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...für den anspruchsvollen Herren

Ralph Alexander Neumüller - Das Zweigeteilte All


einz1975

Empfohlene Beiträge

In einem kleinen, abgelegenen Dorf am Rand der Alpen lebt die junge Nora. Ihre Tage verbringt sie am liebsten am Fluss, wo sie sich fragt, was wohl hinter den Bergen liegt. Gibt es dort mehr als nur Wald, Wildtiere und die harte Arbeit des Alltags? Die Welt, wie sie einmal war, mit Autos, Städten und Maschinen kennt sie nur aus alten Erzählungen. Angeblich lebten die Menschen damals im Überfluss. Doch das ist viele Jahrhunderte her, seitdem musste sich die Menschheit ihr Wissen und ihre Kultur mühsam neu aneignen. Die Natur hat sich ihren Raum zurückerobert, mit Bären, Wölfen und ungezähmter Wildnis. Zum Glück gibt es im Dorf einen Beschützer, der die Menschen vor diesen Gefahren bewahrt. Doch Nora beginnt zu zweifeln. Irgendetwas stimmt nicht mit diesem Mann. Er wirkt zu stark, zu allwissend und er verschweigt Dinge. Neugierig und entschlossen, begibt sich Nora auf eine gefährliche Reise, um die Wahrheit herauszufinden: Was ist damals wirklich geschehen? Was wurde aus den alten Städten? Und welche Rolle spielen Maschinen, Roboter und künstliche Intelligenz in der Geschichte der Menschheit?

Neumüller eröffnet seine Geschichte mit einem verstörenden Moment, der den Leser sofort in den Bann zieht. Auch wenn dieser Einstieg einen Teil des Mysteriums vorwegnimmt, bleibt noch genügend Raum für überraschende Wendungen. Im Mittelpunkt steht ganz klar Nora – klug, mutig, und von einer fast naiven Entschlossenheit getrieben. Ihre Neugier macht sie zur idealen Protagonistin, auch wenn ihre Beweggründe manchmal undurchsichtig bleiben. Auf ihrer Reise begleitet sie Peter, ein junger Mann aus dem Dorf, der jedoch kaum über die Rolle eines Nebencharakters hinauskommt. Auch andere Figuren treten eher blass in Erscheinung, sie sind da, aber sie tragen wenig zur Handlung bei. Nora treibt die Geschichte allein voran, was zwar ihre Stärke betont, aber der Erzählung stellenweise emotionale Tiefe nimmt.

Im weiteren Verlauf trifft sie in Erzählungen auf einen Mann, der vor Jahrhunderten gelebt haben soll und mit den Maschinen einen folgenschweren Vertrag ausgehandelt hat. Ob diese Figur real ist oder bloß Teil eines Mythos, bleibt zunächst offen. Neumüller spielt hier gekonnt mit der Frage nach Wahrheit und Legende. Dass die Menschheit einst ihren Lebensstil im Überfluss verlor, wird dabei eindrucksvoll und nachvollziehbar geschildert. Ohne zu moralisieren, aber auch ohne Beschönigungen, legt der Autor offen, wie der Drang nach Bequemlichkeit zur fatalen Abhängigkeit von Maschinen führte und letztlich zum Kollaps. Die Geschichte ist eine stille, aber deutliche Mahnung an unsere Gegenwart. Trotz allem bleibt Hoffnung. In den kleinen, abgeschiedenen Dörfern wie Noras lebt die Menschlichkeit weiter.

Der Titel Das zweigeteilte All spiegelt treffend die gespaltene Welt wider: Mensch und Maschine, Vergangenheit und Zukunft, Wahrheit und Mythos. Doch ob dieser Neuanfang wirklich eine zweite Chance für die Menschheit darstellt, bleibt fraglich. Etwas schade ist, dass der Roman streckenweise eher wie eine Chronik als wie eine lebendige Erzählung wirkt. Es fehlen Dialoge, die den Figuren mehr Leben einhauchen oder bestimmte Szenen emotional verdichten könnten. Die epische Erzählweise passt zwar zur Welt, in der vieles nur mündlich überliefert wurde, mindert aber stellenweise die unmittelbare Spannung. Als besonderes Extra enthält das Buch mehrere Kurzgeschichten, die das Universum vertiefen. Darin erfahren wir zum Beispiel von einem Science-Fiction-Autor, der vor Gericht steht, weil seine Werke von einer KI mitverfasst wurden. Ist das noch kreative Eigenleistung oder Betrug? Diese kleinen Erzählungen greifen klug ethische Fragen unserer eigenen Gegenwart auf und erweitern die dystopische Welt des Romans auf gelungene Weise.

Fazit:
Ein Vertrag ist ein Vertrag – aber was, wenn der Mensch sich selbst verkauft hat? Das zweigeteilte All ist eine eindrucksvolle Zukunftsvision mit philosophischem Tiefgang. Die junge Protagonistin Nora bietet Identifikationspotenzial, auch wenn ihre Reise kurz und einige Nebenfiguren blass bleiben. Der Einstieg ist drastisch, die Dialoge könnten zahlreicher sein, doch die zentrale Botschaft trifft ins Schwarze: Was macht uns menschlich und was sind wir bereit aufzugeben, um bequem zu leben? Die zusätzlichen Kurzgeschichten bereichern das Werk und regen zum Nachdenken an. Das zweigeteilte All ist mehr als nur eine klassische Dystopie, es ist eine kluge, manchmal verstörende Reflexion über unsere Gegenwart, verpackt erschreckende Zukunftsvision. Am Ende bleibt nicht nur eine spannende Geschichte zurück, sondern auch ein leiser Zweifel, ob unsere eigene Realität nicht längst auf ähnlichen Pfaden wandelt.

Matthias Göbel

Autor: Ralph Alexander Neumüller
Taschenbuch: 340 Seiten
Veröffentlichung: 01.12.2024
Verlag: P.machinery Verlag
ISBN: 9783957654335

 

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