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...die höchste Erleuchtung der Sünde

Kai-Holger Brassel - All An!


einz1975

Empfohlene Beiträge

Aus der heutigen Perspektive erscheinen 60 Jahre in die Zukunft gar nicht so weit entfernt. Doch wenn wir den Blick 60 Jahre zurückwerfen, wird deutlich, wie radikal und rasant sich die Welt in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Unsere technologische und wissenschaftliche Entwicklung hat es uns ermöglicht, immer tiefer ins All zu blicken und Zusammenhänge zu entschlüsseln, die einst unvorstellbar schienen. Gleichzeitig stoßen wir dabei manchmal auf Entdeckungen, die uns verstören – wie in diesem Fall ein Asteroid, der sich auf einer potenziell katastrophalen Umlaufbahn befindet. Ein beinahe zufälliger Fund, der in einem virtuellen Raum gemacht wird und dennoch reale Konsequenzen haben könnte, denn dieser Asteroid birgt das Potenzial, das Ende der Menschheit einzuläuten. Währenddessen stehen wir auch auf der Erde vor tiefgreifenden Herausforderungen: Der Klimawandel schreitet voran, politische Spannungen verschärfen sich, und es scheint immer fraglicher, ob unsere Welt noch zu retten ist. Doch selbst wenn das gelänge, stellt sich die Frage: Ist der Mensch es überhaupt wert, gerettet zu werden?

Kai-Holger Brassel erzählt seinen Roman mit einer bemerkenswert ruhigen und beinahe essayistischen Erzählweise. Sein Stil erinnert eher an ein historisches Werk oder eine wissenschaftliche Abhandlung als an klassische Prosa. Dabei greift er Themen auf, mit denen wir bereits seit Jahrzehnten ringen, abgesehen von der Bedrohung durch den „Killer-Asteroiden“, für die es jedoch eine überraschende Lösung gibt. Was der Mensch möglicherweise irgendwann nicht mehr allein bewältigen kann, übernehmen in Brassels Zukunftsvision Maschinen: Drei unterschiedlich entwickelte Künstliche Intelligenzen arbeiten einen detaillierten Plan zur Rettung der Erde aus. Parallel dazu entwickelt sich die Technologie der virtuellen Welten weiter, die ursprünglich als Flucht vor den drängenden Problemen der Realität gedacht war. Doch in dieser Erzählung wird sie schließlich zu einem zentralen Bestandteil der kulturellen Transformation der Menschheit – und prägt deren Zukunft auf unerwartete Weise.

Die Struktur des Romans hebt sich deutlich von klassischen Erzählmustern ab. Statt einer festen Protagonistenriege gibt es verschiedene Figuren, von denen einige über längere Zeit begleitet werden, während andere nur episodisch auftauchen und vor allem dazu dienen, die aktuelle Lage zu illustrieren oder den Erzählton zu definieren. Dies kann mitunter die emotionale Bindung des Lesers erschweren, da viele Charaktere nur oberflächlich behandelt werden. Dennoch zeigt Brassel, dass sich Figuren verändern und entwickeln können – oft aus Notwendigkeit, angesichts der dramatischen Ereignisse, die den Verlauf der Geschichte bestimmen. Der Roman ist in mehrere Phasen gegliedert. Zunächst steht der Versuch im Mittelpunkt, die Erde vor der Kollision mit dem gigantischen Asteroiden zu bewahren. Nach dieser existenziellen Bedrohung wechselt der Fokus jedoch auf die weitere Entwicklung der Menschheit: den Zerfall der Staatenbünde, die unumkehrbaren Veränderungen des Klimas, das Ende des wirtschaftlichen Überflusses und schließlich den Blick in die Sterne.

Brassel skizziert eine Welt, in der die Menschheit auf den Trümmern ihrer alten Ordnung neue Wege finden muss. Dabei zeigt er auch, dass Fortschritt selten geradlinig verläuft. Rückschläge und Herausforderungen gehören zum immerwährenden Lernprozess. Der Autor entwirft jedoch eine erfrischend optimistische Perspektive: eine Zukunft, die nicht in Dystopie endet, sondern in einer Utopie gipfelt. In einer Zeit, in der düstere Visionen oft den Diskurs über die Zukunft dominieren, ist es bemerkenswert, dass Brassel ein Szenario entwirft, in dem Mensch und Maschine friedlich koexistieren können. Er zeigt, wie virtuelle Welten nicht nur Verlust, sondern auch Rettung bedeuten können, und deutet an, dass das All für uns noch unzählige Überraschungen bereithält – auch wenn wir diese vielleicht niemals mit eigenen Augen sehen werden.

Fazit:
„Hilfe zur Selbsthilfe!“ – so könnte man die zentrale Botschaft des Romans zusammenfassen. Brassel stellt die provokante Frage, ob für jedes Problem nicht auch eine Lösung existiert, und geht dabei einen Schritt weiter: Was, wenn diese Lösungen nicht aus den Köpfen der Menschen stammen, sondern von künstlicher Intelligenz entwickelt werden? Der Gedanke, dass KIs Probleme lösen könnten, die uns Menschen überfordern, hat unser Denken in den letzten Jahren bereits stark geprägt – und in Brassels Roman erreicht diese Idee eine neue Dimension. Krieg, Klimawandel, Hunger, Not und der unstillbare Durst nach Unterhaltung und Wissen – all diese Probleme könnten durch Zusammenarbeit und die Unterstützung intelligenter Maschinen bewältigt werden. Zwar wirkt die episodische und berichtsartige Erzählweise des Romans stellenweise trocken, und die mangelnde Tiefe einiger Figuren erschwert die emotionale Bindung des Lesers. Dennoch überzeugt das Werk durch seine innovativen Ideen und seinen positiven Ausblick auf die Zukunft. Brassel präsentiert eine Menschheit, die trotz widriger Umstände eine gelungene Vision ihrer selbst verwirklichen kann – eine Welt, die nicht im Chaos versinkt, sondern in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft erstrahlt.

Matthias Göbel

Autor: Kai-Holger Brassel
Gebundene Ausgabe: 600 Seiten
Verlag: Tredition Verlag
Veröffentlichung: 03.10.2024
ISBN: 9783384326225

www.khbrassel.de

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