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...na dann mal Prost!

Freispruch im Fall Kaprun


T'Jara

Freispruch im Fall Kaprun  

  1. 1.

    • Ich finde man hätte sie verurteilen sollen
      6
    • Ich finde der Freispruch ist korrekt
      11
    • Ich habe keine Meinung
      2


Empfohlene Beiträge

Hier war ja jetzt öfter die Frage nach "intellektuellen Diskussionen, also...

Hallo!

Da ich ja selber aus dem schönen Salzburg bin, gehen bei uns grad die Wogen deswegen hoch:

Kaprun-Prozess: 16 Freisprüche

20. Februar 2004 | 10:00

Die 16 Beschuldigten seien nicht für die schrecklichen Folgen der Katastrophe bei der Seilbahn in Kaprun verantwortlich zu machen: Urteil des Einzelrichters.

RONALD ESCHER

SALZBURG (SN).

"Aus meiner Sicht gibt es eine vollständige Entlastung der Beschuldigten!" Das war der Kernsatz der fast viereinhalbstündigen Urteilsbegründung des Salzburger Einzelrichters Manfred Seiss am Donnerstag im Prozess um die Seilbahn-Katastrophe von Kaprun.

Nun, nach 20-monatigem Prozess und 63 Verhandlungstagen, stehe für ihn fest, so Seiss: "Das Beweisverfahren hat die im Vorverfahren zweifellos gegebenen Belastungsmomente nicht erhärtet." Er sei sich bewusst, dass sein Urteil mancherorts auch auf Kritik und Unverständnis stoßen werde. Aber das Gericht habe alles getan, um die Wahrheit zu finden. Entscheidend sei die Frage nach Entstehung und Verlauf des Brandes.

Der Richter hielt die These des - später aus dem Verfahren ausgeschiedenen - Brandsachverständigen Anton Muhr für nicht überzeugend, auf die sich jedoch der Strafantrag von Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat stützte:

Kernfrage des Verfahrens: Ursache der Katastrophe

Denn in ihrer Argumentation hatte die Anklägerin vor allem auf den Risikozusammenhang, wie ihn Muhr dargestellt hatte, verwiesen: Er hatte das Gewicht auf das Umfeld gelegt, das den Heizlüfter im Führerstand des Unglückszuges "Kitzsteingams" zum zentralen Brandherd gemacht habe. Kurz gesagt: eine Montage-Lage von Heizlüfter und zu nahe daran vorbeiführenden Messleitungen mit Hydraulik-Öl, das ausgetreten sei; dazu ölgetränkte Dämmwolle, verschmutzte Holzbretter.

Doch dieses Umfeld hielt der Richter durch das Beweisverfahren für nicht erwiesen. Mehr noch: Gemäß den Sachverständigen hätten diese Kunststoff-Messleitungen keine Undichtigkeiten aufgewiesen, ihre Verlegung an der Rückseite des Heizlüfters sei "unbedenklich" gewesen.

Und: per Gesetz sei der Einbau eines Heizlüfters in die Seilbahn nicht verboten gewesen.

Für ihn, so Richter Seiss, gebe es hinsichtlich der von Muhr behaupteten Ölspuren nur eine Erklärung: Nämlich, dass der Gutachter seine Befundaufnahme vorgenommen habe, nachdem nachträglich diese Ölanhaftungen auf das Material gekommen seien - bedingt durch die "teilweise erschreckende Art und Weise, wie mit den Beweisgegenständen umgegangen wurde". Denn beim Abtransport des erhalten gebliebenen Vergleichszuges sei "alles durcheinandergeflogen".

Er halte daher die Version, dass sich austropfendes Hydrauliköl auf der heißen Glühwendel des Heizlüfters habe entzünden können, für nicht überzeugend, so der Richter. Vielmehr scheine ihm die andere Version des Gutachter-Teams um Helmut Prader schlüssig: Nämlich, dass ein Konstruktion-, Produktions- und Materialfehler am Heizlüfter "Hobby" zu dem Brandgeschehen geführt habe:

Entgegen der Zusicherung des Herstellers, entgegen allen vorhandenen Prüfzeichen sei das Kunststoffgehäuse des Geräts nicht eigensicher gewesen, sondern in Brand geraten, als die Aufhängung einriss und der daran festgemachte Heizstern torkelnd die Rückwand berührte. Erst dann seien die Hydraulikleitungen geborsten.

Die Kernfrage betreffe die persönliche Schuld. Wenn man also den Beschuldigten sorgloses, fahrlässiges Handeln in der Form vorwerfe, dass man bei der Ausführung der Kapruner Seilbahn nicht an Brand gedacht und daher auch keine brandschutztechnischen Maßnahmen ergriffen habe, so sei dem nunmehr entgegenzuhalten:

o Der Stand der Technik bei den Zügen und sämtliche Vorschriften seien eingehalten worden.

o Seitens des Verkehrsministeriums sei ein rechtskräftiger Baugenehmigungsbescheid vorgelegen.

o Zum damaligen Zeitpunkt habe die gesamte Fachwelt einen Brand in Standseilbahnen ausgeschlossen. "Eine solche Gefahr war für die Beschuldigten nicht vorhersehbar."

Schaden am Heizlüfter war nicht erkennbar

o Eine 100prozentige Identität der verbrannten "Kitzsteingams" mit dem erhalten gebliebenen "Gletscherdrachen", der bloß als Vergleichsmodell für die Analysen diente, sei nicht erwiesen.

o Der Schaden am Heizlüfter sei für einen Laien, und somit auch für die Beschuldigten, nicht erkennbar gewesen.

o Gemäß dem Vertrauensgrundsatz, der in einer arbeitsteiligen Welt gilt, hätten sich die Verantwortlichen der GBK Kaprun auf eine ordnungsgemäße Arbeit der von ihnen mit dem Wagenaufbau beauftragten "Firmen von Weltruf" verlassen können.

War das Risiko einer derartigen Katastrophe überhaupt zu erkennen? Das, so Richter Seiss, verneine er auch im Einzelfall:

o Alles oben Gesagte sei dem technischen Direktor der GBK, Manfred M., und dem Betriebsleiter Günther B. zugute zu halten. Der stellv. Betriebsleiter Thomas S. sei in Verkennung seiner Kompetenzen ins Strafverfahren gekommen.

o Der technische Leiter der Wagenbau-Firma Swoboda, Robert V., und der Projekttechniker Günther P. hätten bloß in ihrer Planung einen Heizlüfter vorgesehen, diesen aber weder selbst gekauft noch eingebaut noch angeschlossen (das erfolgte durch die Fa. Siemens). Sie hätten sich auf ihre fachlichen Mitarbeiter verlassen können.

o Was die drei Monteure der Firma Mannesmann-Rexroth Herbert P., Josef D. und Manfred G. betrifft, so hätten die Gutachter die Verlegung der Hydraulikleitungen als unbedenklich erachtet.

o Auch den drei Prüfungsbeamten des Verkehrsministeriums Peter S. und Ewald H. sei kein Schuldvorwurf zu machen: Sie hätten nur zu prüfen gehabt, ob die Bahn gemäß dem Baugenehmigungsbescheid ausgeführt wurde; sie waren aber ebensowenig wie der sie beauftragende Jurist Manfred S. Brandschutz-Sachverständige. Ähnliches gelte für die beiden TÜV-Prüfer Peter P. und Thomas K.

o Letztlich fehle auch den Vorwürfen gegen drei weitere Beschuldigte, die eine nicht (wieder-)schlie-ßende Brandschutztür im Alpincenter betrafen, die Basis.

Gegen die Freisprüche meldete die Staatsanwältin Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld an. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärte, es werde keine strafrechtlichen Schritte gegen die Herstellerfirma des Heizlüfters geben, weil bereits Verjährung eingetreten sei.

© SN/APA.

Nun, was ist eure Meinung dazu?

Ich bin etwas zweigeteilt in der Sache. Ich kann gut verstehen, dass die Angehörigen über den Urteilsspruch sehr enttäuscht sind, auf der anderen Seite weiß ich nicht ob man seine Trauerarbeit davon abhängig machen darf ob man jemanden die Schuld geben kann (so habe ich es auch im Radio von einem Papa gehört der seinen 8-Jährigen Sohn verloren hat. )

Ich selber kann mich an den 11.November 2000 nicht so gut erinnern, da ich zu der Zeit Austauschschüler in den USA war. Ich weiß aber, dass damals alle Rettungskräfte Mobiliseiert wurden, und eine Schwester und ein Bruder von mir sind freiwillige beim Roten Kreuz. Sie haben sich auf ihrer Dienststelle versammelt um ein weiteres vorgehen zu besprechen als der ANruf kam, dass man die Sanitäter nicht mehr brauche da man nur noch Tote bergen wird können.

Nach dem Grubenunglück von Lassing (98) und dem Lawinenunglück (99) steht Kaprun in einer traurigen Kette von Unglücken der letzten Jahre.

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Nunja, ich fand den Richter etwas arrogant und selbstherrlich, wer schon vorher sagt, die Leute sollen sich nicht aufregen, gehört nicht auf den Richterstuhl. Und seine Argumentation ist so schwach, wie die eines deutschen, bayerischen Richters, der behauptete, daß Kinder aus schwachen sozialem Milieu keinen psychischen Schäden mehr erhalten können, wenn sie sexuell mißbraucht werden...  :ugly:

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Ich gratuliere den unschuldigen und freigesprochenen Menschen.

Gerechtfertigt oder nicht? Keine Ahnung. Habe den Fall nicht wirklich verfolgt - eben nur das, was man nebenbei in den Medien mitbekam.

Im Zweifel für den Angeklagten - und das ist auch gut so.

Schade für die Hinterbliebenen, aber es hätte nicht Einen der Verstorbenen zurück gebracht.

Warten wir auf die Revisionsverhandlung.

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Kann man z.B. den Chef von Boing verurteilen, weil durch eine schlechte Schweißnaht ein Flugzeug abgestürzt ist? Ich bin der Meinung nein. Man könnte die Firma verurteilen, ja, aber nicht den Chef. Der Chef wäre meiner Meinung nach haftbar, wenn er auf minderwertige Materialien bei der Fertigung besteht. Also bin ich in diesem Fall auch der Meinung: Die Chefs kann man dafür nicht verurteilen, mögen sie vielleicht auch moralisch schuldig sein.

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Erst mal danke T'Jara für eine Diskussion, welche sehr interessant werden kann :)

Ich habe auch nur neulich etwas in der Zeitung gelesen, und habe den Vorfall schon vergessen gehabt...

So wie die Punkte aufgezählt sind, ist ein Freisprechung natürlich logisch... Aber ich glaube schon, dass der Richter richtig entschieden hat, und schließe mich der Argumentation von Obsidian Order an...

Ich kann gut verstehen, dass die Angehörigen über den Urteilsspruch sehr enttäuscht sind, auf der anderen Seite weiß ich nicht ob man seine Trauerarbeit davon abhängig machen darf ob man jemanden die Schuld geben kann
Schade für die Hinterbliebenen, aber es hätte nicht Einen der Verstorbenen zurück gebracht.

Stimmt. Die Hinterliebende hätten gerne einen Sündenbock, jemanden der dafür Bezahlen muss... Aber bestimmt fragen sich einige, auch wenn sie nach dem Gericht als nicht schuldig gelten, ob sich es doch hätten verhindern können. Also ein schlechtes Gewissen. Nicht alle, aber einige...

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Im Zweifel für den Angeklagten - und das ist auch gut so.

Schade für die Hinterbliebenen, aber es hätte nicht Einen der Verstorbenen zurück gebracht

100% Agree!

Für die Angeklagten ist dieser Vorfall an sich schon schlimm genug - mir würde es zumindest nicht leicht fallen, mit der Erinnerung leben zu müssen, dass Menschen durch meine Dienstleistung sterben mussten.

Ich kenne nicht die Hintergründe, aber wenn keine konkreten Beweise für eine maßgebliche Mitschuld vorgelegt werden konnten, gibt es daran doch nix zu rütteln. Es ist schon gut, wenn Menschen zu 90% alles richtig machen würden, habe ich mal gelesen..

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Man könnte die Firma verurteilen, ja, aber nicht den Chef. Der Chef wäre meiner Meinung nach haftbar, wenn er auf minderwertige Materialien bei der Fertigung besteht.

Das ist es ja grade. Nach der dortigen Rechtslage kann man keine Firma für schuldig erklären. Hab ich auch erst heute durch die Nachrichten erfahren.

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DAs Problem ist natürlich die Entferntheit, mit der wie die Sache hier angehen können! Wir haben  dort niemanden verloren und können die Bedürfnisse der Hinterbliebenen nur schwer einschätzen.

Dennoch muss man über die Folgen nachdenken, die eine Verurteilung der Menschen dort gehabt hätte. Man hätte dann auch Firmen verklagen müssen, deren Produkte fehlerhaft sind und dadurch Menschen in Gefahr bringen. Nicht auszudenken was da auf Autohersteller und Softwareprogrammierer zugekommen wäre!

In den USA ist die Bedienungsanleitung eines Mercedeses sicher doppelt so dick wie hierzulande, weil man sich gegen wirklich alles absichern muss, was schief gehen kann, um nicht verklagt zu werden! Und das dann nicht nur geklagt wird, um Gerechtigkeit zu erhalten liegt auch auf der Hand!

So sehr es mir für die Hinterbliebenen Leid tut; leider hätte ich einen SChuldspruch als unangebracht empfunden!

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Ich möchte hier nicht von einem richtig oder falsch reden, es ist meiner meinung aber gut gewesen sich keinen Sündenbock zu schaffen.

Natürlich sind die Angehörigen enttäuscht, wer wäre dies nicht? Am Ende bleibt jedoch die Gewissheit, daß man jede "Worst Case-Scenario" planen muss, egal wie unwahrscheinlich es auch einem erscheinen mag.

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So gesehen ist der Freispruch nach dem Buchstaben des Gesetzes korrekt. Man kann nicht eine Betreiberfirma dafür verantwortlich machen, wenn Gesetze fehlen. So gesehen ist der Staat gefragt, etwas zu unternehmen, dass sowas nicht mehr passiert. Hätte man jetzt alle Angeklagten verurteilt, wäre ein Präzedenzfall geschaffen worden, der anderen Fällen und seien sie noch so geringfügig, Tür und Tor geöffnet.

Auf der anderen Seite bleibt ein sehr übler Nachgeschmack. Den Hinterbliebenen bleibt nur noch der Weg der Zivilklage. Doch was ist ein Menschenleben wert? Alles Geld dieser Welt bringt nicht einen einzigen Toten zurück.

Wen hätte man eigentlich anklagen müssen? Die jetzt Freigesprochenen, den Staat, der keine Gesetze für solche Fälle parat hat? Ich weiß es nicht.

Ich habe übrigens für verurteilen gestimmt. Nur so wäre der Staat gezwungen gewesen, etwas an der Gesetzgebung zu ändern.

Schönes Wochenende, Reinhold

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Ich habe übrigens für verurteilen gestimmt. Nur so wäre der Staat gezwungen gewesen, etwas an der Gesetzgebung zu ändern.

Nach meiner Info - aus der heutigen Tageszeitung glaube ich - ist das nicht korrekt. Der Richter hat extra gesagt dass mit dieser Katastrophe nicht zu rechnen war, aber das mit in Zunkunft damit rechnen muss, also wird der Staat wohl auch die entsprechenden Gesetze erlassen (müssen).

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