ihn darstellte, erfreute es ihn nicht die vielen Leichen und die wimmernden Geiseln zu sehen. Im Gegenteil, in seinem Innersten tobte ein Wechselbad der Gefühle. Hass, Schmerz, Trauer und auch Angst wechselten sich ab, versuchten seine Aufmerksamkeit zu beanspruchen. Der Führer der Geiselnehmer seufzte kurz und sein Gewissen fragte ihn, ob er den richtigen Weg gewählt hatte. Die Leichen der Terellianer hatten sie mit mehreren Tüchern abgedeckt. Auch wenn dieses Volk der Feind war, so waren die Andorianer keine Unmenschen und so hatten Bolars Leute die Getöteten in einen Nebenraum gebracht und sie so den Blicken der anderen Geiseln entzogen. Diese waren immer noch völlig aufgelöst, denn wie Bolar die Situation sah, würde es noch eine Zeit lang dauern, bis sie freikamen. Natürlich waren weder er noch seine Gefolgsleute Idioten. Die Chance, dass man auf ihre Forderungen einging, war in der Tat verschwindend gering. Andor sollte aus der Föderation austreten? Eher würde sich der Himmel auftun und der große Vogel der Galaxis erscheinen, bevor dieser Fall eintrat. Und doch hatte er jetzt schon etwas erreicht. Sein Volk begann nach so vielen Jahrzehnten wieder über seine Vergangenheit zu sprechen. Die Medien und Bürger rollten den Fall auf, sprachen über das Für und Wider. Endlich wieder erinnerte man sich daran, wie es früher einmal gewesen war! Und dieser kleine Sieg erfüllte Bolar mit Freude. Er hatte schon gewonnen, egal was kommen würde und die Imperiale Andorianische Garde wusste schon, wie dieses Ereignis enden würde. An strategischen Stellen in diesem Raum hatten sie Sprengladungen angebracht, die sie in dem Moment hochgehen lassen würden, wenn die ersten Polizisten den Ort stürmten. Ob die Leute da draußen nichts von dieser Sache ahnten? Es schien fast so, sonst würde man öfters versuchen ihn zu kontakten. Doch die lange Funkstille schien darauf hinzudeuten, dass man ein Eingreifen vorbereitete. Noch einmal atmete Bolar tief durch und schaute zu seinen Gefolgsleuten, die scheinbar über dieselbe ungewisse Zukunft nachdachten. Keiner von ihnen hatte Angst vor dem Tod auch. Wieso auch? Wenn man tot war, war man tot und konnte diesen Zustand also eh nicht betrauern. Wozu sich also Sorgen machen? Alles würde gut werden. Wenn nicht heute, dann morgen oder übermorgen. Was zählte war, dass sie alle etwas erreicht hatten. Einen kleinen Schritt zur Widerherstellung ihrer Jahrtausende alten Kultur.
    Im Anschluss an diese philosophischen Gedanken explodierte der Vordereingang in einem ohrenbetäubenden Knall. Bolars Ohren begann zu summen und er verstand sein eigenes Wort nicht mehr, als er irgendwelche Befehle brüllte, die seine Anhänger nur zu gut kannten. Lange hatten sie diesen Fall eingeprobt, nun würde es darum gehen den letzten Schritt zu tun. Während sich der Rauch legte sah er, wie mehrere vermummte Personen mit Waffen im Anschlag das Museum stürmten. Ganz sicher Polizisten, die aus Verzweiflung einen taktischen Fehler gemacht hatten. Was hieß Fehler? Bolars Leute hatten das Museum hatten das Gebäude so gut gesichert, dass ihnen nur der Weg durch die Front geblieben war und dieser war weit von den Geiseln entfernt; zumindest weit genug um zu reagieren. Die vordersten Ordnungshüter begannen ihre Gewehre zu heben und den Betäubungsschuss zu planen, da spürte Bolar instinktiv, dass die letzte Phase abgeschlossen war. Jemand von der Garde drückte den Knopf und ein zweiter Knall ertönte, noch lauter als der erste, ausgelöst von den Andorianern. Eine Feuerwalze breitete sich aus, verschluckte die Geiseln und die Andorianer , verzehrte alles in seiner Umgebung. Noch konnte Bolar sehen, wie die Polizisten panisch versuchten der Flammenhöhle zu entkommen, dann spürte er selbst die Hitze. Seine Haut verbrannte innerhalb weniger Sekunden und er hieß den Tod willkommen. Doch etwas stimmte nicht! Wieso konnte er noch darüber nachdenken? Wieso konnte er überhaupt noch nachdenken? Rasend schnell fiel der Anführer der Andorianer in die Bewusstlosigkeit und stellte entsetzt fest, dass er noch lebte.

    Die Szene glich einem klassischen Theaterstück und hätte beinahe schon zynisch gewirkt, wäre die Situation nicht so verdammt ernst. Chief Jozarnay Woil saß auf einem Stuhl in einem Raum, der nur von einer einzigen, an der Decke hängenden Lichtquelle erhellt wurde. Der Stuhl war aus Metall und unbequem, doch glücklicherweise hatte der grünhäutige Tirrione, der um ihn herumschlich, darauf verzichtet seine Hände zu fesseln. Ziemlich schnell war dem Chefingenieur klar geworden, in was er da hineingeraten war. Die Sternenflottensicherheit hatte zugeschlagen und Kellerun samt seinem Schmugglerring hochgenommen. Eigentlich eine gute Sache, wenn Woil nicht selbst mitten im Zentrum dieser Angelegenheit gestanden hätte. Der in zivil gekleidete Tirrione hatte sich als Sal vorgestellt, wobei sein Rang unklar blieb. Zwar machte der Offizier einen jungen Eindruck, doch dies mochte täuschen, ja vielleicht sogar gezielt zu seiner Verwirrung beitragen. Doch Jozarnay war nicht so aufgeschmissen, wie es den Anschein machte. Im Gegenteil, als Pessimist der alten Schule hatte er sich für diesen Fall einen Plan zurechtgelegt. Nun gut, ein Plan war es vielleicht doch nicht, eher eine Notlösung, doch besser als Nichts war es alle Mal!
    „Mr. Woil, ich frage sie nun: was haben sie an diesem Ort gemacht,“ begann Sal sein polizeiliches Verhör.
    „Ich war geschäftlich hier,“ antwortete der Antosianer und versuchte seine Stimme so ruhig klingen zu lassen wie nur möglich.
    „Verstehe ziemlich gut, was sie meinen,“ entgegnete der Sicherheitsoffizier und blickte seinem Gefangenen tief in die Augen, „sie waren hier um bei Kellerun Drogen zu kaufen. Pech für sie, dass wir sie erwischt haben.
    „Wenn sie doch nur die Wahrheit wüssten,“ orakelte Jozarnay und schwieg im Anschluss. Vielleicht schaffte er es so den Kerl zu ködern. Und tatsächlich, nach einigen schweigsamen Minuten fragte Sal:
    „Die da wäre?“
    Doch der Chief antwortete nichts, blickte stattdessen scheinbar entrüstet zu Boden, was Sal frustrierte. Jahrelang hatte er an diesem Fall gearbeitet, ihm alle Energien gewidmet und sogar eine scheinbar harmonische Ehe war dadurch zu Bruch gegangen. Alles nur, um die Föderation von einer Geißel zu befreien, einem lokal bekannten Drogenhändler, der Menschen auf dem Gewissen hatte. Der den Markt mit neu kreierten Drogen wie dem Alpha-Quadrant tauglichen Ketracel-White überschwemmte, die für den Tod vieler verantwortlich waren. Ihm war also nicht nach spielen aufgelegt.
    „Hören sie auf mich hier auf den Arm zu nehmen!“ schrie der Tirrione und schlug seine Hände auf die metallenen Armlehnen des Stuhls, so dass es krachte. „Ich habe zu lange und zu hart an diesem Fall gearbeitet, um mich von ihnen irgendwie dumm anmachen zu lassen. Sind sie sich überhaupt im Klaren, was hier los ist? Sie wurden in Flagranti erwischt, wie sie einem Drogenhändler neue Rohstoffe gebracht haben. Dafür wandern sie mindestens für ein Jahrzehnt in eine Strafkolonie, wenn nicht sogar länger und glauben sie ja nicht, dass man sie in ein Ferienparadies wie auf Neuseeland schickt. Nein, mein lieber, so eine Strafkolonie auf Andor oder Benzar kann ganz schön ungemütlich werden. Oder wer weiß, vielleicht hat die Föderation keinen Platz mehr für Leute wie sie und wir bitten die Klingonen sie zu übernehmen. Das würde ein Spaß werden, das kann ich ihnen versprechen.“
    Woil schluckte. Nun begann er wirklich Angst zu bekommen, auch wenn er diese natürlich nicht all zu deutlich zeigen wollte. Doch was sollte er machen?
    „Wollen sie nun reden?“ fragte Sal noch einmal, diesmal jedoch einfühlsamer.
    „Sie haben alles kaputt gemacht.“
    „Wie bitte?“
    „Natürlich war es richtig für sie einzugreifen,“ fand Woil, „aber nichtsdestotrotz haben sie meine Langzeitoperation zunichte gemacht.“
    „Wie bitte??“ fuhr es dem Offizier aus.
    „Mein Name ist Jozarnay Woil und ich bin Offizier im Range eines Chiefs beim Geheimdienst der Sternenflotte. Meine Kennnummer ist 7292376-W-786131.“
    Wie von einem Stromschlag getroffen zuckte Sal zurück und verstand die Welt nicht mehr.
    „Der Trick ist alt,“ fand er.
    „An ihrer Stelle würde ich der Sache nachgehen,“ riet ihm der Antosianer, „oder meinen sie nicht, dass es unklug wäre, einen Agenten des SFI festzunehmen?“
    Der Tirrione antwortete mit einer Gegenfrage:
    „Und was haben sie dann hier gewollt?“
    „Genau dasselbe wie sie: Kellerun hochnehmen. Vor Jahren habe ich sein Vertrauen gewonnen und versucht in seine Organisation einzudringen. Nun haben sie ihn verhaftet und mir jedwede Möglichkeit genommen, tiefer in einen interstellar operierenden Ring einzudringen. Schade, mehrere Jahre Arbeit umsonst.“
    „Sie labern Unsinn,“ fluchte Sal.
    „Checken sie es!“
    „Verdammt das werde ich,“ fluchte der Mann, „und wehe ihnen das stimmt nicht!“
    Als der junge Mann aus dem Raum gestürmt war gestattete sich der Antosianer ein dünnes Lächeln. Er zitterte zwar wie Espenlaub, doch er sollte dieser Situation entkommen sein... für dieses Mal.

    Einige Wochen später...

    Die trauernde Menge hatte sich an dem vorgesehenen Ort auf dem terellianischen Zentralfriedhof auf der Heimatwelt eingefunden, um dem Toten die letzte Ehre zu erweisen. Auch die Crew der Monitor war anwesend, um der Bestattung von Reno Tellom beizuwohnen. Sie alle hatten angesichts des Anlasses Galauniformen angezogen, was aufgrund ihrer weißen Farbe jedoch recht befremdlich, ja geradezu fröhlich wirkte. Wie um die Traurigkeit dieses Anlasses zu unterstreichen hatte das Wetter Terellias beschlossenen seinen gesamten Wolkeninhalt in einem starken Regen zu entleeren. Ganz vorne, direkt vor dem Sarg, in dem der Tote aufgebettet war, saß Lieutenant Arena Tellom, die Schwester des Ermordeten und abermals flossen bei ihr Tränen, welche sich mit dem herabnieselnden Regen vermischten und dann zu Boden tropften. Ihr andorianischer Mann Ardev saß neben ihr und drückte ihre Hand, versuchte ihr so Trost zu spenden, was jedoch nur leidlich gelang. Wie sollte er ihr Beistand geben, wenn er doch selbst nicht den Grund für diesen sinnlosen Tod kannte. Die, die diese schreckliche Tat begangen hatten, behaupteten dies für ihr Volk getan zu haben, um es auf seine Fehler hinzuweisen. Hatte es dazu keine andere Möglichkeit gegeben? Mussten dazu etwa Terellianer sterben? Der Einsatzoffizier verneinte diese Frage und schämte sich stellvertretend für seine Rasse. Auch wenn diese Empfindung völlig unsinnig war, er konnte dieses kollektive Schuldgefühl nicht abstellen. Sie alle hatten gedacht den gewalttätigen Tendenzen ihrer Vorfahren entrungen zu sein, doch scheinbar waren nicht alle so weit gewesen. Um sie beide herum standen die Familienmitglieder Arenas sowie die Crew des Raumschiffes Monitor. Wie es für das Volk der Terellianer üblich war wurde zu diesem Anlass geschwiegen, weder eine Rede noch Musik ertönte. Die Terellianer waren ein hedonistisches Volk und so wie Freude und Tanz für sie das Leben darstellten, so stand die Stille für den Tod. Nur das Schluchzen der Familie Tellom und das unablässige Plätschern von Regentropfen auf den Sarg des Ermordeten waren zu hören, als die letzte Ruhestätte gen Boden gehievt wurde und so für immer verschwand. Aus und vorbei. Arena fühlte sich schuldig. Nicht etwa, weil sie den Tod ihres Bruders hätte verhindern können, sondern weil sie in letzter Zeit zu wenig Kontakt zu ihm gehabt hatte. Wann war es denn das letzte Mal gewesen, dass sie ihn angerufen oder einen Brief geschrieben hatte? Sie wusste es nicht mehr und dies war ein schlechtes Zeichen. Nun war Reno tot und sie konnte ihre Fehler nicht mehr korrigieren. Sanft spürte sie den Druck von Ardevs Hand auf der ihrigen, doch sie spendete ihr keinen Trost. Was wusste er schon von ihrem Verlust? Er kannte Reno kaum, hatte ihn erst einmal gesehen.
    Und er ist Andorianer.
    Die Wissenschaftlerin erschrak über ihre eigenen Gedanken. Hatte sie das wirklich eben gedacht? Schnell verdrängte sie diesen kurzen Moment der Schwäche. Sie alle waren inzwischen weiter entwickelt, um sich von solchen Dingen wie Herkunft oder Rasse leiten zu lassen. Sie war seine Ehefrau und wusste daher gut genug, dass Ardev der Erste war, der diese schreckliche Tat verurteilte. Seiner Unterstützung konnte sich Arena sicher sein, an jedem nur denkbaren Ort. Sie schniefte, als der letzte Rest des Sarges zu sehen war, dann verschwand er endgültig im Erdreich. Nun stand es fest: Reno Tellom war von ihnen gegangen und würde nie wieder zurückkehren.

    Wir dürfen dies nicht zulassen!
    - ein Kommentar von Jake Sisko

    Vor wenigen Wochen erschütterten uns Nachrichten von einer brutalen Geiselnahme auf Terellia. Eine bewaffnete Gruppe von Andorianern war in ein zeitgeschichtliches Museum der Hauptstadt eingedrungen und richtete ein entsetzliches Blutbad an. Viele terellianische Bürger, die diesen Tag nutzen wollten, um sich fortzubilden und der Geschichte ihres Volkes zu frönen, verloren Sinnloserweise ihr Leben. Doch wofür? Die Urheber dieser Tat, allen voran der durch Selbstmord getötete ehemalige Politiker Bolar, wollten ihrer Aussage nach auf die Geschichtsverfälschung durch die terellianische Regierung aufmerksam machen. Wohlgemerkt, einer angeblichen Geschichtsverfälschung. Ob an diesen Aussagen etwas dran ist oder nicht muss jeder für sich selbst entscheiden, wir als mündige Bürger der Föderation wissen jedoch, dass die Art und Weise, wie man sich erklären wollte, kriminell und unmoralisch war. Dabei reichen die Wurzeln dieser Tat viel weiter zurück als viele von uns glauben. Wir alle sind durch die Föderation verwöhnt worden. Unsere Regierung hat es seit ihrem Bestehen innerhalb kürzester Zeit geschafft zum größten und mächtigsten interstellaren Völkerbund aller Zeiten zu werden. Völker und Rassen wurden geeint, die noch wenige Generationen, manchmal sogar wenige Jahre, vorher noch Todfeine gewesen waren. Unter diese Kategorie fallen auch die Andorianer und Terellianer. Ja, die meisten von uns mögen dies nicht wissen, aber diese beiden Völker verbindet eine lange und äußerst blutige Geschichte. Mehr als einmal sind diese beiden so stolzen Rassen kriegerisch aufeinander getroffen und mehr als einmal haben beide Seiten schreckliche Dinge getan, die verabscheuenswert sind. Doch unser Vorväter hatten das Unmögliche vollbracht und beide Völker in die Vereinigte Föderation der Planeten geholt. Wer zeitgenössische Quellen betrachtet, der wird mehr als eine Aussage von hohen Politikern dort vorfinden, die dieses Unterfangen zum Scheitern verurteilen. Doch mithilfe eines eisernen Willens und wurde tatsächlich eine Annäherung vollbracht und schon hundert Jahre später war von der Generationenalten Feindschaft zwischen diesen beiden Kulturen nichts mehr zu verspüren. Bist heute, muss man nun leider sagen. Denn diese Verdammungswürde Tat von Bolars Fraktion hat eine Kettenreaktion ausgelöst, die man sich nicht vorstellen konnte, vielleicht nicht einmal vorstellen wollte. Alte Wunden, die scheinbar verheilt waren, sind nun aufgerissen worden. Hass- und Revancheverbrechen an der jeweils anderen Seite haben in den letzten Wochen in beängstigendem Maße zugenommen, von dem alten Frieden ist nichts mehr zu spüren. Da werden von andorianische Touristen gesprochen, die auf offener Straße von Terellianern verprügelt werden oder von terellianischen Exotikläden auf Andor, die verwüstet werden. Beide Lokalregierungen scheinen machtlos angesichts einer unerwarteten Welle des Hasses auf die andere Seite zu sein und können nichts anderes tun, als die jeweils eigene Bevölkerung zu beschwichtigen. So scheint es, dass die Imperiale Andorianische Garde, wie sich die terroristische Gruppe selbst nannte, doch noch ihr Ziel erreicht hat: den Hass neu zu sähen und eine neue Krise innerhalb der Föderation zu verursachen. Schon gibt es die ersten Stimmen auf beiden Seiten, die das Unmögliche verlangen: die Verhängung des Kriegsrechts auf beiden Planeten und die dadurch verbundene Stationierung der Sternenflotte. Eine Aktion, die eigentlich nur für den Fall eines Bürgerkriegs vorgesehen ist... wie weit sind wir davon noch entfernt? Noch bleiben diese Verbrechen Einzeltaten, doch wann wird auch die Masse der Bevölkerung sich diesem Vandalismus anschließen? Im Namen aller Föderationsbürger rufe ich beide Seiten auf die Gewalt einzustellen und wieder zum normalen Alltag zurückzukehren. Keine Seite sollte sich von einem längst vergangenen Hass leiten lassen. Denn beide Parteien sollen sich bewusst sein, dass sie mit ihrem Verhalten nicht nur sich selbst und den Gegenüber schaden, sondern auch die gesamte Föderation, die wir alle so mühsam aufgebaut haben.
    Mit den besten Wünschen für eine friedfertige Zukunft
    - Jake Sisko aus Neuseeland

    Der Verhörraum war schlicht, ihm fehlten jedwede Annehmlichkeiten. Es gab eine Lichtquelle, die an der Decke hing, einen lang gezogenen metallenen Tisch und einen ebenfalls aus Metall bestehenden Stuhl, an dem eine Person saß. Dass diese Person ein Andorianer war erkannte man nur schwerlich. Ein Großteil seiner Haut war immer noch verbrannt und der Genesungsprozess verlief nur schleppend, was wohl auch daran liegen konnte, dass ihm die örtlichen Ärzte nicht gerader ganz oben auf der Prioritätenliste einordneten. Doch dem Gefangenen war dies egal. Eine schwere Tür öffnete sich hinter dem Geschädigten und Dr. Arsani Parul, Sonderbotschafter der Föderation, trat herein. Schnell umrundete er den Tisch und setzte sich auf den zweiten Stuhl, der sich dem Gefangenen gegenüber befand. Für einen kurzen Moment musterte er den Andorianer und befand den Anblick für widerlich. Nicht nur wegen dem geschädigten Äußeren, sondern auch wegen der inneren Werte, die dieser Mann symbolisierte. Parul kochte vor Wut. Mit jeder Faser seines Körpers hasste er seinen Gegenüber, am liebsten würde er ihn in Stücke reißen. Doch mit einer kaum zu glaubenden Selbstdisziplin zwang er sich zur Ordnung und blickte den Gefangenen möglichst neutral an.
    „Werden sie gut behandelt?“ brach Parul das Schweigen.
    Statt einer Antwort erntete der Betazoid nur eisiges Schweigen.
    „Ah, ich verstehe schon, wieso sie nichts sagen wollen. Vielleicht ist es auch besser so, sonst verlassen noch Worte ihren Mund, die sie später bereuen würden.“
    „Ich bereue gar nichts,“ ließ sich Bolar endlich eine Antwort entlocken.
    „Das glaube ich ihnen,“ fauchte der Botschafter zurück und fuhr sich frustriert durch das Haar. „Wissen sie was? Ich verfluche ihr verdammtes Glück. Mir wäre es am liebsten, wenn sie bei dieser Explosion drauf gegangen wären. Aber nein, sie mussten ausgerechnet einen Meter zu weit weg vom Explosionsherd stehen, so dass sie im Gegensatz zu ihren Gefolgsleuten und den unschuldigen Geiseln nicht von der Druckwelle zerrissen wurden.“
    „Ja, ich verfluche ebenfalls mein Glück,“ brummte Bolar. „Aber was erhoffen sie sich jetzt dadurch, dass sie mich hier festhalten? Ich werde ihnen keine Fragen beantworten und bald werden sich mir weitere Leute anschließen, die die Wahrheit erkennen.“
    „An ihrer Stelle würde ich darauf nicht spekulieren,“ unterbrach ihn Parul, „denn niemand weiß, dass sie noch am Leben sind. Offiziell sind sie tot, gestorben bei dem Attentat. Wir halten sie hier fest solange wir hier wollen und niemand wird sie vermissen.“
    Nun war Bolar doch erstaunt. Ungläubig musterte er für einen kurzen Augenblick den Betazoiden, dann setzte er wieder seine üblich trotzige Miene auf und erwiderte:
    „Ich werde nichts sagen.“
    „Noch nichts. Vielleicht wird dies auch nicht nötig sein. Möglicherweise werden wir sie in diesem fensterlosen Verließ festhalten, bis sie alt und grau sind und irgendwann sterben werden, ohne dass sie überhaupt wissen, wo sie sich aufhalten.“
    „Ich weiß wo ich bin. Auf Terellia.“
    „Sind sie sich da so sicher?“ fragte Arsani konspirativ und wölbte eine Augenbraue. Zwar schaffte der Andorianer äußerlich keine Regung zu zeigen, doch innerlich schauderte er.
    „Obwohl dieser Gedanke recht angenehm wäre,“ fuhr der Sonderbotschafter der Föderation fort, „wenn sie hier sterben würden, auf dem Planeten ihrer erklärten Feinde, ohne dass sie jemals die Möglichkeit bekämen, auf Andor den Traditionen ihres Volkes entsprechend bestattet zu werden. Wenn ich es mir recht überlege wäre dies sogar eine äußerst gute Idee, böten wir doch so keinen Schrein, zu dem ihre Angehörigen pilgern könnten.“
    Wütend fletschte Bolar seine Zähne, was angesichts seines verbrannten Gesichts ein grausiger Anblick war und wollte nach vorne über den Tisch springen, doch seine angeketteten Hände und Füße verhinderten dies.
    „Wie dem auch sei,“ schloss Arsani Parul seinen kurzen Besuch ab, „sie dürfen sich auf eine sehr, sehr lange Zeit hier unten einstellen. Viel Spaß noch beim Schmieden neuer Pläne.“
    Im Anschluss an diese hasserfüllt hervorgestoßenen Worte erhob sich der Betazoid und verließ, ohne Bolar eines weiteren Blickes zu würdigen, das Verließ.

    Manchmal waren es die einfachen Dinge im Leben, an denen man sich erfreuen konnte. Die beeindruckende Architektur einer Stadt, der Sonnenuntergang oder lachende Kinder, die auf einem Spielplatz sich vergnügten. Luke Lewinski lächelte abermals, als er sich diese Bilder zurückrief. Während der letzten Stunden hatte er einen intensiven Spaziergang durch Toronto getätigt und sich noch einmal all die schönen Dinge angesehen, die er mit dieser Stadt verband. Sein ganzes Leben hatte er hier verbracht, seine Ausbildung gemacht und eine Familie gegründet. Eine Familie, die bald nur noch bruchstückhaft existieren würde. Der alte Mann kehrte zu seinem Appartement zurück und betrat seine kleine, nichtsdestotrotz komfortable Wohnung und atmete mehrmals tief durch. Vor einem guten Jahrzehnt war seine geliebte Frau gestorben und er würde bald folgen. Sein Sohn John befand sich seit Jahren draußen im Weltall und leider sahen sie sich viel zu selten. Urlaub in diesem Beruf zu bekommen war eine schwierige Sache und ganz besonders, wenn man wie John in einer solch speziellen Abteilung der Sternenflotte arbeitete. Doch sein Vater hatte deswegen nie Gram empfunden. Luke freute sich für seinen Sohn, dass er sich seinen Traum erfüllt hatte und zu den Sternen gegangen war. Einen Ort, an den auch er bald gehen würde. Einige Monate war es nun her, dass man ihm die Diagnose gestellt hatte. Luke Lewinski war an antallianischem Krebs erkrankt, einer durchaus heilbaren Krankheit. Doch während ihm sein Hausarzt von den Behandlungsmethoden erzählt hatte war Luke in sich gegangen und hatte nachgedacht. Er hatte ein langes Leben geführt, ein gutes noch obendrein. Doch inzwischen fühlte er sich einsam. Sein Sohn war nicht auf der Erde und noch viel schlimmer vermisste Luke seine Frau über alles. Wäre sie noch am Leben, so hätte seine Entscheidung sicher ganz anders ausgesehen, doch so hatte sich der alte und trotzdem noch so lebensfrohe Mann gegen eine Behandlung entschieden. Sein Arzt hatte zwar ungläubig reagiert, doch ihm war nichts anderes übrig geblieben als die Entscheidung Lewinskis zu akzeptieren. Und nun saß Luke hier in seiner Wohnung und genoss jeden Tag, der ihm noch blieb. Irgendwie schienen sie noch intensiver zu sein, seitdem ihm klar wurde, dass bald alles zu Ende gehen würde. Jeden Morgen wachte er früh auf und beschloss so viel wie möglich zu erledigen. Sachen nachzuholen, die er schon sein ganzes Leben lang machen wollte und zu denen er nie gekommen war. Bücher zu lesen, die ihn schon immer interessiert hatten und für die er nie Zeit gehabt hatte. Und viel Spazieren, viel Reise. Nur selten hatte Luke Lewinski während seines Lebens Toronto verlassen, nun wollte er so viel wie möglich von der Erde und der Föderation sehen. Alles mit dem Wissen, dass bald alles vorbei war...
    Ein stechender Schmerz fuhr ihm durch die Glieder, brennend heiß und quälend. Keuchend griff sich Luke einen Stuhl und setzte sich. Er biss die Zähne zusammen und hielt die Schmerzen aus, die durch den wuchernden Krebs verursacht wurden. Nach einigen Minuten verschwand der Schmerz und Luke fühlte sich so makellos, als wäre er gar nicht krank. Diese Schmerzattacken kamen in letzter Zeit immer öfters, ein untrügliches Zeichen dafür, dass ihm nicht mehr allzu viel Zeit blieb. Luke überlegte kurz und entschied sich dann einen Brief an seinen Sohn zu schreiben.

    Dieser Sohn namens John Lewinski saß in seinem Büro und dachte just in diesem Augenblick über seinen seltsamen Vater nach. Wieso nur verweigerte er sich einer Behandlung? Sicher, die Gründe kannte er, nachvollziehen konnte John sie jedoch nicht. Wieso nur? Lag es etwa an ihm selbst, da er nicht so oft zu Hause war? Ja es stimmte, John hätte sich öfters Urlaub nehmen und ihn besuchen können. Derzeit wünschte sich der Captain der Monitor nichts sehnlicher, als das er genau dies öfters getan hätte, doch für solche Gedanken war es zu spät. Seine einzige Möglichkeit war es nun seinen Vater davon zu überzeugen, dass eine Therapie doch sinnvoll war. Doch würde ihm dies gelingen? John bezweifelte dies. Um sich abzulenken beschloss er sich wieder der Arbeit hinzugeben, was jedoch äußerst schwer fiel. So viele grausame Dinge geschahen in letzter Zeit: sein Vater lag im Sterben, Reno Tellom war tot, ein schrecklicher Krieg tobte dort draußen und sein erster Offizier lag im Zweifel über sich selbst.
    Und Edward Jellico läuft dort draußen herum und baut Sektion 31 neu auf, fuhr es Lewinski in den Sinn. Egal wie sehr er es auch versuchte, ihm ging diese Sache nicht aus dem Kopf. Sektion 31 war seine persönliche Nemesis; ein Feind, den er wohl niemals besiegen konnte und doch probierte er es immer wieder aufs Neue. Doch die Paranoia zerfraß ihn langsam innerlich. Alle möglichen Ereignisse versuchte sein Verstand in den Zusammenhang mit der Geheimorganisation zu bringen. In den ersten Momenten hatte John sich eingeredet, die Krankheit seines Vaters oder das Auftauchen Arsani Paruls hätten etwas mit Sektion 31 zu tun, beides Ideen, die völliger Humbug war. Inzwischen konnte Captain Lewinski sich nicht mehr selbst retten und aus dieser Verschwörung aussteigen. Solange er lebte würde ihn diese Sache verfolgen, so viel stand fest.
    A propos Parul, aus reiner Langeweile rief John die Akte des Sonderbotschafters auf und las sich einige Informationen über den neuen Freund des Schiffes durch. Zwei Doktorgrade besaß der Betazoid, des Weiteren war er seit langem verheiratet und hatte zwei Kinder, die gerade dabei waren ihr Studium zu beenden. Eine glückliche Familie, eine wie sie die Lewinskis einmal gewesen waren. Doch um sich abzulenken wollte John noch tiefer ins Detail gehen. Vor sich hatte er die normale Personalakte Paruls legen, er interessierte sich jedoch für die Geheimakte, die der SFI angelegt hatte. Um an diese heranzukommen musste er seine Geheimnummer an das Hauptquartier, dem so genannten „Erdgeschoss“ senden, was eine sehr nervige Angelegenheit war, denn jeder Code war nur einmal verwendbar. Einmal benutzt musste jedem Captain ein neuer ausgestellt werden. Nun ja, um sich von seinen privaten Nöten abzulenken war diese Sache es John wert und er übermittelte seinen Zugangscode. Innerhalb weniger Sekunden wurde dieser bestätigt und die Geheimakte des Sonderbotschafters wurde übermittelt.
    Im nächste Moment fiel der Kanadier aus allen Wolken. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und schnappte ungläubig nach Luft. Nein, dies durfte doch nicht wahr sein! Sicher war dies ein Fehler! Aber es stand dort tatsächlich, schwarz auf weiß. Was sollte er nun tun? Es ihm etwa sagen? Nach langem Überlegen entschied sich John Lewinski dagegen. Dies waren private Angelegenheiten, die ihn nichts angingen. Nichtsdestotrotz würde er Dr. Parul nun mit anderen Augen sehen müssen.

    Die Stimmung im talarianischen Oberkommando auf Talar war miserabel. Admiral Endar saß niedergeschlagen vor seinem Schreibtisch und hörte sich den Bericht seines Adjutanten an. Jedes einzelne von dem jungen Mann vorgebrachte Wort war wie ein Messerstich für ihn.
    „Admiral, die von uns eingesetzten Waffen haben die Romulaner nur kurzfristig geschockt und behindert. Inzwischen befinden sie sich wieder auf dem Vormarsch, unaufhaltsamer denn je. Wir haben wieder ein gutes Dutzend Schiffe verloren und mehrere Kolonien sind gefallen. Die Experten sind sich sicher, dass eine Niederlage nur noch eine Frage von Wochen ist.“
    Traurig blickte der verdiente Admiral auf den Boden. Niemals hatte er gewollt, dass es so weit kam. Die erste Entscheidung dieser Art war ihm schon schwer gefallen, nun fühlte er sich noch schlimmer.
    „Setzen sie unser letztes Mittel ein.“
    Der Adjutant erstarrte.
    „Bei allem Respekt,“ flüsterte er, „aber sind sie sich da ganz sicher? Eine solche Waffe einzusetzen... wir können nur wenig über ihre Auswirkungen sagen, insbesondere für Zivilisten.“
    „So oder so, wir werden sterben,“ entgegnete Endar, „aber wir können es den Romulanern so schwer wie möglich machen. Setzen sie die Waffe auf einer von den Romulanern eroberten Kolonie ein. Am besten dort, wo viele ihrer Soldaten sind.“
    „Jawohl,“ antwortete sein Untergebener und schluckte. So schnell wie möglich entschwand er dem Büro und hoffte, dass er damit nicht das Ende einläutete.


    Fortsetzung folgt...



    ...und die Reise geht weiter - am Samstag, dem 24.04.2004
    Ältere Episoden findet ihr in unserem Episodearchiv...

    AM SCHEIDEWEG
    based upon "STAR TREK" created by GENE RODDENBERRY
    produced for TREKNews NETWORK
    created by NADIR ATTAR
    executive producer NADIR ATTAR
    producer SEBASTIAN OSTSIEKER lektor OLIVER DÖRING
    staff writers CHRISTIAN GAUS & THOMAS RAKEBRAND and OLIVER-DANIEL KRONBERGER
    written by NADIR ATTAR
    TM & Copyright © 2004 by TREKNews Network. All Rights Reserved.
    "STAR TREK" is a registered trademark and related marks are trademarks of PARAMOUNT PICTURES
    This is a FanFiction-Story for fans. We do not get money for our work!
    Episode #508

    Quelle: treknews.de
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    • Hallo Gast - Aufgrund des vielen Spams müssen leider ein paar Fragen beantwortet werden.

      Bitte der Reihe nach durchführen, sonst kann das Captcha nicht erfolgreich abgeschlossen werden...
      Schritt 1: Wenn Picard ein Captain ist, sollte hier ein Haken rein...
      Schritt 2: und wenn es in der Nacht nicht hell ist, sollte hier der Haken raus!
      Schritt 3:

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